IV. Die Länder.

Burgenland: Auf Steinhausers Aufsatz über die burgenländischen Ortsnamen ( 532) soll auch wegen seiner Bedeutung für die Siedlungsgeschichte des Deutschtums innerhalb der altungarischen Grenzen verwiesen werden.

Niederösterreich und Wien: Mit der Veröffentlichung der Traditionsbücher des Stiftes Göttweig ( 125), die bisher nur in dem unzulänglichen Druck Karlins vorlagen, hat Adalbert Fuchs kurz bevor ihn an der Spitze seines Klosters der Tod ereilte, seine umfassenden Quellenpublikationen über Göttweig zum Abschluß gebracht. Nach den drei Bänden des Urkundenbuches und der Edition der ma.lichen Urbare liegt nun mit den Traditionen ein reicher Schatz von Quellen über die Besitz-, Rechts- und Wirtschaftsverhältnisse des Klosters vom Ausgang des 11. bis zum Ende des 15. Jhds. vor, wie sie wir sonst für keine andere geistliche oder gar weltliche Herrschaft Österreichs besitzen. Die vorliegende Ausgabe behandelt in einer ausführlichen Einleitung über die Handschriften, ihr Formular, das Verhältnis der beiden Traditionscodices, die Zeit ihrer Abfassung, der Chronologie der Traditionsnotizen und die Editionsprinzipien. Dann sind die Traditionen, die vom Ende des 11. bis ins 13. Jhd. reichen, in der Hauptmasse dem 12. Jhd. entstammen mit ausführlichen Kommentaren wiedergegeben. Im Anhang sind Ergänzungen zum Urkundenbuch aus dem 14. und 15. Jhd. überwiegend in Regestenform abgedruckt. Dem Band ist kein Sachregister, wohl aber ein ausführliches Namen- und Ortsregister beigegeben, das, vom Herausgeber nicht mehr selbst bearbeitet, sich leider nicht als zuverlässig erweist.

Mit Hans Tietzes Buch über Wien ( 161) ist eine lang vermißte Darstellung erschienen, eine lesbare, nicht allzu umfangreiche aber doch ausführliche Schilderung des Werdens der Stadt und ihrer Kultur, die sich die große seit etwa 40 Jahren geleistete Arbeit der Quellenerschließung und Einzeluntersuchung zunutze macht. Tietze hat sich schon in seinem Wien behandelnden Band von Seemanns berühmten Kunststätten als ausgezeichneter Kenner und geistreicher Schilderer des kulturellen Wien erwiesen. In der Darstellung von Kunst und Kultur liegt auch die Hauptstärke des neuen Buchs, aber auch das politische und soziale Leben ist durchaus kenntnisreich geschildert, wenn auch hier der Verfaser -- von Haus aus Kunsthistoriker -- gelegentlich auf ein selbständiges Urteil verzichtet.

Leopold Sailers Buch über die Ratsbürger des 14. Jhds. ( 1261) nimmt seinen Ausgangspunkt von Arbeiten von H. v. Voltelini, L. Groß u. F. Rörig über die ältere Schicht des Wiener Patriziates, die man als Erbbürger zu bezeichnen


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pflegt. Es bereitet den Boden für eine Entscheidung der Ursprungsfragen, auf die es selbst nicht eingeht, durch eine eingehende Untersuchung über die im 14. Jhd. dem Stadtrat angehörenden Familien. Aus dem reichen Material an Urkunden und öffentlichen Büchern wird alles zusammengetragen, was sich über die Besitzverhältnisse der einzelnen Familien, ihre Stellung im Wirtschaftsleben, ihre städtischen, landesfürstlichen und kirchlichen Ämter usf. feststellen läßt. Die Ergebnisse bestätigen im Wesentlichen das bisher Bekannte. Die Ratsherren des 14. Jhds. gehören einer wirtschaftlich gehobenen Schicht an, ohne durch bestimmte rechtliche Qualitäten ausgezeichnet zu sein. Rückschlüsse auf die Verhältnisse des 12. und 13. Jhds. lassen sich nicht ohne weiteres ziehen. Das Erträgnis von Seilers Buch ist aber auf dieses mehr negative Ergebnis nicht beschränkt. Wir erhalten vielmehr ein in langwierigen Einzeluntersuchungen geschaffenes Bild der Stellung der führenden Wiener Bürgerfamilien, aus der die Wiener Stadtgeschichte noch reiche Erkenntnisse schöpfen wird.

