III. Siedlungs-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.

In einer abgerundeten und im ganzen ansprechenden Betrachtung und Darstellung der siedlungsgeschichtlichen Verhältnisse Lippes ( 401) zeigt Hunke, daß Lippe in vorgeschichtlicher Zeit nicht das überwiegend von Wald bedeckte Gebiet war, als das es gern angesehen worden ist. Der bei weitem größte Teil der Ortschaften gehört schon der Periode vor den Rodungen an, darunter auch die meisten hausen-Dörfer. Für die mittelalterliche Rodungsperiode ist die Anlage von Hagendörfern charakteristisch; in neuerer Zeit ist durch die Heuerlingssiedlung (seit dem 17. Jhd.) und die Markenteilung eine starke Auffüllung und Ausdehnung der Siedlungen eingetreten. Das Wüstwerden von Orten, vorzugsweise in der Umgebung von Städten und geschlossenen Orten zu beobachten, erscheint durch eine Verdichtung der Bebauung in den Nachbarorten ausgeglichen. Bei der Behandlung mancher Probleme (z. B. Zusammenhang zwischen Flurverfassung und Siedlungsform; Entstehung und Grundrißgestalt der städtischen Siedlungen) wäre tieferes Eindringen und mehr Streben nach selbständiger Erkenntnis am Platze gewesen; die Abhängigkeit von Vorarbeiten ist stellenweise groß. -- Im Anschluß an eine Zusammenstellung der Nachrichten über die Liesborner Höfe in dem von ihm untersuchten Kirchspiel behandelt Speckmann ( 1473) die Verwaltung dieses Grundbesitzes und die Lage der Klosterhörigen. --Dankerts statistische Untersuchungen über Dortmunds Bevölkerung ( 285) erstrecken sich fast ausschließlich auf die im 18. Jhd. aufgenommenen Neubürger, ihre Zahl, Heimat und Berufe. Für die Erwerbung des Bürgerrechts galten damals die aus dem Mittelalter überlieferten Vorschriften noch beinahe unverändert fort. Zwar suchte auch der Dortmunder Rat die Zuwanderung zu begünstigen (z. B. durch die Zulassung von Reformierten seit 1786), doch kam er nicht so weit entgegen wie der preußische Nachbar; auch der Bergbau übte noch keine starke Anziehungskraft aus. -- Die schon um 1300 nachweisbare Kohlengewinnung in der Grafschaft Mark hat erstmals im 17. Jhd. größere wirtschaftliche Bedeutung erlangt dadurch, daß die Handelssperre der Spanier gegen die Niederlande eine Hebung der Salzerzeugung in Westfalen und damit auch des Kohlenverbrauchs bewirkte. Die günstige


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Konjunktur, die zeitweilig einen geradezu stürmischen Abbau hervorrief, weckte auch das fiskalische Interesse. Wie dieses bei einem selbst als Unternehmer tätigen Rentmeister zu Hörde mit seinem privaten Gewinnstreben in Konflikt geriet, zeigen Schmidts Mitteilungen aus den darüber entstandenen Akten ( 1475). -- Eine wirtschaftsgeschichtliche Quelle besonderer Art sind die Erinnerungen des Iserlohner Landrats Müllensiefen ( 1948). Die Schilderung seiner Lehr- und Dienstjahre in Altena und seiner eigenen Betätigung als Nadelfabrikant in Iserlohn gewährt einen lebendigen Einblick in die ausgedehnten Handelsbeziehungen und nicht immer sehr sauberen Geschäftspraktiken märkischer Eisenindustrieller des 18. Jhds., die mehr Kaufleute waren als Techniker. Charakteristisch für die geistige Haltung jener Unternehmerschicht ist die Verquickung von Wirtschaftsgesinnung und religiöser Gedankenwelt separatistischer Färbung: Müllensiefen war Anhänger Swedenborgs; seine Aufzeichnungen verraten unverkennbar den Einfluß Jung-Stillings. -- Die Bedeutung der Persönlichkeit für die Gestaltung der Wirtschaft suchen die Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsbiographien ( 44), eine Sonderreihe der »Westfälischen Lebensbilder«, stärker zur Geltung zu bringen. Unter den 18 darin bisher behandelten Vertretern verschiedenster Wirtschaftszweige und Wirtschaftsfaktoren sind neben allbekannten Größen wie Friedrich Krupp und Harkort ( 1471), Kolping ( 1518) und Schorlemer-Alst ( 1474), Henckels und Louis Baare auch manche weniger geläufige Namen zu finden, wie der Wuppertaler Textilfabrikant J. Schuchard ( 1471) und der Essener Bergamtsdirektor H. Heintzmann. Fast alle haben regen Anteil am politischen Leben genommen; ihre Lebensabrisse werden dadurch zugleich wertvolle Beiträge zur Geschichte des Bürgertums und der sozialen Bewegungen.


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