4. Katholische und evangelische Kirche.

Die von Klapper ( 1565) aus einer Saganer Handschrift der Breslauer Universitätsbibliothek vollständig abgedruckten Statuten Bischof Nankers sind zum großen Teil aus den schon gedruckten Gnesener Statuten von 1326 übernommen. Ihr Inhalt bietet Anlaß zu wissenschaftlicher Auswertung in mancher Richtung. -- Der äußere Ablauf der Gegenreformation in den Fürstentümern Liegnitz-Brieg-Wohlau ist bekannt, ihre Vorgeschichte und ihre staatsrechtlichen Grundlagen hat nun v. Velsen ( 826) in einem Buche untersucht, das auf gründlichen archivalischen und literarischen Studien aufgebaut und von einem bemerkenswerten Streben nach objektiver Wahrheit erfüllt ist. Die Vorgeschichte seit der Durchführung der Reformation 1524 bis zum Anheimfall der Fürstentümer an die Krone Böhmen 1675 nach dem Tode des letzten Piasten Georg Wilhelm dient zum Verständnis des Hauptabschnittes, in dem die Durchführung der Gegenreformation und die Alt-Ranstädter Konvention (1675--1707) behandelt werden. Die Gegenüberstellung der Kirchenpolitik der Piasten zu der von staatspolitischen Notwendigkeiten geleiteten habsburgischen Politik ist gut gelungen. Als die Alt-Ranstädter Konvention den durch den Osnabrücker Frieden geschaffenen Sicherheitszustand wiederherstellte, war die Spannung zwischen Volk und Staat bereits derart gesteigert, daß der Übergang an Preußen als Erlösung empfunden wurde. Die im Anhang gebotene Zusammenstellung über die Rekonziliation oder Schließung der evangelischen Kirchen berücksichtigt weniger die aus vielen Einzelaufsätzen bekannten, oft dramatischen Schilderungen dieser Vorgänge als vielmehr die verwaltungsrechtlichen Unterlagen der ergriffenen Maßnahmen. Die Anlagen sind ohne Beachtung der für Editionen jetzt allgemein anerkannten Regeln abgedruckt. Gute Inhaltsangaben und Namensverzeichnisse erleichtern die Benutzung des Buches. Die Tätigkeit der Jesuiten in v. Velsens Darstellung wird durch neue Arbeiten Hoffmanns ( 1709, Die Jesuiten in Deutsch-Wartenberg, 1931, und Die Jesuiten in Brieg, 1931) näher beleuchtet. So umfangreich die Übersicht der Liegenschaften der schlesischen Jesuiten aus dem Jahre 1763 erscheinen mag, dieser Besitz war doch durch Schulden und Steuern derart belastet, daß die Provinz arm zu nennen war. Die 1755 als selbständige schlesische Provinz errichtete, von der böhmischen abgetrennte Provinz wurde 1776 aufgelöst; die Güter wurden zum Schuleninstitut vereinigt, das bis 1800 bestand. Bis auf den heutigen Tag hat der Staat für die Kosten dieser Jesuiten-Gymnasien aufzukommen. Sowohl das Heft über Deutsch-Wartenberg als auch die Arbeit über Brieg sind im wesentlichen


