III. Quellen und Darstellungen, chronologisch.

A. Hasenclever ( 798) erweitert durch Abdruck eines Berichtes Christophs von Carlowitz an Herzog


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Georg d. Bärt. die Kenntnis vom Türkenfeldzuge 1532. Der Bericht schildert einige hervorragende Waffentaten aus dem September, ohne aber den näheren Aufschluß über die Jugendgeschichte von Carlowitz zu geben, den man nach der Überschrift von H. vermutet. Kenntnisreiche Anmerkungen erläutern den Text. --

Unter Auswertung seiner früheren Schriften bietet P. Haake ( 843) eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten, aber einander z. T. widersprechenden Urteile über August den Starken aus seiner Zeit bis zur Gegenwart. H. meint, daß in Übereinstimmung mit seinem eigenen, aus 30jähriger Arbeit gewonnenen Urteil auch jede Forschung mit Mitteln der Psychoanalyse schließlich doch das bestätigen werde, was schon Flemming (z. T. auch Glafey) als Zeitgenosse und Ranke als genialer Ausbeuter der archivalischen Quellen über August d. St. hinsichtlich seines Charakters und seiner Politik gesagt haben. Es gehe nicht an, über den künstlerischen Leistungen Augusts seine politischen Fehler zu übersehen, die für Sachsen doch die Aussicht auf eine entscheidende Stellung in Deutschland endgültig zerstört hätten. An der Falschheit und Hinterlistigkeit des Wettiners könne nicht gut gezweifelt werden, weil sie von allen bestätigt würden, die ihn wirklich kannten. Aber vielleicht lasse sich nach Erich Wulffens Buch »Der Sexualverbrecher« die Frage aufwerfen, ob nicht der ungewöhnliche Geschlechtstrieb Augusts ebenso den ethischen Aufbau seines Charakters wie die Vervollkommnung des Staatsmännischen in ihm gestört habe. --

Das Buch von A. Brabant ( 860) ist als 3. Band seines großen Werkes erschienen: »Das hlg. römische Reich teutscher Nation im Kampfe mit Friedrich d. Gr.« Eindringlicher und umfassender als jedes andere Werk macht es uns mit allem vertraut, was 1759 im Kampf um Kursachsen zugleich den Reichskrieg gegen Friedrich gefördert oder noch mehr gehemmt hat. Wie die beiden ersten Bände, so hat auch der neue Band den Vorzug, daß er uns ebenso vortrefflich wie über das Spiel auf der Bühne, so auch über die Vorgänge hinter den Kulissen unterrichtet. Die diplomatischen Gaukeleien von Freund und Feind, die Leiden des sächsischen Volkes, der überaus fragwürdige Zustand der Reichsarmee infolge schlechter Verpflegung und Ausrüstung durch rücksichtslose Schieber, Intrigen um die Befehlsführung, Verantwortungsstreitigkeiten und nicht zuletzt glänzende Gefechtsschilderungen aus vorzüglicher Geländekenntnis heraus -- das alles ergibt zusammen den reichen Inhalt des Buches, der nicht mit wenigen Worten erschöpft werden kann. Ich verweise auf eingehende Besprechungen von Lippert (Neu. Arch. sächs. Gesch. 1931, S. 295 f.) und von mir (H.Z. 1933). --

H. G. Holldack ( 952) untersucht die sog. Reaktionszeit in Sachsen von 1849--1855 an vier seiner Meinung nach besonders bedeutsamen Umständen: an dem Konflikt der Regierung mit den provisorisch gewählten Kammern, an der Ministerialpolitik gegenüber der Landesuniversität und an der Organisation ebenso der Unterbehörden wie der politischen Polizei. Seit Febr. 1849 wird Beust, bisher Gesandter in Berlin, als Außenminister der spiritus rector der ganzen sächsischen Politik. Seine Hauptaufgabe sah er in der Erhaltung der Selbständigkeit Sachsens, besonders auch gegen Preußen. Nach außen liebäugelte er mit der Triasidee, nach innen zielte er auf die Reaktivierung der alten agrarischen Stände ab, trotzdem die wirtschaftliche Entwicklung Sachsens schon


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offensichtlich eine stärker angemessene Rücksicht auf Handel und Industrie heischte. B. brauchte aber die Herrschaft der starren Konservativen im Lande, weil er nur von ihnen die unbedingte Verteidigung der vollen Selbständigkeit Sachsens gegen alle nationaldeutschen Strömungen in Parteien und öffentlicher Meinung erwarten zu können glaubte. Er ist dabei in Einzelfragen mit seinen Kollegen und mit dem König selbst nicht immer einig gewesen, aber er hat sich fürs erste durchgesetzt, ebenso hinsichtlich der Fronde der Universität wie in den Fragen der Organisation von Unterbehörden und politischer Polizei. Bei den Unterbehörden wurde die Trennung von Verwaltung und Rechtsprechung gegen Friesens und Zschinskys Vorschläge abgelehnt, und die Polizei wurde wenigstens in Dresden verstaatlicht und so mehr von der Regierung abhängig gemacht. Das neue Statut vom 11. 8. 51 nahm der Universität die alte Freiheit gegenüber dem Staate, um den Professoren besonders das Eintreten für die deutsche Einheitsbewegung zu erschweren. Es beließ jedoch den Ordinarien noch ihre hauptsächlichen Vorrechte, wohl um sie desto gewisser an das weitere Wohlwollen der Regierung zu binden. Wie schon hierbei, beeinflußte die Vorliebe für englische Verhältnisse auch Beusts Eintreten für das Institut der Friedensrichter. Freilich unter bürokratischer Führung (S. 182) sollte es eine Entschädigung der Rittergutsbesitzer für die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit sein, blieb aber wie alle reaktionären Maßnahmen Beusts nur Flickwerk und verschwand in dieser ersten Form mit der Landgemeindeordnung von 1873. Die Ausführungen Holldacks machen trotz einer gewissen Selbstgefälligkeit den Eindruck verständiger Akten- und Literaturbenutzung. Ein Register fehlt leider. Sachliche Berichtigungen von F. Hauptmann in Neu. Arch. sächs. Gesch. 1931, S. 299 f. --