Aus den Grundbüchern des Archivs der Stadt Wien haben R. Geyer und L. Sailer die Urkunden zur Geschichte der Juden ediert ( 1826). Das Material setzt 1381 mit den ältesten erhaltenen Grundbüchern ein (nur wenige Notizen aus Urbaren sind älter) und führt in fast 2000 Stücken bis 1421, das mit der »Wiener Geserah« die Katastrophe des ma.lichen Judentums in Wien bedeutet. Das reiche Material aus wenig mehr als einem Menschenalter gibt ein eindrucksvolles Bild aus der überragenden Stellung der Juden im Kreditgeschäft und bietet, und darauf hat Otto H. Stowasser schon in d. Vj. f. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 17. hingewiesen -- den sozialgeschichtlichen Hintergrund, ohne den der uns aus alten Quellen von den führenden Scholastikern der Wiener Universität bis zu Stimmen aus bürgerlichen und bäuerlichen Kreisen entgegentretende Judenhaß nicht verstanden werden kann.

Auf R. Hübls Arbeit über das Schulwesen Niederösterreichs ( 1972) wird nach ihrem Abschluß zurückzukommen sein.

Salzburg: Der zweite Band der Regesten der Erzbischöfe und des Domkapitels ( 124) von Salzburg, den Franz Martin im Berichtsjahre vorlegen konnte, umfaßt in 1211 Nummern die Jahre 1290--1315, die Zeit der Erzbischöfe Konrad IV. und Weichart von Pohleim. -- Auch das zweite Heft des vierten Bandes des Salzburger Urkundenbuches ( 123) wurde für den entsprechenden Zeitraum ausgegeben. -- I. K. Mayr hat seine Darstellung des »Spiels der politischen Kräfte« um die Emigration der Salzburger Emigranten, 1731/32 nun zum Abschluß gebracht ( 844, 845). Wir haben eine auf sorgsamer Aktenarbeit gestützte Darstellung dieses Nachspiels gegenreformatorischer Kämpfe -- ohne konfessionelles Ressentiment geschrieben -- vor uns, die die politischen Probleme endgültig klärt.

Steiermark: A. Lang hat aus Lehenbüchern und Urkunden alles erreichbare Material über die Lehen des Bistums Sekkau gesammelt und in alphabetischer Folge nach Lehenträgern geordnet. Damit erhalten wir wohl einen wichtigen Beitrag zur Familiengeschichte des innerösterreichischen Adels, aber doch kein Bild der Bedeutung des seckauischen Lehenhofes, das nur in mühsamer topographischer Arbeit zu geben wäre ( 126). Loserth knüpft mit der Veröffentlichung des Tagebuches des steiermärkischen Landschaftssekretärs Stephan Speidl am Regensburger Reichstag 1594 ( 809) an seine Studien über Steiermark und das Reich im letzten Viertel des 16. Jhs. an. Es handelt sich um die Gesandtschaft


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der steirischen Stände an den Regensburger Reichstag, um Hilfe im Kampf gegen die Türken zu gewinnen. Loserth gibt in der Einleitung eine Geschichte des Landschaftssekretariats in Steiermark in der zweiten Hälfte des 16. Jhs., damit einen Beitrag zur ständischen Verwaltungsgeschichte und schildert die Tätigkeit Speidls in Steiermark, besonders seinen Aufenthalt in Regensburg, auf Grund des Tagebuches (vgl. S. 191).

Kärnten: Wuttes Arbeit über völkische Entwicklung Kärntens ( 281) gibt einen instruktiven Abriß der Entwicklung der nationalen Verhältnisse in Kärnten, wobei Wutte bei Behandlung der Slowenen auf die Sonderentwicklung des Kärntner »Windischen« verweist, die sich dem Land verbunden fühlen, während nur ein kleiner Teil vom slovenischen Nationalbewußtsein erfaßt wurde. -- Auch G. Grabers Untersuchungen über den kulturellen Einfluß der Deutschen auf die Kärntner Slowenen ( 574) ist dem Historiker wichtig, da hier die starke Beeinflussung der landschaftlichen und politischen Einheit Kärntens auf die »Windischen« dargestellt wird.

