III. Völkerwanderungszeit und Übergang zum frühen Mittelalter.

-- Das Gräberfeld von Bischofsheim bei Mainz gehört nach Schnellenkamp < 155> in die Zeit des 6. und 7. Jh.'s. Die Bestattungen liegen, wie auch anderwärts schon mehrfach beobachtet, nicht in Reihen, sondern unregelmäßig. Man kann also bei den Friedhöfen dieser Zeit in Westdeutschland nicht immer von Reihengräbern im eigentlichen Sinne sprechen. Das Fundmaterial ist ausgeprägt rheinfränkisch, die Bestatteten waren also Franken. -- Daß altbajuwarische Siedlungsanlagen der Merowingerzeit aus den zugehörigen Reihengräberfunden erschlossen werden können, zeigt Reinecke < 169> an einigen Beispielen; über die ältesten geschriebenen Urkunden hinaus lassen sich so aus der Lage, Größe und Belegungsdauer der Friedhöfe mancherlei wesentliche Ergebnisse für die Siedlungs- und Stammesgeschichte gewinnen. -- Die Ausgrabung des Bajuwarenfriedhofes in München-Giesing durch G. v. Merhart, über die H. Bott < 168> einen mit vielen Abbildungen ausgestatteten Bericht erstattet, brachte eine wesentliche Bereicherung unserer Kenntnis der altbajuwarischen Kultur der Merowingerzeit. Die Belegung des Friedhofes fällt in die Zeit von 580 bis 730; damit führt der Ortsfriedhof noch etwa 200 Jahre weiter zurück, als die älteste Urkunde (zwischen 790 und 808) die erste Nennung des Ortes Giesing bringt. Die reichen Beigaben zeigen merowingischen Grundcharakter mit einem Einschlag langobardisch-byzantinischen Kunstgewerbes. -- Die geschichtliche und kulturgeschichtliche Bedeutung der altbujuwarischen Gräberfelder für die Frühgeschichte des Bajuwarenstammes hat in kurzer Zusammenfassung H. Zeiß (Bayerische Vorgeschichtsbll., H. 13, S. 24 ff.) im Anschluß an die Erörterung der schriftlichen Überlieferungen gewürdigt. -- Zwei weitere Untersuchungen behandeln germanische Funde der Völkerwanderungszeit aus Österreich. Von einem 1928 entdeckten germanischen Gräberfeld bei Schwechat unweit von Wien wurden, wie Seracsin < 174> berichtet, 21 Gräber untersucht, die dem 6. Jh. angehören und als langobardisch angesehen werden. --Beninger < 584> beschreibt 3 Grabfunde und 2 Waffenhorte aus dem 5. Jh.; sie stammen aus Wien-Leopoldau von einer Stelle, an der auch Siedelungen des 4. Jh.'s aufgedeckt wurden. Der Verf. nimmt an, daß diese jedoch nicht mit den Gräbern zusammengehören, vielmehr die Gräber einem späteren Germanenstamm zuzurechnen


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sind; er denkt dabei an Rugier (Langobarden kamen erst 488 nach Österreich), von denen sich Reste bis zum frühen MA. im Waldviertel gehalten haben. -- Die Frage, wie lange die germanische Besiedlung im Raume zwischen Oder und Weichsel gedauert hat, erörtert Petersen < 666> an Hand einer vollständigen Zusammenstellung aller germanischen Funde der Völkerwanderungszeit (4.--7. Jh.), die in Fundlisten zusammengestellt und kartenmäßig wiedergegeben werden. Es geht daraus hervor, daß die Zahl der Funde, die z. T. bis ins 7. Jh. hineinreichen, größer ist, als bisher im allgemeinen angenommen wurde; die Einwanderung der Slawen in das Land zwischen Oder und Weichsel kann daher keinesfalls schon um 600 erfolgt sein, wie es anscheinend im Mittel- Elbe-Gebiet der Fall war. Die eigenartige Tatsache, daß nach 400 die ostgermanische Kultur gotisch-gepidisches Gepräge zeigt, während die übrigen ostgermanischen Kulturgruppen immer weniger in Erscheinung treten, verlangt nach einer geschichtlichen Deutung, die allerdings zur Zeit noch nicht klar erkennbar ist. -- Für den Übergang von der spätgermanischen Zeit zur frühslawischen Zeit in Ostdeutschland verspricht eine Entdeckung in Schlesien, über die E. Petersen < 152> berichtet, bedeutsame Aufschlüsse. Danach wurde durch Ausgrabungen in der Stadt Nimpsch festgestellt, daß ein Teil des Basaltkegels, auf dem die heutige Stadt liegt, einen Ringwall der Lausitzer Kultur getragen hat, daß ferner in der späten Völkerwanderungszeit darauf erneut eine Befestigung errichtet worden ist, die nach den darin gefundenen Tonscherben spätgermanisch war (5. Jh.), und daß schließlich im frühen MA. an derselben Stelle eine slawische Burg gebaut worden ist. Damit wäre nicht nur der erste germanische Burgwall in Schlesien gefunden, sondern es ist auch wahrscheinlich, daß sich in Nimpsch Reste der Ostgermanen gehalten haben, nachdem der größte Teil derselben abgewandert war. Von weiteren Untersuchungen durch Ausgrabung ist hoffentlich volle Aufklärung über diese bevölkerungsgeschichtlich höchst wichtige Burg- und Stadtanlage zu erwarten. --


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