VII. Kirchengeschichte.

Die Patrozinienforschung, die seinerzeits von dem verstorbenen G. Bossert d. ä. mit großem Erfolg in Württemberg gepflegt wurde, meldet sich wieder zu Wort und versucht das ihrige zur Aufklärung der ma.lichen Kirchengeschichte beizutragen. G. Bossert d. J. ( 1601) stellt in aller Vorsicht die Vermutung auf, daß der Kult des hl. Veit durch die Kaiserin Gisela von Corvey, zu dem sie schon durch ihren zweiten Gemahl Bruno Beziehungen hatte, nach Württ. (Ellwangen, Unterregenbach, Unterdettingen) übertragen worden sei. G. Hoffmann, der seit Jahren mit der Erforschung der württ. Kirchenheiligen beschäftigt ist, geht den Spuren der kirchlichen Reformbewegung und ihres Einflusses auf das kirchliche Leben des ma.lichen Schwaben nach ( 1602); er überschätzt dabei, den hirsauischen Quellen allzu vorbehaltlos folgend, den Einfluß von Hirsau selbst, das ja nur für recht kurze Zeit in der Bewegung eine führende Stellung einnahm. Im Anschluß an den Besitzstand von Mitgliedern und Familien des hohen und niederen schwäbischen Adels, die er als Anhänger der Reformbewegung ermitteln kann, sucht er eine Anzahl bestimmter Kirchenpatrozinien (S. Nikolaus, S. Aegidius, Fabian und Sebastian, S. Gregor, S. Remigius, S. Cyprianus, S. Agapitus, Peter und Paul, hl. Kreuz) in ihrem Hauptbestand auf »hirsauische« Einflüsse zurückzuführen und die in Frage kommenden Kirchen und Kapellen als »hirsauische« Gründungen hinzustellen. In vielen Fällen sind seine Annahmen und Schlüsse reichlich gewagt und schießen weit übers Ziel hinaus; der Versuch als Ganzes bleibt aber beachtlich und der aufgeworfene Fragenbereich einer Nachprüfung wert.

Einen trefflichen Überblick über die geistes- und kunstgeschichtliche Entwicklung einer berühmten Hirsauer Gründung, des Klosters Zwiefalten, übermittelt uns der von Karl Löffler bearbeitete Katalog der Zwiefaltener Handschriften, der im wesentlichen sich auf dem alten Verzeichnis des P. Gabriel Haas von 1792 aufbaut ( 114). Eine ausführliche Einleitung erörtert die wichtigsten Fragen, vor allem das Verhältnis Zwiefaltens zu Hirsau und zur Hirsauer Schreiberschule.

Von der Zeit der letzten Blüte der schwäbischen Reichsstifter berichtet uns Ph. Funk ( 1692) mit seinen vorläufigen Mitteilungen über die Geschichte des geistigen Lebens in ihren Konventen, namentlich über ihre Beziehungen zur Aufklärung. Neben Ottobeuren werden auch heute württ. Stifte (Weingarten, Neresheim, Wengenkloster) behandelt.

In die schweren kirchenpolitischen Kämpfe des 19. Jhds. führt uns A. Ha-


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gen, den wir bereits als Verfasser eines Buches über das Ringen der katholischen Kirche mit dem Staatskirchentum in Württ. kennen (vgl. Jberr. 5. S. 546), mit seiner etwas breit geratenen Darstellung des württ. Mischehenstreits 1837--1855 ( 1693). Unter erschöpfender Auswertung der Akten verfolgt H. den Kampf um Artikel VII des württ. Religionsedikts von 1806, der die Einsegnung gemischter Ehen durch den Pfarrer des Bräutigams verlangte. Das Kölner Ereignis gibt auch in Württ., wo lange Friede herrschte, den Anstoß zu immer schärfer werdenden Auseinandersetzungen. Der Kampf endet mit dem weitgehenden Sieg der katholisch-kirchlichen Forderungen; der Staat zieht sich unter Preisgabe des Artikels VII aus dem kirchlichen Gebiet zurück und sucht durch Einführung der Notzivilehe für die schlimmsten Fälle die Voraussetzung für eine bürgerliche Lösung zu schaffen.


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