VI. Kultur- und Geistesgeschichte.

Zwei Arbeiten stehen mit der Geschichte der Universität Tübingen in Verbindung. Hermelink legt nach einer Pause von 25 Jahren endlich das langersehnte Register zum 1. Band der Tübinger Matrikelausgabe vor ( 1957). Orts- und Personenregister sind mit großer Sorgfalt bearbeitet. Die Einleitung enthält ferner die notwendigen Angaben über die Matrikelhandschriften und über die bei der Ausgabe befolgten Grundsätze. Die von Cramer ausgearbeitete und beigesteuerte Übersicht über die landschaftliche Herkunft der Studenten zeigt, daß Tübingen nie ausschließlich Landesuniversität gewesen ist. Warum ist aber das bei der Ausgabe des Matrikelbands übersehene, sicher nicht allzu umfangreiche Promotionsverzeichnis der Medizinischen Fakultät nicht in der Form eines Nachtrags ausgewertet worden? -- Von der Ausgabe der kultur- und geistesgeschichtlich so überaus aufschlußreichen Tagebücher des Tübinger Professors Martin Crusius (vgl. Jberr. 5. S. 540 f.) legen Göz und Conrad den 2. Band vor ( 1925), der die Jahre 1598/99 umfaßt. Hoffentlich wird der Schlußteil und vor allem das unentbehrliche Register bald erscheinen.

In die Frühzeit des württ. Pietismus führt uns die z. T. aus Akten schöpfende erziehungsgeschichtliche Arbeit von Schüle ( 1974) mit ihrem Nachweis, daß sich gegen Ende des 17. Jhds. in Württ. eine pietistische Päd-


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agogik noch vor und zum mindesten unabhängig von Francke entwickelt hat. Bahn gebrochen in Kirchen- und Schulverwaltung hat dieser von J. A. Andreäs Wirken vorbereiteten und von Speners Gedankenwelt befruchteten Bewegung der Konsistorialrat J. A. Hochstetter, der ein vorsichtiger Vermittler zwischen Altem und Neuem war. Im Bereich des höheren Schulwesens gelang es ihr nur im Stift zu Tübingen festen Fuß zu fassen (Studienordnung von 1688). Am stärksten wirkte sie sich in der Reform des Katechismusunterrichts aus und auf dem weiten Gebiet der Volksbildung. Der erste ausgesprochene Vertreter des Pietismus war dann der temperamentvolle, Francke geistig verwandte Konsistorialrat J. R. Hedinger, dessen kurzes Wirken in den Jahren um 1700 von großer Wichtigkeit für die weitere Entwicklung geworden ist. Der Darstellung seines Lebens und seiner pädagogischen Anschauungen ist der 2. Teil von Sch.s Buch gewidmet.


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