IV. Kirchengeschichte.

-- Die Arbeiten zur ma.lichen Kirchengeschichte Badens beschäftigten sich im Berichtsjahr wesentlich mit der Geschichte des Bistums Konstanz. Während die Stellung der Straßburger Bischöfe im Investiturstreit schon vor einer Reihe von Jahren von Scherer behandelt worden war (für Metz vgl. jetzt im vorigen § Abschnitt V), lag ein solcher Versuch für Konstanz bisher nicht vor, obwohl hier die Regesten das Material schon vor langer Zeit bereitgestellt und später die Papsturkunden in Brackmanns Germania pontificia noch einmal eine gesonderte Behandlung erfahren hatten. E. Hofmann, der diese Lücke jetzt ausfüllt, gliedert seine Ausführungen im Gegensatz zu anderen Arbeiten dieser Art nicht rein chronologisch, sondern nach dem Gesichtspunkt der bischöflichen Stellungnahme zu den Streitparteien und zu den Streitproblemen. Bisher liegt nur der 1. Teil vor ( 1605), der also, ohne auf die Frage der Simonie und Investitur einzugehen, die Stellung der Konstanzer Bischöfe zu Papst und Kaiser im allgemeinen festzulegen sucht. Am ergiebigsten ist die Untersuchung über Bischof Otto, da dessen von 1071 bis 1080 dauernde Regierungszeit noch keine abschließende Darstellung erfahren hat. Vf. kommt hinsichtlich der Fastensynode von 1076 durch abweichende Beurteilung der einschlägigen Lambert- und Bernoldstellen zu einem ganz anderen Ergebnis als Meyer von Knonau und sonstige Forscher, welche diese Frage in anderem Zusammenhang behandelt haben: nach ihm ist Bischof Otto damals nicht exkommuniziert, sondern nur suspendiert worden, ohne eine von seinen Amtsgenossen ganz getrennte Behandlung zu erfahren. Die Nachrichten über den Ulmer Tag vom Herbst 1076, die eine Lösung von der Exkommunikation melden, werden vom Vf. ohne Erreichung eines ganz klaren und zufriedenstellenden Ergebnisses kritisiert. Über den Nachfolger Gebhard III. handelt Hofmann nur kurz zusammenfassend, da hier mehrere monographische Abhandlungen schon vorgearbeitet hatten. -- K. A. Fink macht die Stellung der Konstanzer Bischöfe zum päpstlichen Stuhl im Zeitalter des avignonesischen Exils zum Gegenstand einer umfassenden und gründlichen Untersuchung ( 1604), die im wesentlichen auf dem Material der Konstanzer Regesten und der von Rieder herausgegebenen Römischen Quellen zur Konstanzer Bistumsgeschichte beruht. Das umfangreichste Kapitel der Arbeit behandelt die kirchenpolitische Stellung der Bischöfe. Trotz gelegentlichem Steigen des kaiserlichen Einflusses ist im allgemeinen eine ausgeprägt kurienfreundliche Gesinnung festzustellen, die auch in kritischer Lage, wie etwa nach dem Regierungsantritt des Bischofs Nikolaus im J. 1334, sich als dauerhafter bewährte, als in anderen deutschen Bistümern; was die Bischofswahlen betrifft, so engten in Konstanz


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wie überall anderwärts die päpstlichen Reservationen das freie Wahlrecht ein, doch zeigen gerade die Konstanzer Provisionen, daß die päpstlichen Ansprüche sich durchaus nicht hemmungslos auswirken konnten, da in der Mehrzahl der Fälle die Kandidaten des Domkapitels doch durchdrangen. In finanzieller Beziehung wurde Konstanz, was dem allgemeinen Verlauf der Dinge entspricht, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts stärker von der Kurie herangezogen, doch weist Fink darauf hin, daß die Leistungen im Vergleich zu den sonstigen Ausgaben des Bistums recht niedrig waren und jedenfalls nicht die alleinige Schuld an dem Ruin der bischöflichen Finanzen tragen. In der Frage, welche Wirkungen die päpstlichen Provisionen für niedere Pfründen auf das kirchliche Leben ausübten, urteilt der Vf. mit Recht sehr zurückhaltend. Starke Mißstände sind auch im Konstanzer Bistum nicht zu leugnen (die Ermordung des reformeifrigen Bischofs Johann Windlock allein bezeugt das schon deutlich genug), doch lassen sich verschiedene Argumente gegen eine allzu starke Einschätzung des Einflusses der kurialen Pfründenpolitik geltend machen. Über die Beziehungen der Klöster und Stifter zur Kurie handelt Fink kürzer, da hierüber schon eine frühere Arbeit von Hauber vorlag; wertvoll sind die vollständigen Übersichten über die Inkorporationen von Pfarreien und Kapellen. -- Von den Regesten der Konstanzer Bischöfe sind im Berichtsjahr die beiden ersten Lieferungen des 5. Bandes erschienen ( 129), die letzten, die der langjährige, seit 1901 rastlos für dieses Werk tätige Karl Rieder vor seinem inzwischen erfolgten Hinscheiden noch fertigstellen konnte. Sie umfassen die Zeit des Bistumsstreites zwischen Ludwig von Freiberg und Otto von Sonnenberg 1474--80, eine Periode, die das Konstanzer Bistum in besonders enger Verflechtung mit allgemeinen Verhältnissen und besonders den Beziehungen zwischen Kaiser und Papst zeigt und daher schon früher, von Vochezer und Göller, ausgiebig behandelt war. Großenteils bieten daher die Regesten hier nur den Vorteil der übersichtlichen Zusammenstellung bereits bekannter Dinge, doch ist natürlich bei den für die Regesten erforderlichen genaueren Nachforschungen noch manches Neue zu Tage getreten, u. a. aus einem von Rieder aufgefundenen bischöflichen Konzeptbuch. Ob man freilich den päpstlichen Kandidaten so ganz als Unschuldslamm hinstellen darf, wie es der Hsg. in einer Vorbemerkung auf der 2. Umschlagseite tut, bleibt doch zu bezweifeln; daß er sich an die getroffenen Abmachungen nicht immer ehrlich gehalten hat, ist nicht abzustreiten. Die Regesten sind leider formal und inhaltlich nicht immer ganz auf der Höhe, was man zum Teil wohl der zunehmenden Kränklichkeit des Bearbeiters zugute halten muß. Immerhin wirken die oft recht unschönen und ungeschickten Formulierungen, grammatische Flüchtigkeiten (Reg. 15270) oder Schauergebilde wie der Erzbischof von Crayanen und der Erzbischof von Strigonien (Reg. 15268a) recht störend; gelegentlich sind auch grobe Mißverständnisse zu verzeichnen (Reg. 14529 ist völlig falsch). Es ist zu hoffen, daß die Badische Historische Kommission Mittel und Wege finden wird, dieses durch so lange Jahrzehnte stetig fortgeführte Werk in absehbarer Zeit zu dem nun nicht mehr fernen Abschluß zu bringen; vor allem ist der baldige Druck des noch ausstehenden Registers zum 4. Bd. dringend zu wünschen. -- Die Grundbesitzverhältnisse des Klosters Säckingen untersucht eine Heidelberger Dissertation von Geier ( 1453). Die Entwicklung des Besitzes läßt sich nur für das ausgehende Mittelalter verfolgen, da die Quellen erst mit dem 13. Jhd. einsetzen;

