§ 41. Katholische Kirchengeschichte der Neuzeit

(J. H. Beckmann)

Von den zusammenfassenden Darstellungen setzt Seppelt < 2277> seine für einen weiteren Leserkreis geschriebene Papstgeschichte mit dem fünften Band fort. Band 3 und 4 mit dem ganzen späteren MA. stehen noch aus. Der vorliegende Band umfaßt die Zeit von Paul III., unter dem die Kirchenreform mit der Berufung des Konzils von Trient einsetzte, bis an die Schwelle der Revolutionszeit mit einem »Ausblick auf den Pontifikat Pius' VI.«. Es sind 31 Einzelpontifikate, die S. in nur losem Zusammenhang mit den Hauptepochen des Aufstieges (Tridentinum, Gegenreformation), des Niederganges und Tiefstandes (Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges, des fürstlichen Absolutismus, Aufklärung) des Papsttums in flüssiger Sprache und lebendiger Charakteristik schildert. Unter Verwertung der neuesten Literatur und quellenmäßig gut fundiert, läßt S. die einzelnen Päpste (darunter Gregor XIII., Sixtus V., Innocenz XI., Benedikt XIV. und Clemens XIV.) in ihrer Wirksamkeit und Stellung zu den einzelnen Problemen ihrer Zeit (Reform, innere Kämpfe und Entwicklung des Papsttums, Gnadenstreitigkeiten, Jansenismus, Gründung und Aufhebung des Jesuitenordens) und Verhältnis zu den weltlichen Mächten (Spanien, Frankreich, Deutschland, Türkenkriege) vor unserem Auge passieren. Vor Fehlern und Schwächen verschließt S. nicht seine auch durch den katholischen Standpunkt nicht eingeengten, stets wohlabgewogenen Urteile.


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Ein Anhang (S. 500--517) stellt in günstiger Auswahl die Literatur zu den einzelnen Abschnitten zusammen. --Schmidlin < 2278> bietet einen vorläufigen Abschluß seines Werkes mit den beiden Pontifikaten Pius' X. und Benedikts XV. Den schon im Ms. fertigen Pontifikat Pius' XI. hat Schm. vor allem auf Wunsch des lebenden Papstes zurückgestellt (Vorwort). Die Darstellung beruht wie bei den ersten Bänden <1933/34, S. 492 f.> abgesehen von einigen mündlichen Erzählungen und eigenen Erfahrungen ausschließlich auf gedrucktem Material, das in der Übersicht »Quellen und Darstellungen« erläutert wird. Man hat bei näherer Durchsicht des Bandes den Eindruck, als wenn Schm. wiederholt aus dritter Hand schöpft, wenngleich er sich zumeist eine eigene offene, oft eigenwillige Stellungnahme bewahrt. In einer knappen »Historischen Einleitung« arbeitet er die einzelnen Strömungen und Gegensätze der Zelanten und Liberalen innerhalb der Pontifikate seit Beginn des 19. Jh.'s scharf heraus. Von den beiden Päpsten wird Pius X. als religiöser Reformpapst und Benedikt XV. m. E. ebenso einseitig als politischer Papst charakterisiert, der von neutraler Warte aus für den Frieden gekämpft hat. Bei Pius werden die Reformhandlungen eingehend erörtert, seine Beziehungen zu den romanischen und germanischen Staaten und zum Missionswesen dargelegt mit einer Fülle von Einzelmaterial, das den klaren Fluß der Darstellung mehr hemmt als beleuchtet. Der wichtige Abschnitt »Pius X. als Antimodernist« ist reich an interessanten Mitteilungen, aber man hätte doch gern etwas mehr vom inneren Wesen des »Modernismus« gehört. Die Darstellung der »integralistischen Verschwörung«, einer regelrechten Geheimorganisation, zeigt, wohin ein »brunnenvergiftendes Ketzerriecher- und -richtertum« führen kann. Pius' Nachfolger lehnte alles Integralistische ab. Benedikt XV. regierte mehr im Sinne Leos XIII. Seine Regierungszeit ist vollständig durch Kriegs- und Nachkriegszeit beeinflußt. Die hier auftauchenden Fragen ohne neues Archivmaterial eindeutig und klar zu zeichnen, ist sehr schwierig. Darum bieten gerade diese Ausführungen Schm.'s Angriffsflächen. Benedikts Friedensbemühungen sind sicher zu einseitig gesehen, zu eng auch im Anschluß an die Werke v. Lamas gestaltet. Auch die besondere Stellung des Papstes zu Deutschland wird durch spätere Betrachtung und jetzt schon durch neuere Aktenmitteilungen vor allem im Vergleich zu Benedikts Stellung Frankreich gegenüber eine Modifizierung erfahren müssen. Benedikt war stark französisch eingestellt. Bleiben auch mit dem letzten Band noch allerlei Wünsche offen, so ist das Gesamtwerk doch als bedeutende »Zwischenleistung« <Schnütgen, 1933/34, S. 493> zu begrüßen. Sch. wollte nicht nur die Geschichte der Päpste bieten, sondern auch die des »Papsttums und der Papstidee«. Das ist ihm wie auch Seppelt nicht gelungen. Er bleibt in den Ansätzen darin stecken, schon deshalb, weil die Darstellung in zuviel Einzelheiten aufgeht. Vgl. noch die ausführliche Besprechung von A. Schnütgen in Theol. Rev. 36, 1937, Sp. 129--137.

