VI. Kirchen- und Geistesgeschichte.

Neben das von evangelischer Seite begründete, im 26. Jg. erschienene »Jahrbuch des Vereins für schlesische Kirchengeschichte« ist im Berichtsjahr ein eigenes Organ der katholischen Kirchengeschichtsforschung getreten < 2135>, aus dessen vielseitigem Inhalt hier noch mehrfach zu berichten ist. -- B. Panzram, »Die Archidiakonsurkunde vom 30. September 1262 eine Fälschung aus der Breslauer Dominsel im Anfang des 14. Jh.'s« < 2135, S. 1--14> erweist die genannte Urkunde als formale Fälschung, aber echt dem Inhalt nach, der uns den Zweck der Gründung und Ausstattung der Ägidienkirche gut erkennen läßt. Th. Schönborn, »Beiträge zur ma.'lichen Kirchengeschichte von Liegnitz« (Mitt. Gesch. Altert.-Ver. Liegnitz 15, S. 10--20) macht die einschlägigen Stellen der Monumenta Vaticana für Polen und Böhmen den Fragen der Liegnitzer Frühzeit nutzbar. --Stumpf < 2196> stellt Daten über die Äbtissinnen und Nonnen sowie über Wirtschafts- und Vermögensverhältnisse des Klosters Trebnitz zusammen. --Gottschalk < 2267> veröffentlicht in Regestenform die urkundlichen Quellen zum Leben der Piastin Euphemia, Priorin des Dominikanerinnenklosters zu Ratibor, und verwirft auf dieser Grundlage die Glaubwürdigkeit ihres Biographen, des Breslauer Dominikanerpriors Bzovius, der zu Anfang des 17. Jh.'s der Herzogstochter den Ruf der Seligkeit zu verschaffen wußte. -- Mit den Teilveröffentlichungen aus der Dissertation von Sabisch < 2295 und 2296> beginnt sich eine weitere empfindliche Lücke in unserer Kenntnis der Breslauer Bistumsgeschichte zur Reformationszeit zu schließen. S. hebt die Hauptzüge der vielseitigen Tätigkeit Balthasars von Promnitz im Dienst des Kapitels vor 1539 hervor und befaßt sich eingehend mit der Wahl selbst und dem Amtsantritt. Er findet -- bei kirchlich korrekter Haltung -- den Eindruck einer


