a) Allgemeine Darstellungen.

Die neuen Überzeugungen völkisch-rassischer Geschichtsschau sind von Alfred Rosenberg auch auf die Geschichte der kirchlichen Reformation des 16. Jh.'s angewandt worden. Unverkennbar ist unter diesem Eindruck Pleyers Vortrag entstanden < 2326>. Denn bewußt wird die eigentliche religiöse Sendung Luthers unbeachtet gelassen. Die orientalisch-mittelländisch-römischen Elemente seines Glaubens machen sowieso den Durchbruch eines neuen, arteigenen, notwendig. Dagegen wird die biologische Revolution, die Luthers Auffassung vom Leben bedingt hat, als höchst bedeutungsvoll für das Erwachen und die Stärkung völkischen Eigenlebens sowohl bei den Deutschen als auch bei den Tschechen, Polen, Serben, Finnen u. a. erkannt. Luther hat die alten Bindungen einer universalen, das Leben vergewaltigenden Macht beseitigt, aber er hat auch die »Freiheit wozu« geschaffen. Widerspricht nun nicht diese Zerschlagung Luthers der imponierenden Einheit seiner Persönlichkeit? Ist nicht sein Dienst am Leben, d. h. an Eltern und Kindern, an Familie und Volk, an Beruf und Amt unlösbar mit seinem Glauben verbunden? -- Auch Schöfflers Buch geht neue Wege < 2323>, denn hier sind Entstehung und Erfolg der deutschen Reformation vom Boden her erklärt. Sch. geht von drei Zonen deutschen Denkens aus, deren Binnengrenzen der altrömische Grenzwall und die Flüsse Elbe--Saale sind. Wittenberg ist der Ort im kolonialen Vorgelände, das Landstädtchen ohne Patriziat mit der eben gegründeten Universität. Hier ist Neuland, wo die traditionellen


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Bindungen schwach sind. Darin liegt das Geheimnis des Erfolges Luthers in dieser Stadt und in diesem Lande, und die Widerstände gegen die Reformation wachsen, je weiter ihre Boten nach Westen und Süden vorstoßen. Sch. sieht in der Reformation die erste für das gesamte Abendland wichtige Geistestat der Deutschen. Wo die römischen Traditionen am jüngsten waren, konnte der Kampf des Urvolkes gegen die mittelländische Überfremdung einsetzen. So erklärt sich der Untertitel: Einführung in die Geistesgeschichte der deutschen Neuzeit. Notwendig mußte eine solche These scharfen katholischen Widerspruch auslösen, wie Vinckes Besprechung zeigt. --Stählins Arbeit über die biographischen Schriften des Camerarius gewinnt dadurch allgemeine Bedeutung, daß sie an einem Einzelfall die verhängnisvolle Wendung der Reformation zur »Verbürgerlichung und Verharmlosung« zeigt < 2442>. Auch hier sprechen ganz bestimmte theologische und politische Lieblingsideen des Verfassers mit. Man lese das Ergebnis in seinen eigenen Worten: »Die Verbürgerlichung der Reformation ist in einem bestimmten Umfang gelungen und von der Wissenschaft, die ja selbst ihren bürgerlichen Nährboden nicht verleugnen kann, im allgemeinen nicht als Umdeutung erkannt worden.« Was als Erfolg des Bürgertums angegriffen wird, ist freilich nichts anderes als der Sieg des Humanismus, der durch formalistische Leistung und Stoffhäufung in seinen Geschichtswerken blendet, aber nicht zur Entscheidung zwingt. Zur Geschichte der Historiographie im Reformationszeitalter, deren Bearbeitung in den letzten Jahren stark gefördert wurde <1935, S. 397 f.>, bedeutet dieser Beitrag eine willkommene Ergänzung, da neben der rein konfessionell bedingten Betrachtung der Vorgänge nun auch der Humanismus zu Worte kommt. -- Ein Stück humanistischer Gedankenwelt wird auch in Stupperichs Werk lebendig, freilich ohne Zutat theologischer Voraussetzungen < 2441>, wenn auch die humanistischen Bemühungen um eine neutrale Kirchenlehre nicht der Aktualität entbehren. Denn er behandelt die kirchlichen Ausgleichsversuche des Humanismus in den entscheidenden Jahren 1530--41. Mit dem Religionsgespräch schließt er ab. Denn bis dahin ging es um eine Verständigung der Konfessionen, darauf aber um Zugeständnisse, die von den Protestanten gemacht werden sollten. Durch St. ist ein Ausschnitt aus der Reformationsgeschichte in geschlossener Darstellung behandelt, der bisher ziemlich vernachlässigt war. Man denke nur daran, daß die meisten in Betracht kommenden Humanisten noch keinen Biographen gefunden haben. Nur die Religionsgespräche von Hagenau, Worms, Regensburg sind in Einzeluntersuchungen hinreichend geklärt. So füllt St.s Arbeit, die übrigens den entscheidenden Einfluß des Erasmus zeigt, eine Lücke aus. Freilich gerade die eingehende Untersuchung der Rechtfertigungslehre im Regensburger Buch zeigt die Unmöglichkeit solcher Einigungsversuche. -- Die einzige geschlossene Darstellung der Reformationszeit liegt in Johann von Walters Geschichte des Christentums vor (Bd. 3. Die Reformation. Gütersloh, Bertelsmann 1935. IV, 346 S.). Seine persönliche Forschung zur theologischen Entwicklung Luthers ist in den Mittelpunkt der Darstellung gerückt, obwohl gegen seine Auffassung zur Zeit stark opponiert wurde. Dabei zeigt sich überall die starke lutherische Bindung des Verfassers. Melanchthon wird verurteilt, Calvin ist auf wenigen Seiten behandelt, die katholische Kirche erfährt oft scharfe Kritik. Als Ganzes wird diese anschauliche Darstellung, die auf jedes gelehrte Beiwerk verzichtet und auch schwierige theologische Fragen in

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verständlicher Form bietet, den großen Leserkreis finden, für den sie geschrieben ist.


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