III. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.

In einer Dissertation von B. Koehler < 2073> werden fünf Briefe des Lübecker Kaufmanns Laurens Isermann aus den Jahren 1532--35, deren Wortlaut im Anhang veröffentlicht ist, wirtschaftsgeschichtlich ausgewertet -- in der Art, wie F. Rörig mit seinem Einkaufbüchlein Mulich verfahren ist. Ein Rechtsstreit mit dem Empfänger, Isermanns Revaler Gesellschafter Hermann Bolemann, gab den Anlaß dazu, daß die Briefe samt den eingereihten aufschlußreichen Abrechnungen abschriftlich in das Lübecker Niederstadtbuch aufgenommen wurden. Die Mitteilungen der Quelle beziehen sich also auf einen zeitlich wie räumlich begrenzten Ausschnitt aus dem Geschäftsbetrieb eines Handelshauses. Aber wenn auch die eigenhändlerische Tätigkeit dieses Hauses in den Hintergrund tritt, vermitteln die Briefe doch wertvolle Erkenntnisse über seine Geschäftsgebarung. Isermann hat Verbindung nach den großen Märkten in Frankfurt, Antwerpen, Hamburg, Leipzig, Nürnberg; er hat Lieger in Dänemark. Das Hauptgewicht seiner Tätigkeit liegt in der Gütervermittlung zwischen Ost und West. Der Lübeck-Nürnberger Handel ist noch schwach in Blüte, der Umschlag der russischen Pelze bereits wesentlich auf Leipzig und Antwerpen übergegangen -- Antwerpen ist an die Stelle Brügges getreten. Isermann erhält von seinem Gesellschafter aus Livland Pelze, Häute, Leder, kauft in Antwerpen Drogen, Schmuck, Papier und Wein, in Frankfurt Zwiebelsamen, Stoffe, Gold und Schmucksachen. Er verkauft Häute und Schönwerk nach Nürnberg, Flachs und Schönwerk nach den Niederlanden. Juchten setzt er auch in Lübeck ab. Die Verlagerung des wirtschaftlichen Schwergewichts nach dem Westen tritt aus seinen Geschäften zutage. Große Mengen von Pelzwerk wandern unverkäuflich von Ort zu Ort. Der Vertrieb großer Massen über weite Entfernungen stempelt den kaufmännischen Betrieb zur Weltwirtschaft. Die Verf. unterstreicht, daß im Gegensatz zu Sombarts Lehrmeinung der Kaufmann auch schon sorgfältig spekulierend die Konjunktur auszunutzen bestrebt ist. Isermann handelt teils als Kommissionär Bolemanns.


S.462

teils auf eigene Rechnung. Die Geschäfte beider beruhen auf wechselseitigen Kommissionen. Der Betrieb gleicht dem, wie Wittenborg 200 Jahre vorher schon arbeitete. Von Provision ist noch nicht die Rede. -- Die Arbeit von K. Zeiger < 2067> stellt die hamburgische Finanzwirtschaft in einem bedeutsamen Zeitraum dar. Die Hanse zerfiel. Das Schwergewicht des Welthandels lag im Westen. Im niederländischen Freiheitskrieg war für Hamburg die Gelegenheit günstig, die Erbschaft Antwerpens anzutreten. Die Niederländer und die merchant adventurers zogen ein. Hamburg gab entschlossen die Bindung an die Hanse auf, verteidigte seine Unabhängigkeit gegen Dänemark und führte den Kampf um die freie Elbe. Innenpolitisch hatte die Bürgerschaft ihre Beteiligung am Stadtregiment durchgesetzt. Die zerfahrenen Stadtfinanzen führten 1563 zum Erlaß einer Kämmereiordnung, wonach die Verwaltung der Finanzen vereinheitlicht und in die Hände der Bürger gelegt war. Hiermit setzt Zeigers Untersuchung ein, schließt also an die von Koopmann herausgegebenen sieben Bücher der Hamburgischen Finanzen an, und zwar nach politischen Abschnitten gegliedert. Ihr Ergebnis belegt, daß die geschlossene Staatsauffassung der Bürger und ein Wohlstand, den die Stadt ihrer geschickten Neutralitätspolitik verdankte, eine Gesundung der Finanzen herbeiführte. Im Anhang bietet Z. eine Übersicht über die zahlenmäßige Entwicklung der wichtigsten Haushaltposten. -- In der Art, wie Helm und Höfinghoff in derselben Veröffentlichungsreihe das Holz- und das Textilgewerbe Bremens dargestellt haben, betrachtet jetzt die Dissertation von H. Fatthauer < 2069> die bremischen Metallgewerbe. In den Rahmen der Arbeit fallen die Schmiede mit den zahlreichen angegliederten Gewerben (wie Hufschmiede, Uhrmacher, Sporer, Scherenschleifer), die Schwertfeger, Klempner, Blechschläger, endlich die Kupfer- und Messinggewerbe. Hervorzuheben sind die im allgemeinen Teil gemachten Mitteilungen über die »Zunftkreise« landschaftlicher Handwerkerverbände, besonders über den Gegensatz der nordwestdeutschen Zunftkreise zu Holland. Die im Anhang veröffentlichten Meisterlisten enthalten auch die ma.'lichen Meisternamen. -- F. Peters < 2070> liefert einen Beitrag zur Geschichte des Wiederaufbaus bremischer Wirtschaft nach der Franzosenzeit. Der Ausfall junger Kräfte, die in jenen schwierigen Jahren nach Übersee auswanderten, um dort die wirtschaftlichen Beziehungen neu anzuknüpfen, machte die Einwanderung tüchtiger Kaufleute wett, deren Zuzug -- überwiegend aus Mittel- und Niederdeutschland -- die Einbürgerungsbestimmungen wie die freiheitlichen Bedingungen kaufmännischer Niederlassung entgegenkamen, und die meist als Teilhaber bestehender Firmen der Wirtschaft junges Kapital zuführten. P. gibt eine Statistik ihrer Herkunft und ein Verzeichnis der 389 zugewanderten Kaufleute nebst Personalangaben. -- Die Hamburger Arbeit von G. Brandes < 2068> ist fortgesetzt <vgl. 1933/34, S. 571>. Behandelt wird in diesem Teil die Zwecksetzung der Brüderschaften: Kultstiftungen und Armenfürsorge.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)