Holldacks Arbeit führt in manchem der stattliche Aufsatz von M. Daerr ( 968) weiter, indem er über Beusts Stellungnahme zu den Bundesreformplänen der deutschen Mittelstaaten im Jahre 1859 unterrichtet. Damals regte sich bekanntlich der deutsche Einheitsgedanke wieder und kehrte sich gegen die Unzulänglichkeit des Dt. Bundes. Bayern wollte der Bundesversammlung durch Ausarbeitung allgemeingültiger Gesetze für Deutschland wenigstens nach innen mehr Ansehen verschaffen, aber Beust versprach sich mehr Erfolg von der Unterdrückung aller Reformbestrebungen. Gegenüber demokratischen und liberalen Forderungen in Eisenach und Hannover wollte B. auf Anregungen aus dem sächs. Innenministerium und aus Wien die Mittelstaaten gegen alle Verunglimpfungen des Bundes mobil machen. Sein Briefwechsel mit den leitenden Ministern war insofern zwiespältig, als er auch Verbesserungen am Bunde vorsah, aber dieser Gedanke ging nicht von ihm, sondern von König Johann aus. Als sich die Antworten gerade dazu bekannten, mußte auch B. selbst darauf eingehen. Bei Besprechungen in München einigten sich die Minister von Bayern, Sachsen und Württemberg auf einen entsprechenden Antragsentwurf beim Bunde, der besonders auch die Möglichkeit zu Majoritätsbeschlüssen gegen Preußen schaffen sollte. Aber B. spielte auch wieder mit dem Gedanken der Trias und verdarb dadurch die Aussichten des Programms bei den andern Staaten. Nach langwierigen Verhandlungen kam zunächst ein Antrag der Mittelstaaten auf eine Revision der Bundeskriegsverfassung zur Annahme, weil Preußen dagegen auch nichts einzuwenden hatte. Beust hoffte, dieses magere Ergebnis noch etwas fülliger gestalten zu können. Er regt eine Konferenz der mittelstaatlichen


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Minister in Würzburg an, und die Zuspitzung der kurhessischen Verfassungsfrage leistete ihm dabei Vorschub. Vom 22. bis 27. November wurden hier Vorschläge zur Bundesreform, namentlich in bezug auf das Bundesgericht, ein Preßorgan des Bundes und Befestigung der deutschen Küsten beraten. Umsonst versuchte B. zugleich einen Beschluß gegen die Konstituierung des Nationalvereins herbeizuführen. Diese Enttäuschung und die abermals dürftige Auswirkung der Konferenz von Würzburg zeitigten schließlich in Beust die Überzeugung, daß nur noch eine Reform des Bundes den Einigungsgedanken wirksam bekämpfen könne, und so schritt er zu seinem Reformprojekt von 1861 (vgl. Neu. Arch. sächs. Gesch. 46, S. 49 ff.). Die frisch und klar geschriebene Arbeit Daerrs ist zugleich Berliner Dissertation und verdient als Erstlingsarbeit volle Anerkennung. --

Mit der Herausgabe der Tagebuchaufzeichnungen des Kronprinzen Albert über 1866 und 1870 liefert A. Brabant ( 986) neue Grundlagen zur Beurteilung des Prinzen als Menschen und als Feldherrn. Aber es ist ein spröder Stoff, der größtenteils noch der Bearbeitung harrt. Nur wirkliches Können zeitigt eine solche Bescheidenheit, wie sie der fürstliche Schreiber in fast formlos knapper Sprache und in der scharfen Selbstkritik seiner Maßnahmen offenbart. Was trotzdem daraus zu gewinnen ist, hat Haake (Neu. Arch. sächs. Gesch. 1933, S. 139 ff.) an einem Beispiel gezeigt, indem er uns aus den kargen Aufzeichnungen des Kronprinzen über St. Privat die wirkliche Leistung des Feldherrn und seine Fähigkeit zu großem und raschem Entschluß klarmacht. Nach Haakes Beispiel wird sich die Forschung weiter bemühen und vielleicht auch weiterhin die Leistung des Prinzen gegen ihn selbst hervorheben müssen. Der kleine Aufsatz über »Die Verwendung des Spatens im Feldkriege« verrät eine genaue Einsicht in die Auffassung des Soldaten, die unseren militärischen Führern vor und im Weltkriege besser nicht verborgen geblieben wäre und die auch für die Zukunft bahnweisend bleibt. --


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