Kopf < 2279> zeichnet auf Grund der Briefe und einer von Reginald Pole verfaßten Vita das Bild des heute vergessenen, 1522 in Padua verstorbenen Flandern Christophorus Longolius, der nach erfolgreicher Anwaltspraxis in Paris als französischer Gesandter längere Zeit in Italien lebte und von Leo X. mit nicht bekannten Aufgaben betreut und von seinen Freunden Petrus Bembus und Jak. Sadoletus wirtschaftlich unterhalten wurde. Von seinen geplanten Streitschriften gegen Luther wurde nur eine Arbeit fertig. -- Eine Einzelfrage aus der Geschichte des Tridentinums untersucht Jedin < 2281>. Das Interesse der Breslauer Bischöfe war wie das der deutschen Bischöfe überhaupt gering. Keiner der drei Breslauer Bischöfe dieser Epoche war


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persönlich in Trient, zwei ernannten Prokuratoren. Wegen der Schwierigkeiten in der Verleihung des Stimmrechtes an die Prokuratoren war ihr Einfluß gleich Null. -- Die letzte Zeit des Tridentinums berührt die sorgfältige Ausgabe der Dokumente zur ersten Nuntiatur Volpes durch Fry < 2283>. In seiner ausgezeichneten Biographie Volpes <1931, S. 314> hat Fry den Hauptertrag dieser Quellenstücke bereits vorweggenommen. Trotzdem bieten die 777 Dokumente der glänzend ausgestatteten Aktensammlung in ihrer Geschlossenheit eine wertvolle Bereicherung für die Geschichte der katholischen Kirche in der Schweiz. Die Hauptmasse der Schriftstücke konnte F. aus den Registerbänden der Depeschen Volpes schöpfen, die jetzt im Archivio storico communale in Como liegen. F. hat außerdem aus den Archiven von Bern, Chur, Einsiedeln, Luzern, Freiburg i. Ü., Mailand, Rom u. a. seinen Stoff zusammengetragen und durch sorgfältige Erläuterungen und Literaturangaben bereichert. Inhaltlich umfassen die Dokumente die kirchlich-diplomatisch wohl wichtigste der drei Nuntiaturen Volpes mit ihrer Vorgeschichte und als Überleitung das Ernennungsbreve vom Juli 1565 zur zweiten Nuntiatur. Die Schweiz wird naturgemäß nur soweit berührt, als sie dem Bistum Como unterstand. Über manche Persönlichkeiten, die kirchliche Lage im Veltlin, über die Beziehungen zu Savoyen und den Medici werden auch über die Monographie hinaus manche neue Mitteilungen geboten. Leider fehlen die Briefe an Volpe. Nur von Karl Borromäus kann F. aus dem Vatikanischen Archiv 50 Briefe bringen, die klar zeigen, daß Karl Borromäus schon vor seiner eigenen Schweizer Reise im Jahre 1570 für die Stellung der Kurie zur Schweiz von Einfluß war. F. druckt nur wichtige Aktenstücke im Wortlaut ab, von den anderen bringt er Regesten. Reine Privatschreiben wurden ausgeschlossen.