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wohlwollenden freundlichen Einstellung B.'s zur Reformation bestätigt und will in dem Glückwunschschreiben Moibans von 1541 den Versuch erblicken, den Bischof von der Notwendigkeit eines Zusammengehens mit den Protestanten zu überzeugen und so der evangelischen Sache in Schlesien zum Siege zu verhelfen. Einen Beitrag zur Wirksamkeit B.'s liefert auch H. Jedin, »Die Beschickung des Konzils von Trient durch die Bischöfe von Breslau« < 2281>. Er legt die Schwierigkeiten dar, die sich einer persönlichen Teilnahme dieses Bischofs wie seines Nachfolgers Kaspar von Logau entgegenstellten, und verfolgt die Mitwirkungsversuche der verschiedenen als Vertreter bestimmten Prälaten, unter denen dreimal Cochläus erscheint. Bausteine zu der geplanten Biographie des Bischofs Andreas von Jerin liefert Nägele < 2298> mit der Veröffentlichung und Erläuterung von 37 Urkunden aus der Vaticana sowie aus Wiener und Berliner Archiven und Bibliotheken für die Jahre 1581--96. F. Bahlow, »Leonhard Krentzheim, der 'heimliche Kalvinist' in Liegnitz« (Mitt. Gesch. Altert.-Ver. Liegnitz. 15, S. 106 bis 220) gibt ein eingehendes Lebensbild dieses bedeutenden Geistlichen der zweiten Hälfte des 16. Jh.'s. --Schwedowitz < 2299> macht nähere Angaben über das Vordringen des Protestantismus in Neustadt OS. und Umgebung unter Friedrich d. Gr. Hoffmann < 1966> legt den von 1743--88 sich hinziehenden Streit um sechs ursprünglich der Familie Schönaich gehörige, seit 1688 im Besitz der Glogauer Jesuiten befindliche Güter dar, dessen Hauptabschnitte ihr besonderes Gepräge durch die Stellungnahme Friedrichs d. Gr. empfangen, der anfangs zugunsten der Jesuiten, dann gegen sie und schließlich nochmals in ihrem Sinne in das schwebende Verfahren eingriff. --Nagel < 2366; Rez. v. E. Peschke, Z. Ver. Gesch. Schles. 71, 1937, S. 642 f.> bietet viel mehr als nur einen örtlichen Ausschnitt, er gibt im Grunde eine evangelische Kirchengeschichte Schlesiens vom Standpunkt des Altlutheraners, wobei sein Heimatland Strehlen-Münsterberg eigentlich erst bei der vorwiegend aus ungedrucktem Material schöpfenden Schilderung des Kirchenkampfes nach 1817 in beherrschendem Maße in den Vordergrund gerückt wird. Iwan < 2368> behandelt den Anteil Schlesiens an der von 1835--54 reichenden altlutherischen Auswanderung nach den Vereinigten Staaten und Südaustralien, die erst nach ernsten Gegenbemühungen des Staates und innerhalb der eigenen Reihen in Gang kam. Schlesien hat -- in der Hauptsache zwischen 1838--43 -- von 4369 Amerikawanderern 834, von 1419 Australwanderern 407 gestellt. Bunzel < 2367> gibt in Ergänzung seines Buches von 1932 einen gedrängten Überblick über 64 Gemeinschaften, deren Wurzeln z. T. bis in die friderizianische Zeit zurückreichen. -- M. Schian, »Die äußere Gestalt der evangelischen Kirche in Schlesien seit der Mitte des 19. Jh.'s« (Jb. Ver. Schles. Kirchengesch. 26, S. 3--21) umreißt in knappen Strichen das Vordringen der auf kirchliche Selbstverwaltung gerichteten Bestrebungen bis in die Nachkriegszeit. H. Eberlein, »Der Weg der Inneren Mission in Schlesien von 1863 bis zur Gegenwart« (ebd., S. 22--46) zeichnet die Entwicklung seit der Entstehung des Provinzialvereins, behandelt die meist aus dem geistlichen Stand oder Adel stammenden Hauptträger und unterstreicht die enge Verbundenheit der Bewegung in Schlesien mit den gleichlaufenden Bestrebungen der deutsch-evangelischen Inneren Mission allgemein. -- Die von Seppelt aus dem Nachlaß des Prälaten Franz herausgegebene und überarbeitete Studie < 2300> verweilt nach einleitenden Bemerkungen über die Stellung des Olmützer Fürstbischofs im Kulturkampf bei den Schicksalen der 14 angeklagten Geistlichen aus dem preußischen Teil seines

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Sprengels. Lebensbilder des Domkapellmeisters Brosig, des Neustädter Pfarrers Hübner und des Kantors Depene legen A. Schirdewahn und J. Schweter vor (Zur schles. Kirchengesch. 18/20, 45, 16 und 128 S.). Über den Abschluß der presbyterologischen Arbeiten von J. Rademacher <1932, S. 433> vgl. H. Eberlein, Z. Ver. Gesch. Schles. 71, 1937, S. 639 f.

Zur 125-Jahrfeier hat die Universität Breslau zu der 1911 von G. Kaufmann ihr gewidmeten Darstellung nun auch eine Quellensammlung erhalten < 2539>, die vom Universitätsbund als Gemeinschaftsarbeit aus den Beständen des von Fr. Andreae betreuten Universitätsarchivs zusammengestellt worden ist. Sie umfaßt den Zeitraum von den schon 1807 einsetzenden Vorbereitungen bis zum Gedenkjahr 1911 und läßt in bunter Folge Denkschriften, Berichte, Briefe, Erinnerungen, Zeitungsnachrichten usw. zu Worte kommen. So entsteht ein farbenreiches Bild von nachhaltiger Eindruckskraft, die Entwicklungslinie der verschiedenen Wissenszweige und Lehrfächer tritt anschaulich hervor, die Einflußnahme der Universität auf die Tagesfragen wie die Rückwirkung der näheren und weiteren Umwelt auf Professoren und Studenten wird deutlich: ein Spiegel schlesischer Landes- und deutscher Geistesgeschichte zugleich. -- Über die Anfänge des Historischen Seminars unter Stenzel und Roepell handelt eine besondere Studie von Andreae < 2538>.


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