VII. Kirchengeschichte, Kirchenrecht.

Daß das ursprünglich nicht regulierte Kollegiatstift St. Wiperti zu Quedlinburg etwa 1145/1146 von Scheda aus mit Prämonstratensern besetzt worden ist und daß der erste Propst zu St. Wiperti Gottfried mit dem gleichnamigen Schedaer Propst identifiziert werden muß, weist J. Bauermann ( 1628) in einer groß angelegten Untersuchung einwandfrei nach. Darüber hinaus berücksichtigt er aber auch die Frühgeschichte der genannten bis in die erste Hälfte des 10. Jhds. zurückreichenden Stiftung, deren bisher sehr im Dunkel liegende Anfänge somit eine weitgehende Klärung und Aufhellung erfahren. -- Auch die Frühzeit des Prämonstratenserstifts Jerichow, dessen Gründung in das Jahr 1144 fällt, sowie sein Verhältnis zu Havelberg haben durch G. Wentz ( 1631) eine erneute Behandlung erfahren. -- Auf den ersten Teil von Sommerlads ( 181) Geschichte der Deutschordensballei in Thüringen von ihrer Gründung bis zum Ausgang des 15. Jhds. haben wir bereits in Jberr. Bd. 6, S. 400 hingewiesen. Der 2. Teil, der jetzt anzuzeigen ist, behandelt die inneren Verhältnisse der Ballei (Landkomture usw., Archivwesen, Besitzverhältnisse u. a.) und die Bedeutung des Deutschen Ordens als Träger ma.licher Kultur. Trotz verschiedener nicht unbedeutender Beanstandungen, die S.s Untersuchung gefunden hat (vgl. u. a. Jb. »Sachsen u. Anhalt«, Bd. 9, S. 279 ff.), wird man dem Verf. doch nicht das Verdienst absprechen können, als erster den Versuch einer zusammenfassenden Darstellung der Deutschordensgeschichte für Thüringen gemacht zu haben. -- Die kirchliche Verfassungs- und Rechtsgeschichte des Bistums Halberstadt hat im Berichtsjahre eine erhebliche Förderung erfahren, zunächst durch eine Studie A. Diestelkamps ( 1563) über das Halberstädter Synodalwesen, das hier zum ersten Male zusammenfassend sowohl hinsichtlich seiner Geschichte als auch hinsichtlich seiner Organisation untersucht wird, und endlich durch einen sehr weit ausholenden Aufsatz des gleichen Verf. ( 1562) über die geistliche Gerichtsbarkeit in der Diözese Halberstadt am Ausgang des MA.s, die in erster Linie auf den interessanten und höchst wertvollen Halberstädter Gerichtsordnungen des 15. und 16. Jhds. beruht und als Anhang den Abdruck eines von dem bischöflichen Offizial Heinr. Horn über die Reform der geistlichen Gerichte in der Diözese Halberstadt erstatteten Gutachtens von zirka 1530 bis 1536 bringt. Im übrigen erbringt D. für das von ihm behandelte Gebiet den bündigen Nachweis, daß trotz eifrigster Reformbestrebungen, besonders von seiten des Administrators Ernst von Sachsen, die geistliche Gerichtsbarkeit immer mehr in Verfall geriet, eine Tatsache, die für die Beurteilung der Ursachen der Reformation und der Entstehung des landesherrlichen Kirchenregiments nicht ohne Belang ist. -- Über das religiöse Leben Erfurts und über die sächsische Kongregation der Augustiner-Eremiten, ihre Vikare (u. a. den berühmten


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Andreas Proles) usw. verbreitet sich J. J. Wagner ( 1697) in einer Schrift, die den Beziehungen Luthers zum Kloster der Augustiner-Eremiten in Ehrenbreitstein nachgeht. -- In welcher Weise sich der Torgauer Klostersturm (1525), der eine nicht unbedeutende Phase des Kampfes der sächsischen Franziskaner gegen die Glaubenserneuerung bildet, im einzelnen abgespielt hat und wer sein Urheber gewesen ist, war bisher bei weitem nicht in allen Einzelheiten geklärt. Um so erfreulicher ist es, daß der treffliche Franziskanerhistoriker F. Doelle ( 1706) jetzt in der Lage ist, an Hand im StA. Weimar gefundenen archivalischen Materials ein klares Bild von den Vorgängen des genannten Jahres in Torgau zu zeichnen und als Seele des Aufstandes einwandfrei den Schneider Gunther Braun namhaft zu machen. Des weiteren dürfte auch trotz der Ausführungen G. Haselbecks (s. Franzisk. Stud. Bd. 19, S. 155 bis 162) kaum ein Zweifel mehr daran bestehen, daß der damalige Guardian P. Urban Abern zur neuen Lehre übergetreten ist und sich auch noch verheiratet hat. -- Auf die für die ersten Jahrzehnte der Reformation wichtige Publikation der Merseburger Visitationsprotokolle von 1562 und 1578 durch W. Friedensburg ( 1799) ist bereits in Abschnitt III aufmerksam gemacht worden, so daß sich hier ein weiterer Hinweis erübrigt. -- Die Lehre des eine Zeitlang in Niederndodeleben b. Magdeburg ansässigen Ehepaares Petersen von der Wiederbringung wie auch die Zersetzung der Petersenschen Eschatologie durch die radikale Mystik hat W. Nordmann ( 1766) zum Gegenstand einer Untersuchung (Schlußteil eines 1930 begonnenen Aufsatzes) gemacht, der außerdem von ihm ein alphabetisches Verzeichnis der Schriften Petersens und seiner Frau beigegeben worden ist. -- Die schon 1930 begonnene Veröffentlichung von 31 unveröffentlichten Briefen A. H. Franckes an Phil. J. Spener beendet K. Weiske ( 1767) durch Mitteilung der Briefe von 1699 bis 1704. --


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