a) Allgemeines.

Das große Werk von R. Grousset über die Kreuzzüge und die Geschichte des Heiligen Landes < 747> ist mit dem dritten Bande zum Abschluß gelangt; es behandelt die Dinge von der Schlacht bei Hittin 1187 bis zum Falle von Akkon 1291. Wie schon bemerkt <1935, S. 219>, liegt sein Hauptwert in der Heranziehung des arabischen Quellenmaterials, und man bedauert nur, daß dieses nicht auch durch eine kritische Quellenkunde dem Leser nähergebracht wurde. Andere Mängel, auf die man bei der Lektüre stößt, sind vor allem die fehlende Einsicht in die Haupttendenzen der abendländischen Geschichte; über die Dinge z. B., die Richard Löwenherz und Philipp August auf der Hinfahrt nach dem Orient in Sizilien festgehalten haben, sind wir sehr viel genauer unterrichtet, als aus Gr.s Darstellung hervorgeht. Und mit der Färbung, die der Verf. dem Kreuzzug Friedrichs II. gibt (vgl. auch seinen knapperen Aufsatz < 745>), werden wir in Deutschland uns nicht einverstanden erklären können; ma.'liche Kreuzzugspolitik war etwas anderes, als moderne französische Mandats- oder Kolonialpolitik. -- Das Buch von Schück, Lindstam und Zetterstéen < 675> habe ich noch nicht einsehen können.

Die neue Kaisergeschichte von H. Günter < 704> ist ein Werk, das ernstester Beachtung wert ist, trotz mancher Eigenwilligkeiten im einzelnen. Die Kaisergeschichte ist darin betrachtet unter dem Gesichtspunkt der ottonischen Kaiseridee, die wegen ihres allgemeinchristlichen Gehaltes von G. bejaht wird, auch noch in der Zeit, da nach dem großen Umbruch des Investiturstreits das Papsttum sich auf seine christliche Führerrolle besonnen hat. Der schwache Punkt dieser Auffassung liegt eben in der Entwicklung des päpstlichen Mit- und Gegenspielers und in der Unterschätzung des dynamischen Momentes, dem auch die Ideen unterliegen. So tritt hier die grundsätzliche Bedeutung des sog. Investiturstreits doch nicht deutlich genug hervor; es scheint fast, als wolle G. sich hier einer klaren Entscheidung auch im Urteil entziehen, indem er bei Heinrich IV. und V. auf die sonst üblichen abschließenden Charakteristiken verzichtet. Das Buch will nicht Geistesgeschichte geben, sondern den politischen Verlauf erzählen, und drängt eine große Masse von Stoff auf engem Raume übersichtlich gegliedert zusammen. Hierin liegt sein Hauptwert. Manche Dinge erscheinen dabei in neuem Lichte, manches infolge der starken Zusammendrängung


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allerdings auch in einem schiefen, so daß im ganzen das Buch für die gelehrte Forschung empfehlenswerter ist als für ein breiteres Publikum. -- Die Dissertation von R. Perignon < 714> ist eine Verwässerung Günterscher Gedanken; die Tendenzen der kaiserlichen Kriegführung sind dabei mehr in die Dinge hineingelesen, als kritisch aus ihnen abgeleitet.

