V. Allgemeine Geistesgeschichte.

Die Untersuchung von W. Becker ( 1301) will den Umfang der Spruchtätigkeit des Magdeburger Schöppenstuhls in der Lausitz und die hier etwa auftretenden Abweichungen von der gewöhnlichen Gestaltung des Magdeburger Rechts feststellen. Einem Überblick über Literatur und Quellen folgt die Geschichte der Verbreitung des M. R. in der Lausitz, getrennt nach Ober- und Niederlausitz (!), wobei auch der Rechtsverkehr und sein Ende erörtert werden. Zwei weitere Kapitel verbreiten sich über die Geltung des M. R. in Verfassung, Verwaltung, Strafrecht, Lehnrecht, Privatrecht und schließen mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse. Nach dem Verf. ist in den Städten der Lausitz überall M. R. oder in einzelnen Fällen anderes deutsches, aber nie slawisches Recht zu erkennen, bis durch die Rezeption des römischen Rechts die alte Spruchweisheit der Magdeburger Schöppen ihr Ansehen allmählich verliert. So vorzügliche Sachkenner wie W. Lippert (Neu. Arch. sächs. Gesch. 1931, S. 291 ff.) und R. Jecht (N. Laus. Mag. 107, S. 207) sind mit der Arbeit durchaus nicht einverstanden und bezeichnen sie sogar als unausgereift und flüchtig. -- Sehr aufschlußreich für das Erbrecht an ländlichen Besitzungen ist die Darbietung von W. v. Boetticher ( 1494), die nicht nur für die sächsische Oberlausitz zutrifft, sondern mutatis mutandis auch für die bäuerlichen Erbverhältnisse im ganzen sächsischen Gebiet nicht außer acht zu lassen ist. Geradezu zeitgemäß wichtig sind die Ausführungen über das Anerbenrecht, das in der Oberlausitz nach v. B. in allen Spielarten auftritt, so daß ebenso der älteste wie der mittlere und am meisten freilich der jüngste Sohn als Anerbe in Betracht kommt. --

Das Gedächtnisbuch der Universität Halle für Christian Thomasius, hrsg. von M. Fleischmann ( 1930) darf die sächsische Geschichtsforschung nicht übersehen, denn die Grundlagen von Wesen und Wissen des vielseitigen Gelehrten sind doch in Leipzig geformt worden, obwohl Thomasius später vor der starren Beschränktheit seiner Leipziger Kollegen flüchten mußte. Die Lebensskizze, vom Herausgeber selbst, würdigt den Gelehrten, den Journalisten und vor allem den Mann der Tat in seinen vielseitigen und kraftvollen Ausstrahlungen (vgl. die Anzeige Jberr. 5, S. 389). In dem neuen Beiwerk der Anmerkungen hätte wohl die letzte Herausgabe der Schriften Osses (Sächs. Komm. f. Gesch. 1922) genannt werden sollen, da die erste, von Thomasius besorgte Ausgabe mehrfach erwähnt wird. Die anderen acht Beiträge von verschiedenen Verfassern charakterisieren die Bedeutung von Thomasius für das deutsche Geistesleben, die deutsche Sprache, das Urheberrecht und den Journalismus. Sie behandeln weiter sein Verhältnis zu A. H. Francke, seine Bibliothek, seine


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Beziehungen zur Stadt Halle und seine Bildnisse. Eine Bibliographie rundet die Übersicht über das Werk des Gelehrten ab. --

Auf erstaunlich umfangreicher Akten- und Literaturkenntnis beruht die Dissertation von J. Georgi ( 1977). Dem entspricht das Verhältnis von Text und Anmerkungen, 78 : 384. Mit dem politischen Umschwung in Sachsen seit 1830 wurde auch der Ruf nach einer angemessenen Umgestaltung der Volksschule laut, aber vorerst fehlte in den 30er Jahren die Mitbeteiligung des Lehrerstandes, weil er noch nicht organisiert war. Mit Gesetz vom 6. 6. 1835 wurden die evangelischen Kirchenbehörden zugleich die Schulbehörden. Seit 1840 macht sich eine stärkere Opposition im Landtage bemerkbar, und damit wird auch die liberale Anschauung von der »Volksschule, die zum Menschen bildet«, immer stärker die Grundlage für die Forderung einer Schulgesetzrevision, der die Regierung aber widerstrebt. 1848 gewannen die entschiedenen Schulreformer (Kell, Roßmäßler, Köchly u. a.) nach Aufhebung der Zensur mehr Raum für ihre Forderungen in der Presse. Die Schultheorien und Schulprogramme (S. 44/52) kämpfen besonders für die »Staatsschule«, die aber von den Konservativen leidenschaftlich abgelehnt wird. Darüber kommt es erst 1851 zu einem neuen Schulgesetz, und dieses wird dann von Beust reaktionär beeinflußt, weil er von der Hauptforderung der Reformer nach einer nationalen und sozialen Erziehung nichts wissen wollte. Freilich ist dabei nicht zu vergessen, daß auch diese Hauptforderung zumeist nicht aus wirklich nationaler, sondern aus humanliberaler Grundanschauung entsprang, die sich im Schulgesetz von 1873 schließlich gegen die Regierung durchsetzte. Daher ist dem Verf. auch nicht zuzugeben, daß die liberalen und demokratischen Tendenzen einen wirklich fruchtbaren nationalen Gedanken getragen hätten (S. 91). Sie haben sich, wie der Fortgang bis 1933 gezeigt hat, vielmehr des nationalen Gedankens nur als Bemäntelung ihres westlichen Liberalismus und eigennütziger Wünsche bedient. -- Die Briefe des Kreisdirektors und späteren Ministers von Falkenstein an den Kirchen- und Schulrat Dr. Meißner, hrsg. von C. Niedner ( 1800), ergänzen für die Jahre 1839--1853 in mancher Hinsicht die Arbeit von Georgi, da sie mehrfach auf die Schwierigkeiten um die Schulgesetzgebung hinweisen. Sie geben weiter guten Aufschluß über alle bedeutenderen kirchlichen Vorgänge in Sachsen (z. B. Jesuitenpropaganda in Annaberg, Deutsch-Katholiken, Stellenbesetzung u. a.), weil sie durch den Herausgeber eine vorzügliche Erläuterung hinsichtlich Personen und Sachen erfahren. --


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