III. Landesgeschichte.

Der oft bedauerte und immer fühlbar gewesene Mangel einer zusammenfassenden Darstellung der politischen Entwicklung Thüringens ist endlich behoben. Das Buch von Schneider und Tille ( 180) ist in den von Tille bearbeiteten Abschnitten die erste richtungweisende Einführung. Bereits in Gebhardts Handbuch ( 153) hat T. in dem Kapitel »Die deutschen Territorien« in bewährter Weise die bis 1918 bestehenden thüringischen Einzelstaaten und ihre Vorläufer behandelt. Hier stellt er im Hauptteil des Buches die jeweils vorhandenen staatlichen Gebilde vom 6. Jhd. bis zur Gegenwart dar; in glücklicher Weise werden die großen Linien und Zusammenhänge der rechtlichen und politischen Voraussetzungen für das Werden und Vergehen der wichtigsten Herrschaften aufgezeigt: Landgrafen und Wettiner, Reichsgut und geistliche Gebiete, 7 Grafengeschlechter, 6 Herrenfamilien und 2 ursprünglich ministeriale Geschlechter. Dieser auf Quellen und Darstellungen aufgebaute Teil ist heute das Beste, das in so knapper und doch erschöpfender, meisterhafter Form dargeboten ist. Demgegenüber fallen Schneiders essaiähnliche kurze Bemerkungen über die kulturelle Bedeutung Thüringens durch Beschränkung auf die Neuzeit und auch da noch auf Jena und Weimar sehr stark ab und werden in keiner Hinsicht der kulturellen Vielgestaltigkeit gerecht. -- Die sehr wichtige Frage nach der Bedeutung des Erzbistums Mainz für Thüringen und seiner Stellung im Lande wird von Zierfuß ( 182) in durchaus unbefriedigender Weise beantwortet. Es fehlt vielfach quellenmäßige Begründung und Kritik; die stoffliche Verarbeitung kommt über die Aneinanderreihung einzelner Regesten nicht hinaus. Das Thema wird in entscheidenden Punkten mißverstanden, da der Mainzer Territorialbesitz in Thüringen mit dem Bistumssprengel, der ganz Thüringen bis zur Saale umfaßte, sehr oft verwechselt wird. -- Die im Vorjahr bereits angezeigte Arbeit von Sommerlad ( 181) behandelt den Werdegang der Deutschordensballei Thüringen bis zum Beginn der Reformation, ihre Organisation und Kulturarbeit. Die absichtliche Beschränkung auf die Verarbeitung der vorhandenen Literatur bedingt mangels hinreichender Vorarbeit die ungleichmäßige, oft recht unbefriedigende Behandlung des Stoffes. Durch Auswertung der gedruckten und ungedruckten Urkunden und Akten wird man über das sonst fleißige Buch in vielen Teilen weit hinauskommen können. --Lampes Spezialuntersuchung ( 785) ist daher ein gutes Beispiel für die notwendigen Quellenarbeiten; er gibt ein Bild der Wirksamkeit des aus Thüringen stammenden Landkomturs Helwig von Goldbach im Ordenslande 1273--1306. --Barsekow ( 269) stellt die Geschichte der Burggrafen von Kirchberg, eines seit 1149 urkundlich bezeugten edelfreien Geschlechtes aus Mittelthüringen, bis zum Anfang des 15. Jhds. dar. Die einzelnen Burggrafen folgen im Buche der Generationenreihe nach; gesondert ist der Güterbesitz und die soziale Stellung der Burggrafen behandelt. Unter dem Drucke der Wettiner verloren sie im 14. Jhd. ihre alten Herrschaftsgebiete, verkauften ihren Stammbesitz an Erfurt und gewannen schließlich doch um Kranichfeld und an der mittleren Saale neuen Boden. Lesefehler an nicht unentscheidenden Stellen mindern bisweilen den Wert der recht nützlichen Arbeit. -- E. Hartungs Geschichte des Amtes Allstedt 1496--1575 (Jena, Frommann, XIX u. 160 S.) ist sehr verdienstlich; im 16. Jhd. hat diese äußerste Exklave Thüringens infolge wiederholter Verpfändungen an die Grafen von Mansfeld und von Stolberg, an die Stadt Straßburg i. E. u. a. ein sehr wechselvolles


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Schicksal, das hier in seiner ganzen staatspolitischen und privatrechtlichen Verflochtenheit einwandfrei klargelegt wird. -- Da Südthüringen zum fränkischen Kreis gehört hat, darf Schneiders Arbeit ( 828) wenigstens genannt werden; der Ertrag ist hier wegen unterbliebener Auswertung der fränkischen Kreistagsakten in den Thüringischen Staatsarchiven nur gering. --Tröbs ( 904 a) zeigt klar und gefällig die Hauptlinien der politischen Bestrebungen, die Carl August in unermüdlicher Beharrlichkeit verfolgte, um sein Land zu vergrößern, seine Macht zu erweitern und besonders die Nachfolge seiner Dynastie bei den Albertinern im Königreich Sachsen durch Verträge sicherzustellen. Nachdem eine Gebietsvergrößerung auf rein politischem Wege nicht den erhofften Erfolg brachte, betrieb Carl August eine regelrechte Erbpolitik. Die Versuche, dafür die europäischen Großmächte einzuspannen, sind freilich völlig mißlungen. -- Dem Wirken Carl Augusts ist auch die Abhandlung von Andreas ( 880, vgl. dazu S. 205) gewidmet. -- E. Bauer (Die Siedlungen unseres Waldes zwischen Werra und Haßlach. Sonneberg, Gräbe und Hetzer. 106 S., 8 Tafeln) behandelt sorgfältig für ein kleines Teilgebiet die Zusammenhänge zwischen Boden, Siedlung und Wirtschaft. Die rein geschichtlichen Abschnitte sind oft schief. -- Das 5. Heft des »Gothabuches« (Gotha. Das Buch einer deutschen Stadt. Hrsg. von Kurt Schmidt. Heft 5. Gotha in der Neuzeit III. Gotha, Engelhard-Reyher. S. 309--400. 4) gibt von zwei Verfassern (Bessenrodt und Schmidt) einen ausgezeichneten Querschnitt durch die politische Haltung und das kulturelle Leben einer mittleren Residenzstadt im gesamtdeutschen Rahmen der letzten drei Jahrhunderte.


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