d) Staufer.

Ein sehr nützliches Buch hat H. Naumann < 2417> vorgelegt, in dem er aus vollkommener Kenntnis der mittelhochdeutschen Literatur heraus den Inhalt des Denkens, Fühlens und Wollens der die Stauferzeit beherrschenden Klasse, der Ritter, analysiert. Es ist dadurch für die Geistesgeschichte der Zeit wieder einmal mit Nachdruck auf die deutschen Quellen (im Gegensatz zu den lateinischen) und ihre Ergiebigkeit gerade für die in den vorausgehenden Epochen kaum faßbare Geistigkeit der Laienwelt hingewiesen. Verbindungslinien nach rückwärts sind nur zu gewinnen durch Heranziehung der nordischen Überlieferung; in vorsichtiger und höchst feinsinniger Weise ist das hier geschehen. Der Schwerpunkt des Buches liegt aber doch in dem Nachweis, in welcher Weise das Christentum rezipiert wurde, ohne daß ein Bruch, sondern im Gegenteil eine Steigerung zu etwas Neuem eintrat, und wie sich Christentum und Rittertum miteinander vertrugen. Insofern überschreitet der Gegenstand des Buches den Rahmen der staufischen Zeitgeschichte. -- Der Vortrag von K. Stenzel < 279> ist gegenüber der ersten Auflage <1932, 284 S. 483> erweitert durch einen Abschnitt über die Entstehung der Parteinamen der Welfen und Waiblinger. Gegenüber Davidsohn hält St. ihr Aufkommen im Anschluß an die schwäbischen Kämpfe Konrads III. für nicht ganz unmöglich. Weiterhin will er in der Förderung der Waiblingertradition durch Friedrich I. die Ansätze zu einem bewußt der Romideologie entgegengestellten Reichsgedanken erblicken, wofür die Belege in den Quellen allerdings recht spärlich sind. -- Aus der Arbeit von F. Böhm < 737> ist zu entnehmen, daß die Kaiseridee im 12. Jh. auch bei den westlichen Nationalstaaten noch eine Realität werden konnte, wenn der rechte Mann, wie Barbarossa, ihr Träger war. Allerdings gelang das nur dadurch, daß der Kaiser den Kreuzzugsgedanken übernahm; eine Führung des Abendlandes durch Beherrschung des Papsttums hat der Westen abgelehnt, wobei allerdings die hochkirchliche Parteibildung und die imperialen Tendenzen des anglo-angiovinischen Reiches zu berücksichtigen sind.


S.229

An Einzelarbeiten zu Friedrich I. ist für die frühere Zeit die Arbeit von W. Föhl < 739> mit diplomatischen und stilkritischen Methoden zu neuen Ergebnissen über die Beteiligung des Bischofs Eberhard II. von Bamberg an den ersten Gesetzen und Manifesten Barbarossas gekommen. Dem späteren Barbarossa gilt eine Studie von F. Güterbock < 740>, welche, ausgehend von einer neu aufgefundenen Aufzeichnung, Neues über die Spannung zwischen dem Kaiser und dem Lombardenbund gleich nach dem Frieden von Venedig (1177) und die nun einsetzenden Vermittlungsbemühungen der Kurie ergibt. Über den großen Widersacher des Kaisers, Heinrich den Löwen, ist wieder mancherlei geschrieben worden. Das Verdikt, das R. Schmidt < 741> über seine Politik fällt, ist nicht neu; neu ist daran nur der m. E. mißglückte Versuch, den Gegensatz zwischen Kaiser und Herzog auf den unheilvollen Einfluß der angeblich so verruchten englischen Verwandten Heinrichs zurückzuführen, und auch sonst ist manches verkehrt in diesem Aufsatz. Auch H. Reincke < 742> lehnt Schmidts These ab, verfällt nun aber in der Apologie doch wohl etwas zu sehr in einen Harfnergesang (wie v. Below sagen würde). Interessant ist jedoch die Untersuchung der Ahnentafel Heinrichs, welche ein Dominieren der langobardischen Stammlinie ergibt. Fraglich ist mir dabei, ob man ungarisches Blut (im 11. bis 12. Jh.!) für artverwandt mit deutschem bezeichnen darf. Endlich findet man hier auch Angaben über den Befund bei den Braunschweiger Ausgrabungen; danach war Heinrich 1,65 m groß und hatte »dunkles« Haar. Mit dem Grafen Heinrich von Schwarzburg, dem von dem Löwen eingesetzten Stiefvater Adolfs III. von Holstein, den unsicheren Nachrichten über seine Genealogie und seinen Tod sowie seiner Tätigkeit im Dienste des Herzogs beschäftigt sich K. Schambach < 743>.

Eine der letzten Arbeiten von K. Burdach < 744> ergänzt seinen im vorigen Jahre <1935, 2361 S. 222> genannten Aufsatz durch den Nachweis, weshalb nicht die Wahl Friedrichs II. von 1212, sondern nur die Ottos IV. von Walther von der Vogelweide als Pfaffenwahl bezeichnet werden konnte, wobei B. die vor mehr als zwanzig Jahren rege Forschung über die staufischen Kaiserwahlen wieder aufnimmt und für seine Deutung auswertet. Die Arbeit ist ein Teil des geplanten zweiten Bandes von Burdachs Waltherbuch; wieviel die Waltherforschung diesem jüngst Verstorbenen zu verdanken hat, tritt klar hervor in der Arbeit von M. Hechtle < 2418>.

Zum Schluß ist die anziehende Darstellung des unglücklichen Staufersohnes Manfred zu erwähnen, die den Kern des Buches von R. Morghen < 747 a> bildet. Der Titel des Buches läßt allerdings mehr erwarten, und in der Tat ist in einer breiten Einleitung eine Vorgeschichte von dem Übergang Siziliens an das staufische Haus, dann auch ein Überblick über die Regierung Friedrichs II. gegeben. Im weiteren Verlauf ist aber dann weniger der Zusammenbruch der staufischen Herrschaft in Italien als vielmehr nur in Unteritalien und Sizilien geschildert, mit deutlicher Tendenz, an Manfred eine Rettung zu vollziehen. M. stellt in seiner Charakteristik der Persönlichkeit Manfreds besonders die individuellen, auf eine neue Zeit hinweisenden Züge heraus, womit ja allerdings seine verfehlte Politik (gegenüber Karl von Anjou) nicht zu »retten« ist. Immerhin: ein sympathisches, auch verwaltungsmäßige und wirtschaftliche Fragen klug erörterndes und sehr gewandt geschriebenes Buch, kenntnisreich, vielseitig und ohne allzu schweres gelehrtes Gepäck.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)