§ 72. Mittel- und Südamerika

(R. Konetzke.)

(Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf die Bibliographie S. 569)

Die Studie des Prinzen Louis Ferdinand ( 1) ist zunächst zu beachten als eine nationalökonomische Interpretation der Einwanderung in Anlehnung an Alfred Webers »Reine Theorie des Standorts«. Der Verf. unternimmt die systematische Zusammenstellung der Gründe für die Einwanderung in ein Land und untersucht die mannigfachen Faktoren, die die »Attraktivität« des Einwanderungslandes bestimmen. In dem zweiten umfangreicheren Teil seiner Darstellung wendet er die allgemeinen Erkenntnisse auf das Beispiel Argentiniens an und erörtert die besondere Art der Attraktivität Argentiniens, das Naturerbe und Kulturerbe des Landes. Für die geschichtliche Auswertung dieser anregenden


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und übersichtlichen Aufstellungen wird man die besondere historische Lage Argentiniens im Augenblicke der einzelnen Einwanderungsbewegung genauer zu betrachten haben und feststellen müssen, welche Kenntnis die Einwanderer von Argentinien besaßen und welche Attraktivitäten danach in ihren Vorstellungen wirksam waren. Ferner würden die unberechenbaren Zufälligkeiten jeder Einwanderung zu berücksichtigen sein. --Zbinden ( 3) gibt auf Grund eines reichhaltigen Materials eine Geschichte der schweizerischen Einwanderung in die genannten Länder, die erst um die Mitte des 19. Jhds. stärker einsetzt. Wieweit in der spanischen Kolonialzeit Schweizer Söldner nach Südamerika gekommen sind, ist noch ungeklärt. Bekannt ist, daß 1562 in Florida ein schweizerischer Söldner Diebold von Erlach starb. Die ersten genauer feststellbaren Spuren des Schweizertums in Südamerika sind Schweizer Jesuiten. Der Verf. behandelt die Entwicklung der einzelnen Schweizerkolonien und die Stellung der Schweizer im Wirtschafts- und Kulturleben, wobei der starke Anteil der Deutsch-Schweizer und ihre Verbindung mit den reichsdeutschen Auswanderern hervorzuheben ist. -- Für die Geschichte des Deutschtums in Brasilien verdanken wir Schröder ( 9) einen aufschlußreichen Beitrag. Der Verf. verwendet neben einer umfassenden Literatur, die auch die Veröffentlichungen aus brasilianischen Quellen enthält, die Akten zahlreicher deutscher Archive, die über die Werbung von Auswanderern und ihre Auswanderung selbst Nachrichten geben. Seine Darstellung bringt nicht nur eine Fülle von Angaben über die deutschen Auswanderungen und Auswanderer nach Südbrasilien bis 1859 und über den Verlauf der einzelnen Koloniegründungen, sondern betrachtet den Fortgang dieser gesamten Auswanderungsbewegung in dem Wandel der Kolonisationspolitik und der Kolonisationsgesetzgebung der brasilianischen Regierung und beachtet weiter die Haltung der deutschen Regierungen und die Stimmungen der deutschen Öffentlichkeit zur brasilianischen Auswanderung. Besonderes Interesse erwecken die Werbetätigkeit des Majors Schäffer, die deutsche Legion von 1851 und die Achtundvierziger-Einwanderung. -- Ein ausgezeichnetes Hilfsmittel für die Benutzung der deutsch-brasilianischen Zeitungen und Zeitschriften als Geschichtsquelle ist die Studie von Gehse ( 10). Sie bietet eine Statistik des deutschbrasilianischen Zeitungswesens und eine Geschichte der einzelnen Zeitungen. Sie ist weiterhin ein Beitrag zur Geschichte des brasilianischen Deutschtums, indem sie die Schriftleiter und Verleger sowie vor allem die politische Betätigung der deutschen Zeitungen kennzeichnet, die mit der Einwanderung der »Achtundvierziger« einsetzt.

1 Louis Ferdinand, Prinz von Preußen, Theorie der Einwanderung, dargestellt am Beispiel Argentiniens. Berlin, Mittler. 153 S.

Arana, Enrique, Ulrich Schmidel, primer historiador del Rio de la Plata. Buenos Aires. 38 S. Sonderdruck aus: Boletín del Instituto de Investigaciones Históricas, Jg. 9, S. 193--228.

3 Zbinden, K., Die schweizerische Auswanderung nach Argentinien, Uruguay, Chile und Paraguay. Berner staatswiss. Diss. Affoltern, J. Weiss. 209 S.

Fittbogen, G., Das dte. Element in den »Schweizerkolonien« Argentiniens. Dte. Arbeit, Jg. 30, S. 271--272.

Elsner, E., Zur Geschichte der germanischen Kolonien der Provinz Santa Fé. Jahrb. d. Volksbundes für Argentinien. S. 61--66.



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Grothe, H., Siedlungsarbeit und Deutschtum in Paraguay. Arch. f. Wanderungswesen. Jg. 4, S. 1--8.

Kempski, K., Die Landwirtschaft im paraguayischen Chaco. Buenos Aires, Mercur. 148 S. Genaue Angaben über die rußlanddeutschen Siedlungen.

Brepohl, Fr. W., Zur Einwanderung der rußlanddeutschen Mennoniten-Flüchtlinge in Paraguay. Der Bund, Jg. 13, S. 105--108.

9 Schröder, F., Die dte. Einwanderung nach Südbrasilien bis zum Jahre 1859. Berlin, Ev. Hauptverein f. Dte. Ansiedler u. Auswanderer. 133 S.

10 Gehse, H., Die dte. Presse in Brasilien von 1852 bis zur Gegenwart. Deutschtum u. Heimat, Heft 43. Münster i. W., Aschendorff. 174 S.

11 Barnasque, Cl., Ephemerides Rio-Grandenses. Porto Alegre, Selbach. 351 S. Geschichte des Staates Rio Grande do Sul mit Berücksichtigung der dten. Aufbauarbeit.

12 Leonardo Truda, F. de, A Colonisaçao allema no Rio Grande do Sul. Porto Alegre, Typogr. de Centro, 1930. 147 S.

13 Luetjohann, R., Die ersten dten. Einwanderer in Brasilien. Arch. f. Sippenforschung. Jg. 8, S. 84--89, 141--146, 181--186.

14 Stein, O., Aus den Briefen des »Achtundvierzigers« Dr. Ottokar Dörffel von Joinville. Der Auslanddeutsche, Jg. 14, S. 285--287.

15 Strömer, J. C., Von Bahia zum Amazonenstrom. Das Arbeitsfeld der dten. Franziskaner in Nordbrasilien. Berlin, Germania. 133 S.

16 Schaette, St., Franziskaner in Brasilien. Jahrb. d. Reichsverbandes f. d. kath. Auslanddeutschen. 3, S. 266--275.

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18 Unruh, B., Die Ansiedlung der deutsch-russischen Bauern in Kanada, Brasilien u. Paraguay. Der Bund, Jg. 13, S. 123--128.

19 Bernhard Eunom Philippi. Erinnerungen an den Gründer der dten. Siedlung in Chile. Dte. Monatshefte f. Chile. Jg. 11, S. 60--73.

20 Schwarzenberg, G., Lebensbild von Adolf Eberhard Schott (Mitbegründer der dten. Siedlungen um Puerto Montt). Ebenda, S. 249--50.

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