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aus den jetzt in Wien befindlichen »Literae annuae« aufgebaut und zeugen von den Verdiensten der Gesellschaft um das Schultheater, die Seelsorge und die Kunst des Barock. Zu den Mitgliedern des Brieger Hauses gehörte der durch seine Beziehungen zu Friedrich d. Gr. bekannte Karl Regent (geb. 1689). In Deutsch-Wartenberg wirkte Karl v. Reinach (1710--1791). -- Kardinal Melchior von Diepenbrocks Briefe sind in verschiedenen Arbeiten veröffentlicht worden und dadurch leider recht verzettelt. Hoffmann ( 1711) druckt D.s Briefe an die Herzogin Dorothea von Sagan (1844--1862) und z. T. deren Antworten ab. Sie stammen aus dem Schloßarchiv in Sagan, das man nicht mit Unrecht für diese Zeit ein schlesisches Weimar nennt. Aufschlußreiche Erläuterungen sind beigegeben. -- Von den von Nowack ( 1710) aus dem Breslauer Diözesanarchiv mitgeteilten Briefen seien die an König Ludwig I. von Bayern wegen Lola Montez geschriebenen herausgehoben. Auch zu dem Briefwechsel des Kardinals mit dem Frankfurter Arzt Dr. Passavant bietet das hübsch ausgestattete Buch Ergänzungen. Leider sind die erläuternden Anmerkungen zu knapp gehalten. Endlich hat Nowack aus derselben Quelle den Briefwechsel D.s mit der Gräfin Ida Hahn-Hahn vor und nach ihrer Konversion (München 1931) zusammengebracht, der für Ketteler zu beachten ist. -- Diepenbrocks Nachfolger, Heinrich Förster, war schon als Kanonikus ein eifriger Anhänger Anton Günthers und blieb es auch, nachdem er Bischof geworden und die Schriften Günthers dem Index verfallen waren. Die von Winter ( 1712) abgedruckten Briefe Försters an den Kardinal Schwarzenberg in Prag, die teilweise schon in der Schwarzenberg-Biographie C. Wolfsgrubers verwertet sind, bieten wertvolle Urteile über den Dogmatiker Baltzer, dessen radikale Kampfnatur später Förster unsympathisch wurde. Baltzer und Reinkens wurden schließlich altkatholisch. Außer den Förster- Briefen sind Briefe Rudolf (Maurus) Wolters, des späteren Abtes von Beuron, an Josef Reinkens mitgeteilt. -- Drei bittere Kampfjahre 1896--1899 in dem Ringen zwischen Deutschtum und Polentum behandelt die zeitungsgeschichtliche Schrift von Müller ( 1713), die für die Tätigkeit des Kardinals Georg Kopp und des »Versöhnungspolitikers«, des Posener Erzbischofs Florian von Stablewski, bemerkenswerte Beiträge bringt. Der Stoff ist im wesentlichen der deutschen und polnischen Tagespresse entnommen. Der Vortrag von Hoffmann ( 1811) über die Entwicklung der evangelischen Kirche in Oberschlesien beruht hauptsächlich auf den 1771--1773 gedruckten »Materialien« des Pfarrers von Hünern Füchs. Aus der reichhaltigen Literatur, die über diesen Gegenstand vorliegt, hätte die wichtigste angegeben werden müssen. -- Der Loccumer Abt und Generalsuperintendent von Hannover, Gerhard Wolter Molan (1690--1710), ein eifriger Mitarbeiter Leibniz' für die Wiedervereinigung der Lutheraner und Reformierten, hat einen lebhaften Briefwechsel mit dem Breslauer Bürgermeister Johann Sigismund von Haunold unterhalten, den Becker ( 1809) bekanntgibt. Haunolds Berater waren der Rektor des Elisabetans Martin Hanke, der Pastor an Maria Magdalena Kaspar Neumann und der Senior an St. Bernhardin Andreas Acoluth, alle Lutheraner, die den Unionsversuchen ablehnend gegenüberstanden. --Wotschke ( 1810) setzt den Abdruck von Pietisten-Briefen (vgl. Jberr. 6, S. 385) fort; darunter sind mehrere Briefe an A. H. Francke und ein Brief Franckes an die Oberschlesier a. d. J. 1713. -- Die Fortsetzung der in den Jberr. 6, S. 385 genannten Arbeit von

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Eberlein ( 1810) umfaßt die Jahre 1827--1835. Es handelt sich um die Diasporaberichte der Reiseprediger aus dem Herrnhuter Archiv Karl Fr. Martin Domcke und Bruder Heinze aus Neusalz, welche die Kreise Löwenberg, Hirschberg, Schönau und Landeshut aufsuchten und Beziehungen zum Adel und den Geistlichen knüpften. Unter den »Erweckten« war auch die »Frau Minister Reder [!]« (S. 55). Es ist die bekannte Witwe des Grafen Reden, deren Lebensbild von Eleonore Fürstin Reuß (Berlin 1888, 2 Bde.) mancherlei über die ihr nahestehenden Erweckungs- und Bibelgesellschaftskreise enthält.


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