III. Landesgeschichte in zeitlicher Folge.

-- Die Verfassung der Stadt Straßburg, einst als vorbildlich unter allen deutschen Stadtverfassungen gerühmt, hat noch niemals eine zusammenfassende Darstellung erfahren, wie sie etwa für das benachbarte Basel Heusler schon vor Jahrzehnten versucht hat. Über teilweise treffliche Monographien, wie die von Schmoller und Winckelmann und den Torso der breit angelegten Quellensammlung von Eheberg, ist man nicht hinausgelangt. Auch Crämer ( 1337) hat sich nicht an diese fehlende Gesamtdarstellung gewagt, aber er füllt doch die bestehende Lücke für den beträchtlichen und sehr wichtigen Zeitabschnitt vom Beginn der Reformation bis zum Falle Straßburgs durch eine abschließende Behandlung aus, die in vier Kapiteln (Verfassungszustand und Verwaltungskörper, Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Kulturpolitik) den ganzen Umkreis des städtischen Lebens umschreibt. Als Quellen dienten die gedruckten Verordnungen und die (nicht für alle Teilgebiete in gleichmäßiger Reichhaltigkeit erhaltenen) Archivalien des Straßburger Stadtarchivs. Das städtische Heerwesen Straßburgs im gleichen Zeitraum behandelt derselbe Vf. in einem besonderen Aufsatz ( 803). -- Die Politik der Stadt Straßburg im Schmalkaldischen Krieg, über die Holländer vor einem halben Jahrhundert eine tüchtige Arbeit veröffentlicht hatte, untersucht Petri neuerdings in der Fortsetzung seiner Abhandlung über Straßburgs Beziehungen zu Frankreich in der Reformationseit ( 802; vgl. Jber. 1929 S. 524), nachdem der von Gerber herausgegebene vierte Band der Straßburger politischen Korrespondenz ( 801) ein wesentlich bereichertes Quellenmaterial, besonders aus den Nichtstraßburger Archiven, der Forschung erschlossen hat. Die anfangs wenig hervortretenden Beziehungen nach dem Westen verdichteten sich erst im J. 1547 unter dem Druck einer wachsenden politischen Isolierung zu einer unmittelbaren Fühlungnahme der Stadt mit dem französischen


S.462

König. Die Bedeutung dieses Ereignisses war indessen mehr symptomatisch als politisch folgenreich, da die alsbald beginnenden Verhandlungen mit dem Kaiser, deren Ergebnis auch durch eine gesteigerte Tätigkeit der französischen Propaganda und der Anschlußpartei (Joh. Sturm, Geiger, Sevenus) nicht mehr gefährdet werden konnte, der Straßburger Politik eine entscheidende Wendung gaben. Seine volle Rehabilitation als freie Reichsstadt errang Straßburg dann durch sein Verhalten gegen Heinrich II. dank der klugen Politik Jakob Sturms, auf die hier manches neue Streiflicht fällt. Eine wissenschaftliche Biographie dieses Mannes wäre eine der dringendsten und lohnendsten Aufgaben der elsässischen und deutschen Geschichte des 16. Jhds. -- An der diplomatischen Abwehr Heinrichs II. war auch Sleidan beteiligt; die damaligen Ereignisse förderten das in seinen letzten Lebensjahren verstärkte Hervortreten nationaler Stimmungen, das freilich seiner inneren Verbundenheit mit dem geistigen Leben Frankreichs keinen ernstlichen Abbruch tun konnte (vgl. Hasenclever, Sleidan u. Frankreich-Els.-lothr. Jahrbuch X, 101). -- Die früheren Ausführungen Rheindorfs über die englische Rheinpolitik von 1813--1815 (vgl. Jber. 1928, S. 200) werden ergänzt durch einen Aufsatz desselben Verfassers über die Rolle, welche die elsaß-lothringische Frage in den Überlegungen der damaligen englischen Staatsmänner spielte ( 904). Die Stellung Frankreichs am Oberrhein galt ihnen nicht als Ausfallspforte für eine politische Offensive, die Rückgabe des Elsaß an den deutschen Bund daher nicht als notwendige Vorbedingung der mitteleuropäischen Sicherheit, die damals durch die Wiederherstellung der Grenzen von 1792 vom englischen Standpunkt aus genügend gewährleistet schien.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)