§ 35. Recht und Staat im hohen und späten Mittelalter

(H. Hirsch)

Das Interesse, die Leistungen des deutschen Rechtes im Osten darzustellen und dieses als die Grundlage zu erweisen, auf der das Fortschreiten deutscher Sprache, Sitte und Kultur im Osten sich vollzog, hält unvermindert an. Es ist zu begrüßen, daß in einer Festschrift anläßlich der tausendjährigen Wiederkehr der Thronbesteigung Ottos des Großen < 1920> auch der Geschichte des Magdeburger Rechtes ein Abschnitt eingeräumt wurde, den F. Markmann beigesteuert hat. So sehr seine Geltung und Verbreitung einer späteren Zeit angehört und aus deren Quellen erschlossen werden muß, so zutreffend ist doch auch die Ansicht, daß die Grundlagen dieser Rechtsentwicklung in die Kaiserzeit zurückgehen. Die Darstellung, deren Schrifttumsgrundlage der Verf. schon früher mit Erfolg mehren geholfen hat, geht von den Quellen aus, die aus Magdeburg selbst, da das Schöffenarchiv 1631 zerstört wurde, weniger erhalten sind, sondern mehr aus Rechtsmitteilungen bestehen, die an andere mit Magdeburger Recht bewidmete Städte ergangen sind. Das Privileg Erzbischof Wichmanns von 1188 wird in einer guten Abbildung der Urschrift und in einer deutschen Übersetzung dem Benutzer vorgeführt. Auf diese Weise wird gezeigt, daß die kulturelle Bedeutung dieses Rechtes »in der ständigen Stärkung des Deutschtums der Ansiedler im Osten« bestanden habe. Den Höhepunkt erreicht der Einfluß des Magdeburger Schöffenstuhles im 13. und 14. Jh.; in Polen wirken Magdeburger Rechtsanschauungen bis ins 18., in Rußland bis ins 19. Jh. nach. Die Tochterstädte haben sich vielfach zu eigenen Oberhöfen ausgebildet. Die Rezeption des römischen Rechtes hat im 16. und 17. Jh. der Gültigkeit des Magdeburger Rechts entgegengewirkt und die Stellung des Magdeburger Schöffenstuhls mehr und mehr gefährdet. -- Zur Klärung der Frage, ob das Hallesche Rechtsweistum an Neumarkt in der Fassung einer Glogauer Hs.


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zu 1181 anzusetzen sei, weist Th. Goerlitz < 1919> auf eine Stelle des Glogauer Rechtsbuches hin, an der von einer Willekore des Jahres 1188 oder 1088 die Rede ist. Durch diese Zeitangabe sollte nach Ansicht des Verf. ein alter Zustand »kraft Magdeburgerrechtes glaubhaft« gemacht werden. Tatsächlich ist Glogau erst 1253 nach Magdeburg-Breslauer Recht begründet worden. -- Über die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner, die noch am Ende des 13. Jh.'s für alle Bürger eine unbeschränkte war, ist aus den Magdeburger Schöffensprüchen des Stadtarchivs Görlitz nichts zu entnehmen. Aus Rechtshandschriften des Breslauer Stadtarchivs und den Breslauer Ratsbüchern konnte Goerlitz < 1923> aber nachweisen, daß die Magdeburger Schöffen die Haftung der Ratsmannen von der der übrigen Bürger und Einwohner unterscheiden und eine unbeschränkte Haftung nur für den Bürgermeister und, »wer sonst Ratsmann bei Eingehen einer Stadtschuld gewesen ist, oder dem Rate zur Zeit angehört«, besteht. In allen anderen Fällen mußte eine »Mithaftung der Bewohner vorgesehen« gewesen sein, wenn auch diese verpflichtet werden sollten. »Geschworene, die der Eingehung der Schuld zugestimmt haben, sowie Bürger und Einwohner« konnten aber nur »als Drittschuldner in Höhe der eigenen Schuld an die Stadt« herangezogen werden. »Das Geleitwesen hat eine Störung des Handelsverkehrs durch Arrestmaßnahmen verhindert«. -- Zu der dem verdienten Prager Rechtshistoriker O. Peterka gewidmeten Festschrift hat W. Weizsäcker < 1921> einen Beitrag geliefert, in dem er nachweist, daß die Stadt Breslau auf Bitten Karls IV. und des Markgrafen Johann von Mähren an die Stadt Olmütz 1352 eine Rechtsmitteilung hat ergehen lassen, deren Wortlaut in einer Hs. der Bibliothek des Olmützer Metropolitankapitels Nr. 403 noch vorliegt. W. vollzieht auch die Einordnung dieses Textes in die Gruppe verwandter Handschriften und stellt fest, daß in diesem »eine noch ältere Form der unsystematischen Vorstufe des Magdeburg-Breslauer Schöffenrechts vorliegt, das sich selbst als einem Liber iuris Wratislawie civitatis entstammend bezeichnet und demnach auf eine Breslauer Rechtssammlung zurückgehen muß, die älter ist als das bereits dem 14. Jh. zugehörende Stadtrechtbuch Br (Hom 202)«.

