6. Persönlichkeiten.

Der neue Band der »Schlesischen Lebensbilder« enthält eine Reihe bemerkenswerter Beiträge. Zum Winkel (in 45) würdigt den Liegnitzer Herzog Friedrich II., den Sohn einer Tochter König Georgs von Podiebrad (1480--1542). Nach seines Bruders Tode fiel ihm Brieg zu, durch Kauf auch Wohlau, dazu vorübergehend der Pfandbesitz von Glogau, Münsterberg und Frankenstein, so daß sich eine starke Hausmacht in seiner Hand vereinigte. Durch die Verheiratung seiner Tochter und eine Erbverbrüderung mit Brandenburg wurde seine politische Stellung noch mehr gestärkt. Schon 1524 ließ er die evangelische Predigt zu und gründete eine evangelische Hochschule auf der Dominsel in Liegnitz, die aber nur bis 1530 bestand. Eingehender hat darüber G. Koffmane im Correspbl. d. Ver. f. Gesch. d. ev. Kirche Schl.'s 2 ( 1883), 34 ff. berichtet. -- Friedrichs II. Sohn Georg II. von Brieg wird in dem genannten Band der Lebensbilder (S. 59--68) von G. Eichbaum treffend als Förderer der Künste und Wissenschaften gezeichnet. Da er auch als Verwaltungsorganisator und Bergbauunternehmer Beachtung verdient, wäre eine monographische Behandlung dieses Fürsten notwendig. Die dem Aufsatz beigegebenen reichen Quellen- und Literaturangaben erleichtern diese Aufgabe. -- Thomas Rehdiger ist ein Typus des Späthumanisten und echten Renaissancemenschen, der sein Vermögen dazu benutzt hat, auf weiten Reisen in kurzer Zeit wertvolle Handschriften und Drucke zu sammeln. Die Sammlungen des Frühverstorbenen († 1576) bilden den Grundstock der Breslauer Stadtbibliothek. Biber (in 45) nennt unter den Literaturangaben Heckels schlesische Literaturgeschichte (S. 118 f.) nicht, weist aber darauf hin, daß R. nicht in Striese, sondern in Breslau geboren ist. -- Andreae (in 45) umreißt ein anschauliches Bild Hans von Schweinichens, dessen Lebenserinnerungen (Memorialbuch) von jeher seit Goethe und G. Freytag bis zu neueren Bearbeitungen für die Schule und im Roman als einzigartige Quelle für das Leben und Treiben an einem Fürstenhofe des 16. Jhds. bekannt sind. Der Liegnitzer Hofmeister und Marschall (1552--1616) hat auch noch ein »Merkbuch« hinterlassen, das Wutke veröffentlicht hat. In ihrer ursprünglichen Realistik sind diese Aufzeichnungen geradezu symbolisch, wie Goethe gesagt hat, für seine Zeit. --Groba ( 1418) zeichnet, die Abhandlungen von Stieda und Grotkaß erweiternd und berichtigend, ein lebendiges Bild Achards, des Erfinders der Rübenzuckerindustrie, eines Kosmopoliten (»eine technische, keine ökonomische Begabung«), der es mit seinem Patriotismus vereinbaren konnte, seine Erfindung auch anderen Nationen nutzbar zu machen; er starb 1821. 1801 hatte er seine Fabrik in Cunern bei Wohlau angelegt. -- Die vielseitige Tätigkeit Johann Gustav Büschings (1783--1829) wird von Jessen (in 45) gut herausgearbeitet. Wenn B. auch philologische Schulung und Akribie fehlten, muß er doch als Germanist anerkannt werden, dessen großes Ziel der Volkserneuerung im Geiste der Romantik manche Kritik verstummen


S.420

läßt. Als erster hat er auf die Bedeutung der schlesischen Kunstdenkmäler hingewiesen und den ersten schlesischen Geschichts- und Altertumsverein ins Leben gerufen. Am bekanntesten ist er wohl in weiteren Kreisen als der Sammler der durch die Säkularisation dem Staate anheimgefallenen Bibliotheken, Archive und Kunstdenkmäler, die er in Breslau in Sicherheit brachte. Wenn auch diese Maßnahmen eine Halbheit bedeuteten, so gebührt doch Büsching das Verdienst, gleich Vincke in Westfalen, die Zentralisierung in Berlin verhütet zu haben.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)