Einzelnes.

Das feinsinnige Essay Pasqualis ( 198) verbreitet sich über die Paläographie als Ausdruck internationaler Kulturbeziehungen, sodann über die Notae iuris, die neben den Nomina sacra für die Bildung der Kontraktionen in Betracht kommen. --Dold ( 200) veröffentlicht und untersucht zwei sehr wichtige Palimpseste, die heute in der Vaticana (lat. 5763) und in Wolfenbüttel (nr. 4148) befindlich, einer und derselben Bobbieser Isidorhandschrift des 8 Jhds. entstammen. Die obere Schrift gehört dem norditalienischen Schriftbereich an, die unteren, Unziale des 5. und Halbunziale des 6. Jhds., weisen gleichfalls nach Italien. Der Anhang bespricht einen weiteren aus Bobbio stammenden Codex (Vatic. lat. 5755), geschabte Paulustexte mit einer Liste paulinischer Leseabschnitte enthaltend. -- In den Sitz.-Ber. der bayer. Akad. 1931, Heft 1 findet sich eine wertvolle Palimpseststudie P. Lehmanns über St. Gallen 912. Der obere Text enthält ein alphabetisches Glossar italienischen Ursprungs aus dem 8. Jhd. Von den unteren Texten seien erwähnt ein Terenzstück in Kapitalis des 4. Jhds. und ein zweimal reskribiertes Unzialfragment ( 441). -- Das Diplom Chlotachars II. von 625 bietet das älteste Beispiel für entwickelte merovingische Schrift (Prou nr. 1). Als eine Vorstufe zu ihr betrachtet Schiaparelli ( 203) Paris lat. 8913, der nach ihm dem 6. Jhd. zuzurechnen ist. Anschließend gibt er eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Buchstaben der merovingischen Typs. --Bruckner ( 207) beginnt eine genaue Untersuchung der rätischen Schrift an Hand der St. Gallener Urkunden. Er will einen alemannischen und churrätischen Entwicklungsstrang unterscheiden. Die Arbeit liegt noch nicht abgeschlossen vor. --Peeters ( 204) gibt eine Übersicht über die verschiedenen Theorien für die Entstehung der karolingischen Minuskel, ohne die Steinackers zu nennen. Er weiß auch noch nichts von der großen Publikation, die Lowe vorbereitet, um zu einer wirklichen Lösung des Problems zu gelangen. An diese allgemeinen Bemerkungen knüpft Peeters eine


S.114

Kritik der Arbeit Venturinis über Pacifico von Verona (vgl. Jberr. 6, S. 110). -- Jones ( 214) bringt eine vorläufige Beschreibung des Cod. Berlin Hamilton 248, den er dem francosächsischen Stil innerhalb der Schule von Tours zuweist. -- Die Diskussion zwischen Rand und Köhler ( 201) über die Schule von Tours (vgl. Jberr. 6, S. 110), die sie in den Gött. Gel. Anz. geführt haben (Rand 1931, S. 336, Köhler, ebenda 321) hat, wie wohl zu erwarten war, das Ergebnis gehabt, daß in der Hauptsache jeder auf seinem Standpunkt verharrt. Hingewiesen sei auf die prinzipielle Erörterung Köhlers über das Verhältnis von Paläographie und Kunstgeschichte, die in dem Satz gipfelt: Wenn es sich um die Aufstellung einer relativen Chronologie für die Produkte eines Scriptoriums handelt, so können die Ergebnisse der Ornamentgeschichte zuverlässiger sein als die der Schriftgeschichte. Demgegenüber kann ich gewisse Bedenken nicht unterdrücken. Denn in letzter Konsequenz würde daraus zu folgern sein, daß zwei wissenschaftlich richtig angewandte Methoden zu verschiedenen Resultaten führen. -- Eine bemerkenswerte Studie von Lowe ( 199) zeigt, wie aus kleinen Einzelbeobachtungen wertvolle Schlüsse gezogen werden können. So benutzt er nachgeahmte Kürzungen, um Beziehungen Monte Cassinos zu England und Spanien festzustellen, besonders, um den Nachweis zu erhärten, daß der berühmte Cod. Amiatinus insularen Ursprungs ist. Dann zeigt er, welche Mss. von Lupus von Ferrières und Florus Diaconus durchkorrigiert sein müssen, auf Grund von ihnen eigentümlichen kritischen Noten, stellt auch die in Betracht kommenden Codices zusammen. --Jusselin ( 205) entziffert die tironischen Noten von dem Diplom Karls des Kahlen, 864 Juli 25, für St.-Crépin de Compiègne. -- Wenige, aber beachtenswerte Bemerkungen macht Schrade ( 216) zu den schon oft behandelten Höchstleistungen der Reichenauer Buchmalerei. -- Das Reichenauer Vorbild läßt sich bis nach Lüttich verfolgen. Schott ( 217) untersucht zwei Lütticher Sakramentare Bamberg Ed. V, 4 (Lit 3) und Paris, lat. 819, und noch mehrere sich an sie anschließende Handschriften. Während Boeckler annimmt, daß die Schule von St. Omer, von England stark angeregt, dann auf Lüttich gewirkt habe, tritt Schott umgekehrt für Beeinflussung St. Omers durch Lüttich ein. -- Bei seinen Vorstudien zu den Versalien der Fraktur weist Genzsch ( 208) den sogenannten Elefantenrüssel als aus Böhmen stammend nach (vgl. auch Crous in Buch und Schrift 4, 75). In dem von ihm als Hornanschwung bezeichneten Schnörkel will er eine Eigentümlichkeit der habsburgischen Kanzlei sehen.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)