Die Erforschung des Kölner Schreinswesens hat wieder erfolgreichen Fortgang aufzuweisen. Thea Buyken und H. Conrad haben, von H. Planitz angeregt, die Amtleutebücher der Kölnischen Sondergemeinden herausgegeben < 1975>, wozu G. Kallen als Vorsitzender der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde die Voraussetzungen für den Druck geschaffen hat. Vom Standpunkt des Diplomatikers und Quellenforschers ist zu begrüßen, daß die Abfolge der Eintragungen so belassen wurde, wie sie durch die Überlieferung gegeben erscheinen. Die Eigenart der Statuten und Aufzeichnungen ist so besser gewahrt, als wenn, wie es früher üblich war, der Versuch, die Eintragungen chronologisch aneinanderzureihen, unternommen worden wäre. Daß die Amtleutelisten mit Rücksicht auf den Umfang, den diese Ausgabe beansprucht hätte, nicht wiedergegeben wurden, wird zwar weniger der Rechtshistoriker, mehr aber der Lokal- und Namenforscher bedauern. Bei diesem Anlaß kommt ein gewisser Gegensatz zwischen Historikern und Philologen auf der einen, den Rechtshistorikern auf der anderen Seite zum Vorschein, die auf Vollständigkeit verzichten, wenn diese von ihrem Standpunkt aus nicht unbedingt erforderlich zu sein scheint. Ein vortreffliches Personen- und Ortsregister, ein Sachregister und Worterläuterungen erhöhen die Benutzbarkeit der Ausgabe, zu deren zeitlichen Bestimmungen der Statuten H. v.


