IV. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte.

Trotz mancherlei Darstellungen über den Werdegang der städtischen Entwicklung Aachens darf der Aufsatz von Albert Huyskens ( 1282) doch in erheblichem Maße Beachtung verdienen. Der Verf. geht dabei aus von der Beobachtung des Gebrauchs der Führung des ältesten Aachener Stadtsiegels aus dem 12. Jhd. Dieses nach dem Vorbild von Kaisersiegeln geschaffene Siegel ist nach stilistischen Kriterien der Zeit vor 1152 zuzuweisen. Die ältesten Urkunden des Stadtarchivs sind für die königlichen Kaufleute ausgestellt, deren Bedeutung hier erörtert wird. Weiterhin geht der Verf. bei einer Untersuchung des Privilegs von 1166 auf die Gerichtsverfassung


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und Stadtbefestigung ein, sowie auf die Entstehung des Aachener Rats. Erst 1294 befand sich das Stadtsiegel in der Gewalt der Aachener Bürgermeister, während es noch 1273 in den Händen des Aachener Dechanten war, als vermutlich das in diesem Jahr gegebene Verordnungsrecht den Anlaß gab, das Siegel den Bürgermeistern zu überliefern. -- Das kurtriersche Sammelprivileg von 1332 erklärt E. Schaus ( 1280) mit der Absicht des Erzbischofs, sich vorsorglich die reichsrechtliche Stadtfreiung für etwa entwicklungsfähige Orte zu sichern und jede unmittelbare Einwirkung des Reichsoberhaupts auf die Landesuntertanen auszuschalten. Kraft seiner Stellung als Wahlfürst konnte sich Balduin vom Kaiser eine solche Sicherung seiner landesherrlichen Gewalt gewährleisten lassen. Die Verleihung mit Frankfurter Recht ist mehr als Nachweis des kurtrierschen Besitzstandes aufzufassen in dem Sinne und nach dem Vorgang Hontheims. -- Die Ausführungen von Emil Haas ( 1338), die einen Teil einer noch im Gange befindlichen Untersuchung über die Landgemeinde im Kurfürstentum Trier bilden, zeigen im Gegensatz zu der Auffassung von W. Fabricius, daß die im Amt Montabaur vorhandenen »Zechen« (Amtsgemeinden) nicht den Zentereien in anderen trierschen Ämtern entsprechen. Diese Zechen sind nicht aus gerichtsorganisatorischen, sondern rein verwaltungsorganisatorischen Maßnahmen erwachsen. Die Heimburgen im Amt Montabaur hatten mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit nichts zu tun. Sie sind ihrer Tätigkeit nach in erster Linie lokale Vertreter des Staats und werden vom Landesherrn besoldet. Sie nahmen eine vermittelnde Stellung ein zwischen Staat und Einzelgemeinde. Eine Vertretung der einzelnen Gemeinden der Zeche unter dem Vorsitz des Heimburgen gibt es nicht. Haas nimmt an, daß es sich bei der Schaffung der Zechen um eine Übertragung der linksrheinischen Gerichtsorganisation handelt. Er sieht in den Zechen Vorläufer der modernen Samtgemeinde rheinischer und westfälischer Eigenart. -- Als eine Ergänzung zu Schmollers Darstellung über das Städtewesen unter Friedrich Wilhelm I., zugleich aber auch als ein wichtiger Beitrag zur Geschichte der kommunalen Selbstverwaltung verdient die Arbeit von Ilse Barleben ( 1326) vollste Beachtung. Mit großer Sorgfalt hat sie die Quellen über das Recht der niederrheinischen Städte aus Staats- und Stadtarchiven durchforscht und verarbeitet, indem sie die Grundzüge der Entwicklung in Gerichtsbarkeit und Verwaltung bis zur preußischen Zeit zur Darstellung brachte, um dann die Einflüsse der Reformen im 18. Jhd. aufzuzeigen. Wertvoll sind die Feststellungen über die Mannigfaltigkeit der Verwaltungsformen in den einzelnen klevischen Städten und überzeugend ihre Behauptung, daß auch im Zeitalter des Absolutismus die Idee der Selbstverwaltung lebendig geblieben ist. Wenn man im Einkörperschaftssystem der rheinischen Bürgermeisterverfassung den fortgeschrittensten Typus der kommunalen Verfassungs- und Verwaltungsorganisation erblickt, so weist die Verf. mit Recht darauf hin, daß es sich dabei nicht um eine Neuschöpfung der französischen Fremdherrschaft handelt. In dieser Hinsicht ist auch die Schlußbetrachtung, in der ein Vergleich zu den Verhältnissen des deutschen Ostens ausgeführt wird, durchaus überzeugend. Hinweise auf die Verhältnisse in anderen niederrheinischen Territorien wären erwünscht gewesen. -- Kleine staatliche Gebilde bieten dem Historiker durch ihre Verfassung bisweilen nicht weniger starkes Interesse als die größeren Territorien. Das zeigt K. Heckmann ( 1338) an der Verfassungsgeschichte der ehemaligen

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reichsfreien Herrschaft Homburg an der (oder vor der) Mark, die zunächst als ein Stück der Grafschaft Sayn kurpfälzisches, seit 1276 aber Reichslehen war. Trotz stattgefundener Teilungen unter den Besitzern blieb die Herrschaft und Festung ein Ganzes, eine sogen. Ganerbschaft. Über den Brurgfrieden von 1385, die Verhältnisse der Ganerben untereinander und zu den bergischen Nachbarn, sowie über spätere Verträge, die mancherlei verfassungsgeschichtlich und rechtlich interessante Einzelheiten bieten, insbesondere über den Siegburger Vergleich von 1604 weiß der Verf. Eingehendes zu berichten. Auch die kirchenpolitisch bemerkenswerte Persönlichkeit des Grafen Ludwig d. Ä. zu Wittgenstein tritt bei den Verhandlungen aus dem Ende des 16. Jhds. dabei als eine bisher noch zu wenig bekannte Größe in helleres Licht. --

Die außerordentlich inhaltreiche, mit wertvollen Bildern führender Industrieller ausgestattete Festschrift von Josef Wilden (100 Jahre Düsseldorfer Wirtschaftsleben. Düsseldorf, Bagel 1931. 187 S. 4) zur Erinnerung an das hundertjährige Bestehen der Düsseldorfer Handelskammer zeigt in markigen Zügen, wie es durch zähe und unablässige Arbeit der Kammer gelungen ist, für Düsseldorfs Handel und Industrie zu wirken. Eine kurze Einleitung weist hin auf die geringen Anfänge des Düsseldorfer Wirtschaftslebens, da die Stadt ursprünglich keine Stätte der Wirtschaft war. Den Rang einer Industriestadt erhielt Düsseldorf erst durch die eisenschaffende und eisenverarbeitende Industrie, die sich um 1860 ausbreitete. Düsseldorf wurde Verkehrszentrum und Ausstellungsstadt. Der 2. Teil zeigt den Weg der Handelskammer, der dritte die Wirtschaftspflege. Im 4. Teil ist der Weltkrieg und der Ruhrkrieg behandelt, im fünften das Wirkungsfeld der Handelskammer. Ein Anhang bietet Verordnungen u. a. Aktenstücke von 1784 ab sowie eine gute Literaturübersicht.


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