II. Zeitgeschichte.

Unter den Führern der Bremer Märzbewegung von 1848 spricht H. Tidemann ( 951) nur einen als Mann von Eigenart und wirklich revolutionärer Gesinnung an: den Pastor Rudolph Dulon, einen Mann, dessen Werdegang auch für den anderer achtundvierziger Demokraten bezeichnend ist, und dessen politische Beziehungen weit über Bremen hinausreichen, nämlich bis in die Londoner Flüchtlingskolonie. Von Tidemanns »Beitrag zur Geschichte der Märzrevolution in Bremen« ist einstweilen nur der erste Teil veröffentlicht, der Dulons Entwicklung bis zu seiner Berufung nach Bremen darstellt. Der Verf. entwickelt Dulons Charakter aus dem Blut eines französischschweizerischen Adelsgeschlechts, dessen Geschichte er in großen Zügen andeutet, und gibt dann, im wesentlichen auf Dulons Schriften und Predigten gestützt, in einleuchtenden, klaren Zügen den religiösen und politischen Werdegang des streitbaren Geistlichen aus der drückenden Stendaler Schulzucht und den Hallenser Universitätsjahren vom Rationalismus über den Supranaturalismus zum religiösen und politischen Radikalismus. Von Magdeburg, wo er der Führer der Radikalen war, wurde Dulon im Schicksalsjahr 1848 an die Bremer Liebfrauenkirche berufen. -- Aus den Hamburger Verfassungskämpfen der 1850er Jahre bringt A. Heskel ( 959) eine Schilderung der eigenartigen Rolle, die Senator M. H. Hudtwalcker darin spielte. Als Wasserbaudirektor


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Hübbe und Genossen, deren Beschwerdeschrift nachmals die Frage der »Neunerverfassung« mit sehr zweifelhafter Berechtigung vor den Bundestag brachte, 1850 durch die Brüder v. Gerlach mit dem Berliner Hof in Verbindung getreten waren, bediente sich der Hamburger Senat eines »privaten« Besuchs Hudtwalckers in Berlin, um die Bedenken Friedrich Wilhelms IV. gegen die Verfassungsvorlage zu zerstreuen und zugleich Preußen in der Sache des Eingriffs österreichischer Truppen in Hamburg zu beeinflussen -- freilich ohne den gewünschten Erfolg. Aus diesem Auftrag leitete Hudtwalcker das Recht ab, gutgemeint, aber recht ungeschickt noch einmal hinter den Kulissen Vorsehung zu spielen. Während Kirchenpauer seinen Senat mit diplomatischem Geschick in Frankfurt vertrat und sich bemühte, Hamburgs souveränes Recht zur Einführung der neuen Verfassung vor dem Bundestag zu retten, gefährdete Hudtwalcker die offizielle Politik durch seinen privaten Vermittlungsvorschlag an Leopold v. Gerlach. Von allgemeinerem Interesse in Heskels Arbeit ist die Haltung Bismarcks als Vorsitzender der Bundestags-Kommission für die Hamburger Verfassungsfrage.


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