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Loesch (Z. Sav. Stift., Germ. Abt. 57, S. 543 ff.) kritische Bemerkungen gemacht hat. Eine ausführliche Einleitung will »die Entstehung der Sondergemeinden und Amtleutegenossenschaften und ihr genossenschaftliches Leben aus ihren Aufzeichnungen, aber auch aus anderen Quellen« erschließen. -- H. Planitz < 1899> danken wir eine Monographie über das deutsche Grundpfandrecht, die, H. v. Voltelini zugeeignet, zweifellos allen weiteren Forschungen auf diesem Gebiete eine überaus wertvolle Grundlage darbieten wird. Schon in der Einleitung werden die wesentlichen Ergebnisse, mit denen der Verf. von den bisherigen Darstellungen abweicht, dem Benutzer vorgeführt: daß »die Verpfändungen von Grundstücken germanischer Rechtsanschauung widersprach und daß die Entwicklung des deutschen Grundpfandrechtes nur aus einer Auflösung des germanischen Bodenrechts verstanden werden kann«. Das erste Kapitel schildert die Anfänge des deutschen Grundpfandrechtes erst in spätfränkischer Zeit auf Grund einer römisch-rechtlichen Anregung und den Ausbau in Frankreich und Deutschland in germanischem Sinne. (Vgl. dazu Rehme, Z. Sav.-Stift., Germ. Abt. 57, S. 638.) In den folgenden Abschnitten wird an Hand der Urkunden und nicht nach den Regeln juristischer Systematik das Grundpfand in den Bereichen aufgesucht, welche »der politische Aufbau der ma.'lichen Welt« ergab: in der kirchlichen und weltlichen Grundherrschaft, im Bauerntum, im lehenrechtlich organisierten Rittertum, in Staat und Territorien und in der Stadt. Von diesen Abschnitten wird der über das Grundpfandrecht in der Reichs- und Territorialpolitik am meisten den Historiker, der über das städtische Grundpfandrecht im Hinblick auf die Entstehung der Grundbücher besonders auch die Vertreter der historischen Hilfswissenschaften interessieren. Als erstes Ergebnis bezeichnet der Verf. selbst, daß der Gedanke eines Eigentumspfandes, von dem seinerzeit H. Brunner ausgegangen war, dem deutschen Recht unbekannt geblieben ist und es bei den Germanen zunächst nur ein Fahrnispfand gegeben hat. Trotz aller Mannigfaltigkeit im einzelnen weist das deutsche Grundpfandrecht eine einheitliche Ausbildung auf, die »nur aus der Eigenart des deutschen Rechtsempfindens zu verstehen« ist. »Nach dem Inhalt sind Substanz und Nutzungspfand, erst in zweiter Linie nach der Errichtungsform Besitzpfand und besitzloses Pfand zu scheiden ... Ein besitzloses Pfand im Sinne der römischen Hypothek ist im deutschen MA. unbekannt geblieben.« -- Das Deutzer Schreinsbuch, das heute im Staatsarchiv zu Düsseldorf verwahrt wird und dessen Eintragungen, wie es den Anschein hat, ursprünglich ins 13. Jh. zurückgingen -- die heute noch erhaltenen beginnen mit 1317 -- ist Gegenstand einer Dissertation von P. Schönrath < 1979>. Den Erörterungen über den Geschäftsgang und das Verhältnis des Schreinsbuches zum Gerichts- und Kundenbuch dienen 50 Eintragungen als Grundlage, die anhangsweise im vollen Wortlaut wiedergegeben sind. Das Deutzer Schreinsbuch, dessen Angaben auch dem Rechtsinhalt nach gewürdigt werden, steht den gleichartigen Kölner Rechtsquellen nicht wesentlich nach. Der Übergang vom Beweisakt zum Konstitutivakt dürfte sich in Deutz nur wenig später als in Köln, also noch im 15. Jh. vollzogen haben. -- Aus dem Nachlaß des hochverdienten Oberarchivrates H. Joachim hat der Verein für hamburgische Geschichte drei Vorträge herausgegeben, in deren erstem mit dem Titel »Ursprung und Wesen der Gilde« < 1790> der Nachweis versucht wird, »daß auch die Landgemeinde aus der Gilde, und zwar im besonderen aus der Brüderschaft sich entwickelt habe«. Zu diesem Ergebnis hat Frhr. v. Schwerin (Z. Sav.-Stift., Germ. Abt. 57, S. 491) Widerspruch angemeldet.

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Der zweite Teil des Strafrechtes des deutschen MA.'s von R. His < 1911> liegt nunmehr vor und bringt an Hand eines reichen Schrifttumes und eines geradezu überreichen Quellenmaterials die Übersicht über die einzelnen Verbrechen. Wer die Fülle dessen, was da geboten wird, als Leistung richtig einschätzt, muß dem Verf. dafür Dank wissen, daß er in entsagungsvoller Arbeit ein Werk abgeschlossen hat, auf dem andere und hoffentlich auch er selbst werden weiterbauen können. Zwar wurde, wie U. Stutz treffend hervorhebt (H. Z. 154, S. 341), keine Darstellung geboten, die »in engstem Zusammenhang mit der ganzen übrigen deutschen Rechtsgeschichte« den Werdegang und den Geist des altdeutschen Strafrechtes kennzeichnet. Es liegt, wie auch Schmidt (Z. Sav.-Stift., Germ. Abt. 56, S. 623 ff.) betont, »etwas Statisches, Unbewegtes, letztlich Unhistorisches« vor, was zu der Bedeutung, die dem Strafrecht und den Blickpunkten, die es eröffnet, nach den Forschungen und Meinungen anderer nicht mehr recht passen will. Aber gerade deshalb wird man nicht hoch genug einschätzen dürfen, daß durch das Werk von H. eine Grundlage geschaffen wurde, aus der auf lange Zeit gerade diejenigen reiche Belehrung schöpfen werden, die über ihn hinaus strafrechtliche Fragen in ihren mannigfaltigen Bedingtheiten dem Recht, der Verfassung, der Geisteshaltung und den kirchlichen Verhältnissen gegenüber zu erfassen sich bemühen werden. -- Ganz in der Art von H. berichtet W. Müller <1935, 1484> über die Stadtverweisung als Strafe im Niederländischen Stadtrecht des MA.'s. Auch hier besteht der eigentliche Wert der Arbeit in der Fülle des Quellenmaterials, dessen Angaben erläutert und zu einer Darstellung zusammengefaßt werden, in der die mit Verweisung bedrohten Straftaten, die Verweisungsstrafe in Verbindung mit anderen Erkenntnissen, deren Dauer und Geltungsbereich, schließlich Strafausspruch und Strafvollstreckung vorgeführt werden. Von allgemeinem Interesse ist, daß der Verf. nicht zu denen gehört, die die Verweisung aus der Acht ableiten wollen, sondern, daß er mit Frensdorff die Stadtverweisung von der Verfestung scheidet.