Tirol: Die deutsch-tirolische Bibliographie von I. Hofinger ( 22) umfaßt die im Jahre 1927 und 1928 erschienene Literatur. -- Knapp, aber aus langjähriger Vertrautheit mit dem Gegenstand schildert H. Wopfner Entstehung und Eigenart des tirolischen Volkstums ( 280). Den alpinen Charakter seines Lebensraumes, das Vorwiegen des Bauerntums, und zwar eines ausgesprochenen Hochgebirgsbauerntums, das Zurücktreten der Städte, das Vorwiegen der nord-südlichen über die west-östlichen Verkehrsbeziehungen, wodurch trotz jahrhundertlanger politischer Zugehörigkeit zu Österreich Tirol immer seine Sonderart und sein starkes Sonderbewußtsein erhalten hat. Auch das stärkere Nachwirken einer romanisierten Unterschicht, die Tatsache, daß Tirol wie Bayern und Salzburg altbayrisches Siedlungsgebiet ist, begründet starke Unterschiede zum östlichen Kolonialland. Von hier erklären sich die tiefgreifenden Unterschiede der politischen Struktur, die Jahrhunderte alte Selbstverwaltung des tirolischen Bauerntums. --Ferdinand Koglers Vortrag, Die Stellung Tirols in der deutschen Rechtsgeschichte, skizziert die Entwicklung des Tiroler Rechtslebens bis zur Rezeption, ohne Absicht, prinzipiell Neues zu bieten ( 1263). Es wird hier mehr von Rechtsdenkmälern und Rechtsleben auf dem Boden Tirols gesprochen, nicht von der besonderen Ausprägung tirolischer Formen im deutschen Recht. Die Arbeiten R. Heubergers über Raetia prima und Raetia secunda ( 373) und den Bischof Ingenuinus von Säben ( 1647) sind Vorstudien zu einem 1933 ausgegebenen Buch über Raetien im Altertum und Frühmittelalter. In dem Aufsatz »Geschichtliche Folgerungen aus Orts- insbesondere Hofnamen im Bereiche Tirols« setzt sich Otto Stolz ( 534) mit den Arbeiten von Carlo Battisti, Prolegomeni allo studio della penetrazione tedesca nell' Alto Adige, Archivo per l'Alto Adige 20 und Popoli e lingue nell'Alto Adige 1931 auseinander. Er weist insbesondere darauf hin, daß Hofnamen häufig von Flurnamen abgeleitet sind und daher über die Zugehörigkeit der Siedler nichts aussagen. -- Von H. Wopfners Siedlungs- und volkskundlicher Wanderung durch Villgratten ( 377) liegt der erste Teil auf; nach Erscheinen des zweiten wird auf die ganze Arbeit zurückzukommen sein (vgl. S. 129). -- J. v. Allesch hat seinen Aufsatz »Die geistesgeschichtliche Lage Tirols« im 15. Jh. (Dt. Vjschr. f. Liter. 9, 711--44) als Einleitung zu einer Monographie über Michael Pacher geschrieben; er gibt nicht etwa eine konkrete Darstellung der geistigen Lage Tirols, sondern skizziert die geistigen Bewegungen des späteren


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M.As. Die Hinweise auf Tirol sind nur gelegentlich und nur die zufällige Verknüpfung des Lebens einer so überragenden Persönlichkeit wie es Nikolaus von Knes war mit Tirol läßt den Schein einer Behandlung tirolischen Geisteslebens entstehen. Man vermißt gerade eine Untersuchung der spezifischen Lage Tirols mit ihrer sehr bestimmten Sonderart, so z. B. eine Darstellung der reichen volkstümlichen Kultur des freien Tiroler Bauernstandes. Oskar von Wolkensteins Name wird nicht genannt usf. So kommt nirgends die eigentümliche Lage zum Ausdruck, in der Tirol zugleich Bewahrerin alten Guts und einer der Einbruchsstraßen für den von Süden vordringenden neuen Geist war.

Vorarlberg: Der erste Teil der Regesten des Stadtarchivs Bregenz, der von V. Kleiner vorliegt ( 127), umfaßt 357 Stücke aus den Jahren 1330--1500.


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