IV. Einzellandschaften.Eine Sonderdarstellung findet
die Halbinsel Mönchgut auf Rügen in der gründlichen Aufnahme des dortigen Volkstumsbildes der Zeit
zwischen 1790 und 1880 durch F. Adler <
1839>. Noch in der 1. Hälfte des 19. Jh.'s vermochte das Bauerntum
übernommene Tracht der Städter schöpferisch umzubilden. Die Lebensform ist bestimmt durch die
Überschichtung germanischer Grundlagen durch die Wenden und seit 1200 durch die deutsche Einwanderung, ferner durch
den Doppelberuf der Bauern- und Fischerarbeit. Das Siedlungsbild der Reihendörfer und des Langhauses mit
abgeteilten Stuben, Kammern und Ställen beiderseits der Durchgangsdiele ist niederdeutsch mit Einstreuung des
mitteldeutschen Querhaustyps. Hauptwohnraum ist die »Dönz«. -- Ein Beispiel dafür, daß
dürftiges Brauchtum die Folge rechtlicher Minderstellung sein kann, ist die Beschreibung der Hamburger
Walddörfer durch Baalk <
1842>. Die Bauern waren Hörige; ihnen fehlte
Verbundenheitsgefühl für die Scholle und Verständnis für die Überlieferung. Das Sachgut ist
dürftig, geistiges Sondergut ist kaum vorhanden. -- Die thüringische Glasbläserei wertet
Pischel <
1843> als Sonderform thüringischer Volkskunst im Anschluß an
sein Buch über die thüringische Glashüttengeschichte (1928). Glashütten sind hier schon 1196 bei
Klosterlausnitz und um 1350 bei Suhl nachzuweisen. Hausgewerblicher Kleinbetrieb ist noch stark. Die Volkskunst ist
durch die Glasspielsachen-, Christbaumschmuck-, Perlen- u. a. Industrie Thüringens gefördert worden. -- Zu den
deutschen Städten, die aus geschichtlicher Überlieferung echtes Volksbrauchtum geschaffen haben, gehört
Hanau. Bernges <
1846> zeigt, wie sich aus der Belagerung der Stadt i. J. 1636 unter dem
kaiserlichen Feldherrn Lamboy ein Volksfest entwickelt hat, das die stolze Erinnerung an bürgerliches Heldentum
wachhält. -- Die bedeutsame Stellung, die das alemannische Volkstum in der Volksgeschichte gehabt hat, wird in
einem trefflichen Überblick von Fehrle <
1847> umrissen. -- Religiösen Volksbrauch auf vorchristlicher und
christlich-liturgischer Grundlage beschreibt Pfleger <
1849>; die
S.362 elsässischen Kräuterweihen werden im Hinblick auf die Kräuterarten, die Feste, an denen die Weihen üblich sind, und die Züge des Brauchtums, die sich damit verknüpfen, behandelt und mit geschichtlichen Quellen belegt. -- In das Deutschtum der baltischen Länder führt das inhaltsreiche Buch von Redlich < 1851> über Sitte und Brauch des Kaufmannstums von Riga, Reval und Dorpat. Hier ist von jeher der Sinn für gemeinschaftsbedingte Lebensformen stark gewesen. Man schloß sich in der Hausgemeinschaft und in Kaufmannsgesellschaften zusammen. Seit dem 13. Jh. waren die Bürger in Brüderschaften vereint. Die große Mariengilde in Riga ist zuerst 1354, die von Reval 1363, die Dorpater 1387 zu erweisen. Daneben stehen die Bruderschaften der »Schwarzhäupter«. Das Brauchtum ist fest und reich entwickelt: Aufnahmebräuche, Abschiedstrunk, Vertragssitten, Pfennig- und Haupttrünke, Fastnachtsmasken (schodüwel), Stechen, Ringelrennen, Austanz (tänzerische Umzüge), Baumaustragen, Maigrafenbräuche, Schützengesellschaften (seit 1354), Glücks- und Geschicklichkeitsspiele. -- Dankbar zu begrüßen ist die Bibliographie zur deutschbaltischen Volkskunde von Mackensen < 1850>, die in ihrer klaren Stoffgliederung Grundlinien einer Verfassungs-, Rechts- und Volkstumskunde aufweist. In über 2200 Titeln führt das Buch ein in das Verhältnis der Balten zu den Deutschen, das städtische und landschaftliche Gemeinschaftswesen, in das Brauchtum der Lebensstufen und Jahresfeste, die Sitten, den Volksglauben, Volksdichtung, Volkssprache, Rechtsbrauch und Sachvolkskunde. |
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