In diesem Bericht ist von einer größeren Anzahl von Arbeiten zu melden, die entweder der Untersuchung oder der Ausgabe von Quellen gewidmet sind, die rechtsgeschichtlichen Forschungen eine Grundlage bieten. Über die Studien zum Raitenhaslacher Traditionsbuch von K. Dumrath < 1917> kann mit Recht in diesem Abschnitt berichtet werden, da sie mehr Beiträge zur Rechtsgeschichte des Urkundenwesens darstellen, als der anspruchslose Titel verrät. Der Verf. geht von einer kurzen Beschreibung der beiden Hss. aus und führt den Übergang vom Akt zur Siegelurkunde, die drei Grundformulare der Notizen und die urkundlichen Formeln vor, wobei er sich hinsichtlich der Bedeutung der Datierung und des Auftretens von Ausdrücken, in denen innerhalb der Notizen der Wert der Schriftlichkeit und diese selbst betont werden, mit O. v. Mitis und O. Redlich auseinandersetzt. Das letzte Kapitel gilt dem Rechtsinhalt der Notizen, in dem die Arten der Erwerbungen des Klosters, die Formen der Leihen und die in den Notizen überlieferten Prozesse vorgeführt werden. Die sorgfältige Leistung stellt einen vielverheißenden Auftakt zur Wiederaufnahme von Arbeiten dar, deren Fortgang, durch den Krieg unterbrochen, im Interesse der landesgeschichtlichen Forschung aber besonders erwünscht ist. -- Eine eingehende Beschreibung und einen Stammbaum der verschiedenen Elbinger Hss. des Lübischen Rechtes gibt Carstenn < 1951>. An die Spitze stellt er dabei einen um 1260 entstandenen Codex A und eine Hs. aus dem Jahre 1295 mit der Bearbeitung des Rechts durch den Kanzler Albrecht v. Bardewick. Alle jüngeren Hss. gehen auf diese beiden Codices als gemeinsame Vorlage


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zurück. -- H. Thoma < 1918> veröffentlicht aus dem Nachlaß seines Großvaters ein Bruchstück aus dem Lehensrecht des Schwabenspiegels (Laßberg 152, Z. 1--18, 153, Z. 13--36). -- Die letzte auf Anregung von Fed. Schneider entstandene Dissertation von Marg. Ohlig < 1909a> bietet Listen der Beamten Friedrichs II. in Reichs-Italien von 1237--1250 unter besonderer Berücksichtigung der süditalienischen Beamten und damit eine Materialsammlung, der ein zweiter systematischer Teil später folgen soll. Von den unteritalienischen Beamten werden auf Grund der Angaben der Quellen und des Schrifttums auch Lebensbilder und eine Darstellung der Laufbahn jedes einzelnen vorgeführt. -- L. Hüttebräuker < 1909> veröffentlicht Urkunden der Jahre 1354--1366 aus dem Waldecker Bestande des Marburger Staatsarchives, die aus einem Reichshofgerichtsprozeß der Zeit Karls IV. »in geschlossener Folge auf uns gekommen« sind. Sie wurden zugunsten des Waldecker Grafen ausgestellt, zumeist sind es Ladebriefe und lassen als Ergebnis erkennen, daß der Waldecker Prokurator Peter v. Trespach auf den gesamten Besitz des Herzogs Wilhelm von Lüneburg eine Anleihe von 100_000 Mark zugesprochen erhielt, die die Waldecker aber nicht empfingen, obwohl der Lüneburger »in zwei voneinander unabhängigen Reichshofgerichtsprozessen geächtet« wurde. Ein Zeugnis dafür, daß die Macht des Kaisers »in Norddeutschland nicht einmal ausreichte, um die Durchführung einer rechtmäßig getroffenen Entscheidung unbedingt zu gewährleisten«.