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die Entstehung des Besitzkomplexes bleibt daher im Dunkeln, da nach dem Einsetzen der urkundlichen Überlieferung kaum Neuerwerbungen stattfanden, sondern nur das Vorhandene mit Mühe einigermaßen behauptet wurde. Ein Verzeichnis mit beigegebener Karte orientiert über Lage und Verteilung der Besitzungen. Behandelt werden ferner auf Grund der Lagerbücher die Rechtsstellung und Zahl der Bebauer (etwa 550 abhängige, meist gleichzeitig grund- und leibhörige Bauern) und die technischen Einzelheiten der Bewirtschaftung. Hinsichtlich der Beurteilung der Einkünfte zeigt sich auch hier wieder, wie dringend nötig die allerdings sehr entsagungsvolle systematische Untersuchung der Maßeinheiten, ihrer wechselnden Werte, räumlichen Geltungsbereiche usw. wäre. -- Zur evangelischen Kirchengeschichte sind zwei Veröffentlichungen des neuerdings sehr tätigen Vereins für Kirchengeschichte in der evangelischen Landeskirche Badens namhaft zu machen. Hauß gibt eine erläuterte Ausgabe der im J. 1531 entstandenen Zuchtordnung der Stadt Konstanz ( 1779). Obwohl diese Ordnung kaum je richtig in Kraft getreten ist und durch die 1548 erfolgte Rekatholisierung der Stadt endgültig begraben wurde, ist sie doch wertvoll als Zeugnis des reformatorischen Geistes und der besonderen Ausprägung, die er in Konstanz erfahren hatte; ganz auf das praktische Ziel der Verwirklichung christlicher Sittengebote gerichtet, trägt sie trotz mancher Anlehnung an verwandte Ordnungen aus Basel und Zürich unverkennbar den Stempel ihres Ursprungs im Kreise der Brüderpaare Blarer und Zwick. -- Auf Grund umfassender Aktenstudien liefert O. Fehr ( 1781) eine gründliche Untersuchung über die Rechtsverhältnisse der evangelischen Kirche in der Markgrafschaft Baden-Durlach. Das sehr verdienstliche und noch immer brauchbare, aber in vielen Einzelheiten längst veraltete Werk von Vierordt erfährt auch durch die neue Arbeit Fehrs wieder manche Berichtigung, so unter anderem in der Frage der Datierung und Beurteilung der einzelnen Kirchenordnungen. Bezeichnend für die badische Entwicklung ist es, daß ein Kirchenrat verhältnismäßig spät errichtet wurde. Eben dieses späte Gründungsdatum hatte zur Folge, daß der Kirchenrat, wie übrigens auch das nach kurzem Bestehen wieder aufgehobene Amt des Generalsuperintendenten, in einer Zeit des schon ausgebildeten Absolutismus gegenüber dem landesherrlichen Einfluß nie recht zur Geltung kam; auch die Verwaltung des Kirchenvermögens durch die markgräfliche Rentkammer ist charakteristisch für das badische Landeskirchentum. Erst gegen Ende des 18. Jhds. begann die theoretische Begründung des Kollegialsystems den Wandel zu größerer Selbständigkeit der kirchlichen Organe anzubahnen, bis die Organisations- und Konstitutionsedikte die Grundlagen für die neuen Verhältnisse des 19. Jhds. schufen. -- Zur Sektengeschichte darf schließlich noch eine Miszelle des Ref. erwähnt werden ( 1780), die auf Grund einer bisher unbekannten Denkschrift des pfälzischen Kanzlers Florenz v. Venningen neue Einzelheiten über den ältesten pfälzischen Wiedertäuferprozeß im J. 1527 beibringt.


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