III. Rechts- und Verfassungsgeschichte.

Die bremischen Stadtrechte lagen bisher nur in der veralteten Oelrichsschen Ausgabe von 1771 vor. Nunmehr beginnt K. A. Eckhardt ihre Neuveröffentlichung, indem er zunächst die ma.- lichen Rechtsquellen herausbringt ( 1292). Aufgenommen sind die Stadtrechte von 1303, 1428 und 1433, sowie die »kundigen Rullen« von 1450 und 1489, und zwar mit einziger Ausnahme der kundigen Rulle von 1450, die nur in einer Abschrift überliefert ist, sämtlich nach den Originaltexten. In der einen Bogen füllenden Einleitung beschreibt der Herausgeber die Handschriften und macht den Benutzer mit seinen sorgfältigen Beobachtungen über ihr Zustandekommen sowie mit den Grundsätzen seiner Textpublikation bekannt. Eine kleine Rechtsstammtafel veranschaulicht die Zusammenhänge der bekannten Handschriften und vermuteter entwicklungsgeschichtlicher Zwischenglieder. Dem Abdruck wie der Auswertung der Texte zollt C. Borchling alles Lob. Von den Mitarbeitern des Herausgebers steuerte A. Hübner das Glossar bei; B. Maas ließ das Stadtrecht von 1428 mit einer kurzen verfassungsgeschichtlichen Einleitung als Dissertation erscheinen ( 1293). -- Weiter sind hier einige Beiträge zur Stadtbuchforschung zu nennen. Davon ist der von E. Schalk ( 1294) am stärksten rechtshistorisch eingestellt. Schalk will die erste einheitliche Schilderung des hamburgischen Liegenschaftsrechts in seiner Entwicklung von den frühesten bekannten Anfängen bis zur reichsrechtlichen Vereinheitlichung geben. Der geschichtliche Überblick im 1. Teil zeigt, daß der Rechtszustand, wie er schon vor der Kodifikation des Hamburgischen Rechts von 1270 bestand, durch die Rezeption wenig beeinflußt, bis zum Hypothekengesetz von 1868 in seinen Grundzügen sich erhalten hat. Der 2. Teil behandelt (knapper als Rehme in seiner Lübecker Arbeit) das Formale des Liegenschaftsrechts, also die Auflassung und die Eintragung, hierbei wieder die verschiedenen einschlägigen Bücher und deren Führung. Von dem 3. Teil ist nur das Materielle von Auflassung und Eintragung in der vorliegenden Ausgabe veröffentlicht. Was die Dissertation über eintragungsfähige Rechte sowie über das Grundbuchwesen im Landgebiete bot, deutet nur das Inhaltsverzeichnis an. Aus dem Anhang sei die Übersicht über die vorhandenen Stadtbücher und die Urkundensammlung genannt, die in 48 Beispielen die vorkommenden »Rechtsfiguren« veranschaulicht.


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An den Stadtbüchern anderer Städte gemessen, beginnt das älteste Bremer Lassungsbuch -- mit dem 2. Drittel des 15. Jhds. -- verhältnismäßig spät. Die Arbeit von A. Lonke ( 407) über dieses Buch sei des Zusammenhangs wegen hier aufgeführt, wenn sie auch Rechtsgeschichtliches nur in den kurzen Abschnitten über die Geschichte der Lassungen und über die Formen des Kaufes, sowie in dem kleinen Urkundenanhang bietet. Der Ton liegt auf dem Topographischen. Die Mitteilungen über die einzelnen Arten von Liegenschaften, über die Straßen und Stadtteile sind nicht allein eine Fundgrube für den Lokalhistoriker, sondern sie enthalten auch nicht wenig für den Philologen. Denn der Verf. belegt sachlich gruppiert seine Beobachtungen mit dem Wortlaut der Eintragungen. Beigegeben ist ein sauberer Nachdruck des Murtfeldtschen Stadtplans von 1796. In das besonders für den Wirtschaftshistoriker bedeutsame Lübecker Niederstadtbuch führt F. Rörig ein ( 1476). Schon das älteste noch erhaltene Niederstadtbuch, dessen frühester Eintrag dem Jahre 1311 angehört, beschränkt sich nicht mehr auf die öffentliche Buchung bestehender Schuldverhältnisse; es treten Beurkundungen von Rechtsgeschäften aus dem Gebiete des Familien- und Erbrechts hinzu, sodann eine Abteilung »societates«. Rörig berichtigt hier Rehme, der darin ein Handelsregister sehen wollte. Die Eintragungen dieser Abteilung sind im Grunde auch nur beurkundete Schuldverhältnisse; denn sie stellen überwiegend die Ansprüche stiller Gesellschafter sicher. Rörig erweitert ferner die Kenntnis des verlorenen ältesten Niederstadtbuches. Seit der Mitte des 14. Jhds. hat das Niederstadtbuch seinen Charakter völlig geändert; es enthält jetzt die verschiedensten Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Aus dem abnehmenden Anteil der Kreditgeschäfte des kaufmännischen Warenverkehrs darf kein Schluß auf deren Rückgang gezogen werden. Denn solche Geschäfte waren nicht an eine Beurkundung gebunden, und die schriftlichen Verträge wurden bei weitem nicht immer in das Buch eingetragen, konnten vielmehr in der Form besiegelter Urkunden oder der gerade in Lübeck beliebten literae partitae (durch Kerbschnitt voneinander getrennter Doppelausfertigungen) niedergelegt werden. Die Ehrengabe des Vereins für Lübeckische Geschichte an den Deutschen Juristentag ( 147), in der die Rörigsche Arbeit erschienen ist, wird im übrigen von anderer Seite besprochen. -- Eine Hamburger Untersuchung von G. Bolland ( 1341) schildert die Verhandlungen, die schließlich 1835 zu einem Rats- und Bürgerschluß über die Neuordnung der öffentlichen Verhältnisse des hamburgischen Landgebietes führten. Das Landgebiet zerfiel vorher in acht gesonderte Landherrenschaften, und die drei großen geistlichen Stiftungen genossen in ihren Besitzungen fast unumschränkte Hoheitsrechte, die man nicht, wie es nach dem Vorgehen Lübecks möglich gewesen wäre, durch eine Säkularisation auf Grund des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 beseitigte. Der Senat benutzte auch nicht die günstige Stimmung nach Abzug der Franzosen, aus den Erfahrungen jener Zwischenverwaltung die Folgerungen zu ziehen, setzte vielmehr die Patronate der milden Stiftungen in ihre alten Rechte wieder ein. Der Sekretär der Oberalten, Dr. Ferdinand Beneke, ließ aber die Reorganisationsfrage nicht wieder zur Ruhe kommen. Die abschließende Reform war ein Kompromiß. Die Stiftungen wurden im wesentlichen abgefunden, das Landgebiet nach Geest und Marsch eingeteilt, aber ohne freie Wahl der Landherren, mit geringer Reform der Gerichtsverfassung und ohne Zuteilung

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der staatsbürgerlichen Rechte an die Landbewohner, wie sie die Oberalten auf Grund des Art. 13 der Bundesakte angestrebt hatten.


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