In großzügiger Weise ist die Bearbeitung und Ausgabe der Quellen zur Geschichte der Rezeption des römischen Rechtes in Angriff genommen worden. Von den Quellen zur neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands, die F. Beyerle im Auftrag der Straßburger Wiss. Gesellschaft an der Universität Frankfurt gemeinsam mit W. Kunkel und H. Thieme herausgibt, liegt ein erster Halbband, enthaltend ältere Stadtrechtsreformationen, eingeleitet und erläutert von W. Kunkel < 1924>, vor. Die Quellen gehören dem Ausgang des 15. und dem Beginn des 16. Jh.'s an. In der Nürnberger Reformation von 1479 liegt ein Gesetz vor, »in dem sich die deutschen und die fremdrechtlichen Elemente ungefähr die Waage halten«, während die Wormser Reformation von 1498 auf 99 »sowohl in der Grundhaltung wie in der durchaus überwiegenden Masse ihres Stoffes« als »rein romanistisch« aufzufassen ist. Es folgen noch das Freiburger Stadtrecht des Ulrich Zasius, eines führenden Juristen der Rezeptionszeit (1509), das durch die Bewahrung des deutschen Rechtsgutes bemerkenswert ist, und die Frankfurter Reformation von 1509, in der Hauptsache eine Prozeßordnung, in der wiederum »eine gründliche Romanisierung« vorherrschend ist, und die darum gegenüber der Nürnberger Reformation und dem Freiburger Stadtrecht zusammen mit der Wormser Reformation zu einer Gruppe vereinigt werden muß. Das besondere Interesse der Deutschrechtshistoriker an dem Fortschreiten dieser Quellenausgabe hat U. Stutz (Z. Sav. Stift., Germ. Abt. 57, S. 560) mit Recht stark betont. -- Die Bedeutung der Nürnberger Reformation und der Einfluß, den ihre Sätze auf das Recht der Reichsstädte Dinkelsbühl und Rothenburg ob der Tauber gehabt haben, gehen aus der Dissertation von Neuschüz < 1925> hervor. Die Statuta Dünkelsbühliana von 1536 sind »in vielen Abschnitten gleichsam als Auszug der Nürnberger Reformation« anzusehen. Das Recht von Rothenburg ist seiner Entstehung und Herkunft nach vielgestaltiger; eine Verwandtschaft mit Nürnberg ergibt sich vor allem in der Gerichtsordnung von 1581, im übrigen wurden in Rothenburg fremde Rechtsvorbilder erst nach sorgfältiger Prüfung übernommen. Die vergleichende


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Betrachtung, die bei dieser Art der Fragestellung naheliegt, erstreckt sich auf das Recht der genannten Städte in Hinblick auf das gerichtliche Verfahren, auf Schuldverhältnisse, Sachenrecht und Ehe und endlich auf Erbrecht und Vormundschaft. -- Von dem Nürnberger Recht behauptet auch Schultheiß < 1922>, daß es in der Rezeptionszeit »für die Erhaltung des deutschen Rechtes sowie für eine organische Übernahme römischer Rechtsgedanken« eingetreten sei. Daß es schon im MA. einen Nürnberger Stadtrechtskreis gab, der in der zweiten Hälfte des 14. Jh. seine größte Ausdehnung, namentlich nach dem Osten hin bis nach Siebenbürgen, aufgewiesen hat, ist vor allem dadurch zu erklären, daß Prag schon in der ersten Hälfte des 13. Jh. mit Nürnberger Recht bewidmet war, das auf diese Weise für die böhmischen Städte vorbildlich wurde. Dinkelsbühl und Rothenburg ob der Tauber aber stellen Stationen der Verbreitung des Nürnberger Rechtes nach Richtungen hin dar, in denen sich der Einfluß der schon 1243 als »caput imperii« bezeichneten Stadt schließlich im Süden bis nach Ulm, im Westen bis Frankfurt a. M. erstrecken sollte. Die nach dem Vorbild, das jüngst Aubin gegeben hat, gezeichneten Karten lassen den Siegeszug der Nürnberger Rechtskultur, deren Eigenart in einem Zusammenwirken fränkisch-bayrischer und schwäbischer Geisteshaltung gekennzeichnet ist, mit aller Deutlichkeit erkennen.


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