II. Gesamtdarstellungen.

Nach Pekař meldet sich nun Krejčí ( 26) als zünftiger Kulturphilosoph zur Frage nach dem Sinn und Gesamtinhalt der tschechischen Geschichte in einer gedankenreichen Schrift, die sich mit Erfolg bemüht, die Stellung des tschechischen Volkes und seiner Geschichte innerhalb der abendländischen Kulturwelt zu bestimmen. Geistvoll entwirft er essayartige Entwicklungsbilder der führenden abendländischen Völker -- gelegentlich reizen sie freilich zu Widerspruch -- und bricht von diesem Hintergrunde aus mutig mit mancher den Tschechen liebgewordenen Grundvorstellung, so wenn er stärkstens unterstreicht, daß die Tschechen schon kraft der geographischen Lage in ihrer geschichtlichen Entwicklung immer auf die deutsche Kulturwelt und ihre Vermittlungstätigkeit angewiesen waren. Von solchen Gesichtspunkten aus kommt er zu einer wesentlich gerechteren Bewertung der ostdeutschen Kolonisation, der Zeit des Wiedererwachens und anderer Geschichtsabschnitte. Dabei durchwaltet die Grundansicht die Schrift, daß die bedeutsame Entwicklungsverspätung des Ostens gegenüber dem Westen nicht durch den Charakter der Menschen und Völker, sondern durch übervölkische Kräfte erzeugt worden ist. Die Furcht der Tschechen vor den Deutschen erkennt er als eine der hauptbewegenden Kräfte ihrer Geschichte, während das Verhältnis der Tschechen zum Slawentum nach seiner Meinung rein ideologischen Charakter trägt. Er preist das Selbstbestimmungsrecht als wichtigsten Kulturfortschritt der Völker in der Neuzeit, ohne indessen zu erwähnen, wie wenig man dieses Grundrecht den Deutschen zugebilligt hat. Auch sonst haben sich gelegentlich Widersprüche eingeschlichen, so etwa, wenn er die langen Zeiten des Friedens und der Versöhnlichkeit zwischen Deutschen und Tschechen rühmt, aber jeden Aufruf zur Wiederherstellung dieses natürlichsten Verhältnisses von der Welt unterläßt. -- Des heute zur Tschechoslowakei gehörenden Schlesiens bunte geschichtliche Schicksale versucht J. Pfitzner: Grundzüge der Geschichte Schlesiens, Die sudetendeutschen Selbstverwaltungskörper. Bd. 8: Schlesien, Berlin (1930), S. 18--36, in den Rahmen der Geschichte der benachbarten Staaten einzuordnen, wobei die das politische Schicksal dieses Landes hauptbestimmenden Kräfte herausgehoben und gegen die nationalen, wirtschaftlichen und kulturellen Kräfte abgegrenzt werden. Zugleich will es ein Versuch


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sein, in die wirre Fülle provinzieller Begebenheiten von der allgemeinen Geschichte her eine tragbare Gliederung zu bringen.


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