Im Rahmen der kirchlichen Verwaltungsgeschichte behandelt Haass < 2303> auf Grund eines ausgezeichneten Quellenmaterials (Briefbücher mit 3000 Briefkonzepten, Protokolle des Kölner Generalvikariates) die Tätigkeit de Reux' als Generalvikar (1704--30) unter den Kurfürsten Josef Klemens und Klemens August, die beide sich mehr der weltlichen Seite ihres Amtes widmeten. Dadurch kam der Stellung des Generalvikars eine besondere Bedeutung zu. Reux hatte nach H. in jeder Beziehung das nötige Format und die Kenntnisse, um sein Amt auch vielfachen Widerständen gegenüber erfolgreich auszuüben. Daß die innerkirchliche Lage im Erzstift in den ersten drei Jahrzehnten gut war, verdankt sie allein der umsichtigen Amtsführung des seelsorglich stark interessierten Generalvikars. H. bezeichnet diese Zeit als »Höhepunkt der katholischen Restauration (Gegenreformation) im Erzbistum Köln« (S. 212). Nach einem Abriß über die Stellung des Generalvikars innerhalb der kirchlichen Verwaltung und sein Verhältnis zu den einzelnen Behörden, hören wir sehr ausführlich über die Reformtätigkeit de Reux', die sich auf alle Glieder der Diözese (Klerus, Volk, Gemeinden, Orden usw.) bezog. Die hemmenden Schwierigkeiten von seiten der weltlichen Fürsten des Erzstiftes (Jülich-Berg, Cleve-Mark) und eine Zusammenfassung der reichen Ergebnisse beschließen die flüssig geschriebene Arbeit, die für die Kirchengeschichte und kirchliche Verwaltungsgeschichte gleich ertragreich ist; auch für die religiöse Volkskunde bietet sie allerlei. --

Williard < 2289> beendet seine früher <1933/34, S. 494> angezeigte Studie mit der eingehenden Untersuchung über die »Frage der Lokalisierung des erzbischöflichen Sitzes«. In den jahrelangen Verhandlungen zwischen den Mitgliedern des Frankfurter Staatenvereins und Rom, zuletzt hauptsächlich zwischen Baden


