I. Gesamtgeschichte, Allgemeines, Sammelwerke.

Hamburg legt wieder eine Darstellung seiner Gesamtgeschichte vor. Das in Verbindung mit K. Hansing von L. Lahaine und R. Schmidt herausgebrachte Buch < 248> soll Lehrzwekken dienen. Klar gegliedert stellt es Hamburgs politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung in den großen Zusammenhang der deutschen Geschichte: zuerst den bedeutenden Stützpunkt des Missionswerks, dann die Handelsstadt und ihre Bedeutung in der Hanse, endlich »das Tor zur Welt«, dessen Aufgabe die Stadt begriff, als sie nach dem unglücklichen Ausgang der Grafenfehde sich von der zerfallenden Hanse löste, um vor anderen Städten der veränderten wirtschaftlichen und politischen Lage im Norden durch Umstellung auf den Überseehandel Rechnung zu tragen, wozu ihr die Natur den Weg vorgezeichnet hatte. Das Vorschreiten Hamburgs zu seiner Weltstellung macht sich als Leitgedanke auch in


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den Abschnitten über kulturelle oder gesellschaftliche Belange bemerkbar. Das Buch begleitet Hamburgs Entwicklung bis in die Gegenwart. Der Schlußabschnitt »Hamburg im dritten Reich« belegt den Aufschwung der Stadt mit statistischem Material. Die Veröffentlichung ist mit einigen Bildbeigaben ausgestattet und durch Sach- und Namenweiser erschlossen. -- Die ebenfalls mit Bildern ausgestattete viel knappere Darstellung der Lübeckischen Geschichte von G. Fink < 247> eröffnet eine Reihe von Schriften werbenden Charakters, die mit Unterstützung der Lübecker Kultusverwaltung erscheinen sollen. Die Anlage des Ganzen drängte zu größter Kürze. Nur durch straffe Zusammenfassung einzelner Zeitabschnitte und sachlichen Gebiete (wie Lübsches Recht, Kunst, Kirchliches Leben) ließ sich die Geschichte Lübecks auf so knappem Raum leserlich darstellen. Naturgemäß treten die hansischen Zusammenhänge hier stärker hervor als in der Geschichte jeder anderen Hansestadt. -- Eine reizvolle Studie von H. Reincke < 249> vergleicht mit Geist und Humor die Städte Bremen und Hamburg. Das Ergebnis ist in Kürze, daß die zeitlosen Gegebenheiten der Lage und die Ausprägung des Temperaments beider Städte miteinander in Einklang stehen: der friesische Charakter Bremens (»vordringliche Rührigkeit«) mit den eindeutig bestimmten Linien des auf gesammelte Kraft gestellten Wesergebiets und der holsteinische Hamburgs (»Ausdauer und unablässiges Bemühen«) mit dem Liniengewirr der länderverbindenden Elblandschaft, die ein wohlausgewogenes Gleichgewicht verlangt. -- Das aus dem Nachlaß Hermann Joachims herausgegebene Buch < 213> will einen wesentlichen Teil der Lebensarbeit dieses gedankenreichen Mannes fruchtbar machen. Ein Bild der Persönlichkeit des Verstorbenen entwirft H. Nirrnheim. Wie vielseitig sein wissenschaftliches Schaffen war, zeigen die Gedenkworte von H. Reincke. Joachim war von Haus aus Philologe. Seine nicht zur druckfertigen Arbeit gediehenen Untersuchungen über den Prosarhythmus haben ihn zeitweilig von dem Gebiet abgelenkt, auf dem seine eigentliche Bedeutung beruhte: seinen Studien über Gilde und Brüderschaft. Die Gedanken seiner Arbeit »Gilde und Stadtgemeinde in Freiburg i. B.« (1906) fanden Beachtung und Anerkennung bei v. Below, Rietschel und Beyerle. Mit seinen Kritikern setzte sich J. 1907 in einem Aufsatz »Die Gilde als Form städtischer Gemeindebildung« auseinander. J. hielt dafür, daß bei Städtegründungen die Gesamtheit der Siedler gildeartig zusammengeschlossen war; dem Unternehmerkonsortium der Rörigschen Schule versagte er seine Zustimmung. Öffentlich ist J. später nicht mehr auf die Frage eingegangen. In seinem Nachlaß fand sich nun ein Aufsatz »Ursprung und Wesen der Gilde«, der die wesentlichen Probleme kurz umreißt. Er bildet das Hauptstück der vorliegenden Veröffentlichung, ergänzt durch das auf Zetteln hinterlassene umfangreiche Material zur Gildenfrage, das seine Witwe in der Form von Anmerkungen zu jenem Aufsatz bearbeitet hat. J. sieht einen ganz bestimmten Verband von Blutsverwandten am Anfang aller gesellschaftlichen Ordnung. Darauf leitet er die Gilden oder Brüderschaften als Formen einer künstlichen Verwandtschaft zurück und tritt den Beweis an, daß ebenso wie in den Stadtgemeinden auch in den Landgemeinden solche Gilden die Formen der Gemeindebildung gewesen sind. Die Brüderschaft bildet eine Friedensgemeinschaft mit den Merkmalen gemeinsamer Kasse, einer Mitgliederversammlung und eines Vorstandes. Sie verpflichtet als Rechtsgemeinschaft ihre Mitglieder zu gegenseitiger Hilfe mit Rat und Tat. Sie ist zugleich eine religiöse Kultgemeinschaft, deren festliche Zusammenkünfte an das ehemalige Opfermahl wie an das christliche

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Abendmahl erinnern. Auf ursprüngliche Blutsverbände weisen ebenso manche Dorfnamen in unseren Gauen hin, wie sich auch bei anderen Völkern entsprechende Erscheinungen nachweisen lassen. Das beigegebene Material J.'s setzt teils in Ausführungen, teils nur in Stichworten den Stoff von Quellen und Literatur zu der Gildenfrage in Beziehung -- so germanische Stammesrechte, die Edda, die Einrichtungen von Kaufleutegilden, Studentenverbänden, geistlichen Brüderschaften und Schützengilden, ferner die Überlieferungen von Sprache, Kult und Volksbräuchen. Der Bearbeiter des gesamten Umfangs der Gildenfrage wird aus diesem Stoff reichen Nutzen ziehen. Die beiden weiterhin in dem Band veröffentlichten Vorträge, »Die Entwicklung von Armenpflege und Wohltätigkeit in Hamburg bis ins 19. Jh.« und »Deputation und Kollegium, ein Kapitel aus der Verwaltungsgeschichte Hamburgs«, zeigen ebenfalls den erfahrenen Bearbeiter genossenschaftsgeschichtlicher Verhältnisse.


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