Fr. Schneider hat seine Broschüre über die Beurteilung der Kaiserpolitik in der neueren Geschichtsschreibung in 2. Auflage vorlegen können < 706; vgl. 1933/34 S. 270>; sie wahrt ihren ursprünglichen Charakter eines Referates vor allem über die Verteidiger der Kaiserpolitik und trägt die neuesten Äußerungen nach, sogar die eines Buches von Ph. Hiltebrandt, das erst im November 1937 erschienen ist. (»Ideen und Mächte. Der Aufstieg des Abendlandes seit dem Untergang der antiken Welt.« Leipzig, E. A. Seemann. 1937. 700 S.) Sehr brauchbar sind die neu beigegebenen Verwandtschaftstafeln der drei Kaiserdynastien. Die Akademierede von A. Brackmann < 705> faßt seine früher vorgetragene Auffassung über das normannische Vorbild für die Entstehung der Nationalstaaten und die Möglichkeiten seiner Verwirklichung in der Stauferzeit noch einmal knapp zusammen. Es tritt dabei die Ähnlichkeit der äußeren Situation bei den Normannen in Süditalien und England einerseits und Heinrich dem Löwen andererseits hervor -- das vereinigende Moment ist der politische Neuanfang, bei Heinrich dem Löwen im Kolonialgebiet --, während »alte« Reiche wie das staufische und das kapetingische vor ganz andere Schwierigkeiten gestellt waren. -- M. Seidlmayer < 707> knüpft an Gedankenreihen Brackmanns -- teilweise in Auseinandersetzung mit ihm -- an und erörtert die Etappen der deutschen Ostpolitik; bemerkenswert ist sein Hinweis auf das nicht allzu große Verständnis, das die früheren Kaiser bei der Aristokratie für ihre Politik fanden; erst mit dem Bedürfnis einer Erweiterung des Siedlungsraumes am Anfange des 12. Jh.'s wurde das anders. -- Die italienische Politik ist Gegenstand der Arbeit von G. Graf < 715>; sie müht sich um ein Verständnis der weltlichen Widerstände, welche die Kaiserherrschaft in Italien gefunden hat, und glaubt, die Motive dafür in nationalen Regungen erblicken zu dürfen. Dabei sind aber die wenigen bewußt nationalen Äußerungen außer acht gelassen, und ich fürchte, man könnte mit derselben Methode nachweisen, daß auch die deutschen Fürsten ebenso aus nationalen Gründen ihren Königen Widerstand geleistet haben. Die Dinge liegen da doch wohl komplizierter, und das Ergebnis wäre vielleicht überzeugender ausgefallen, wenn der Verf. die Untersuchung soweit ausgedehnt hätte, wie seine Materialsammlung reicht, nämlich bis ins 12. Jh. So liegt der Hauptwert der Arbeit in der übersichtlichen Zusammenstellung des Materials. -- Ebenfalls mit Heinrich III. bricht die Arbeit von S. Görlitz < 713> über die königliche Kapelle ab. Sie zerfällt in einen verwaltungsgeschichtlich-systematischen und einen biographischen Teil. Im ersten fehlen nicht bedenkliche Verallgemeinerungen und im zweiten hätte man gelegentlich mehr kritische Vorsicht gewünscht. Das letzte Wort über das Thema kann nicht gesprochen werden, bevor die Salierdiplome und die der Staufer mindestens bis Heinrich VI. fertig vorliegen.

Wir schließen hieran noch zwei lokalgeschichtliche Veröffentlichungen, welche die ganze Kaiserzeit umfassen. Die Stadt Magdeburg hat die Thronbesteigung Ottos des Großen vor 1000 Jahren mit einer Festschrift gefeiert, welche die Bedeutung der ostfälischen Hauptstadt nach verschiedenen Seiten


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hin würdigt < 726>. In der geopolitischen Einleitung von U. Crämer stößt der kritische Historiker gelegentlich auf fragliche oder geradewegs falsche Behauptungen. Der Beitrag von R. Holtzmann < 723> ist eine eingehende Behandlung der Gründung des Moritzklosters und seiner Umwandlung zum Erzstift durch Otto I., die weithin die ältere Darstellung des Gegenstandes durch K. Uhlirz ersetzt, leider -- wie das der Charakter der Festschrift erforderte -- ohne den kritischen Apparat, der die Begründung mancher neuer Beobachtungen hätte bringen können. Fr. Markmann < 1920> verfolgt die Verbreitung des Magdeburger Rechtes bis in die Neuzeit hin in zusammenfassendem Überblick; besondere Beachtung verdient die Karte der Verbreitung deutscher Stadtrechte (auch des Lübecker und der süddeutschen) nach dem Osten hin, ein erster Versuch dieser Art. Dann folgen noch Aufsätze von W. Greischel über die Baukunst der Ottonen und ein ausführlich begründeter von H. Gröger über Magdeburger Handel und Verkehr in der Kaiserzeit.

Das zweite hier zu nennende Buch ist die Neuauflage der fast 50 Jahre alten Hersfelder Klostergeschichte von Ph. Hafner < 2204>. Sie konnte leider noch nicht das -- allerdings noch lange nicht die ganze Kaiserzeit umfassende -- Hersfelder Urkundenbuch < 194> benutzen, stützt sich dafür aber auf Dobeneckers Regesten und eine fleißige und vorsichtig kritische Heranziehung der stark angeschwollenen Literatur, so daß das Buch als ein zuverlässiger, manchmal etwas nüchterner Führer durch die Haupttatsachen der Klostergeschichte bezeichnet werden darf. Auch die Verfassung des Klosters, sein geistiges Leben und die Rolle, die seine Äbte in der Reichsgeschichte gespielt haben, ist gebührend berücksichtigt. Leider ist auf die Bildbeigaben verzichtet, die manche baugeschichtliche Erörterung hätten anschaulicher machen können.


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