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und Hessen-Darmstadt, das unbedingt Mainz (auch der Papst plädierte stark dafür) als Metropolitansitz haben wollte, gab es viel kleinliche Interessenpolitik. Die einzelnen Persönlichkeiten, Vertreter der Einzelstaaten, erhalten durch die Debatten manchen charakteristischen Zug. Pläne wie Verzicht auf jeden Metropolitanverband überhaupt oder der in den Verhandlungen lange eine Rolle spielende Vorschlag eines Turnus sollte den eigensinnigen Bestrebungen der Einzelstaaten ein Ende bereiten. Darauf ging der Papst keineswegs ein. Die Entscheidung brachte die Zustimmung Hessen-Darmstadts für Freiburg im Januar 1821 und gab somit den Weg frei für die Bulle »Provida solersque«. -- Als notwendige Ergänzungen zu dieser Studie sind das Buch von K. Walter <1933/34, S. 493> und der Aufsatz von O. Miller <ebd. S. 494> heranzuziehen. -- Die Anschauung, als wenn die preußische Mischehengesetzgebung in den ersten drei Jahrzehnten des 19. Jh.'s der »bewußte Ausfluß einer gehässigen Religionspolitik gewesen sei«, wie sie Schrörs in seinem Buch »Die Kölner Wirren« (1927) vertrat oder noch Schmidlin ähnlich im ersten Band seiner Papstgeschichte vertritt, wird durch die neuesten Forschungen Bastgens < 2290> wesentlich modifiziert. Mit neuem Quellenmaterial und gerechter Beurteilung der Tatsachen erhalten wir von den Verhandlungen und Ereignissen und von den einzelnen Verhandlungspartnern (Bunsen, Altenstein, Leo XII., Pius VIII., Albani, Cappellari, die preußischen Bischöfe) ein klareres und freundlicheres Bild. B.'s Buch bedeutet daher zu dem bisher grundlegenden und abschließenden Werk von Schrörs eine bedeutsame Ergänzung. Nach einem einleitenden Kapitel über die Entwicklung und die Verhandlung bis auf Leo XII. erörtert B. eingehend die oft recht verwickelten Verhandlungen, die sich um die preußische Kabinettsorder von 1825 (Ausdehnung der Deklaration von 1803 auf die westlichen Provinzen der Monarchie), das Mischehenbreve Pius' VIII. von 1830 und die Berliner Konvention von 1834 als Hauptetappen der Entwicklung gruppieren. Diese letzte Konvention mit den Bischöfen von Köln, Trier, Münster und Paderborn machte das von Friedrich Wilhelm III. nicht für ausreichend angesehene Breve von 1830 annehmbar. Altenstein hat diese Konvention verurteilt (S. 187 ff.), aber sie bedeutete doch einen gewissen Abschluß des jahrelangen Streites, der dann allerdings unmittelbar nachher im »Kölner Ereignis« zur Katastrophe führte. B. bringt außer sechs Beilagen keine Aktenstücke. Er gibt innerhalb der Darstellung eine eingehende Analyse der Instruktionen, Briefe und Verhandlungsberichte und verarbeitet auch in den vielen Anmerkungen, die bei einem solchen Werk ganz zu Unrecht am Schluß der einzelnen Kapitel stehen, zahlreiches Material. Bedauerlich ist, daß B. außer den am Schluß kurz erwähnten Akten des Geh. Staatsarchivs bei keinen der vielen benutzten Akten den speziellen Fundort angibt. Wir hören aus dem Vorwort nur, daß sie aus dem Vatikanischen Geheimarchiv und den Beständen des Kultusministeriums und Auswärtigen Amtes stammen. --Keussen < 2291> stellt die Frage nach der kirchlichen Zugehörigkeit Döllingers seit dem Vaticanum. Er beleuchtet die vorhandenen Zeugnisse und kommt im Gegensatz vor allem zu Vigener und Heiler zu dem Ergebnis, daß Döllinger sich, trotzdem er sich zeitweise zurückzog, als Glied der »altkatholischen Gemeinschaft« gefühlt habe. Auf Heilers Kritik (Eine hl. Kirche, 1937, S. 108--110) antwortet K. mit einer kurzen Replik (Internat. kirchl. Z. 27, S. 123--125) und versucht noch einmal in großen Zügen zu erhärten, daß Döllinger sich der »altkatholischen Gemeinschaft in Gewissen, Sehnsucht und Wollen angeschlossen hatte, auch wenn er dieses Bekenntnis nur in schriftlichen Zeugnissen niedergelegt hat und im praktisch kirchlichen

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Leben keinen Gebrauch von ihm machte«. --Antz < 2463> will in der katholischen Bewegung der Nachkriegszeit »eine Wiedererweckung und Neubelebung des katholischen Bewußtseins, eine neue Aufgeschlossenheit für das katholische Glaubensgut und die gesamte katholische Ideenwelt« sehen (S. 22). Er geht dem katholischen Ideengut nach, das sich als Ansätze in Literatur, Kunst, Wissenschaft und Jugendbewegung findet. A. bekennt am Schluß: »Der deutsche Katholizismus kann von der Schuld nicht freigesprochen werden, daß er sich zur vollen Erkenntnis seiner Verantwortung gegenüber den Nöten der Zeit ... nicht aufgeschwungen hat« (S. 38). --Brunnengräber < 2531> stellt in demselben Werk, das in propagandistischer Form die Auswirkung katholischen Wesens innerhalb der verschiedensten Lebensräume und Länder darstellen soll, diese Frage für die katholische Erziehungswissenschaft, während Lehrl < 2463> aufzeigt, was die Kirche als Bildungsmacht in Österreich bedeutet, wo sich »Kirche und Staat nicht als rechtliche Partner gegenüberstehen, sondern gewissermaßen als Organe der gleichen Idee, die in verschiedener Weise demselben Ziele dienen« (S. 65). --

Stutz < 2285> bringt in Ergänzung früherer Mitteilungen neue Belege für das Vorkommen des Terminus »Parochus«, der bekanntlich erst mit dem Tridentinum allgemein gebräuchlich wurde. Den bisher frühesten Beleg in einer süditalienischen Urkunde vom Jahre 1162 hält er in der Bedeutung für zweifelhaft. Weitere Belege fanden sich in Regensburger Urkunden aus den Jahren 1559, 1577 und 1584. In einem kurzen Nachtrag (Z. Savigny-Stiftung, Kanon. Abt. 57, S. 489) macht St. noch Mitteilung von einer Wiesbadener Urkunde von 1529.


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