IV. Kirchengeschichte.

Die oft empfundene Lücke einer wissenschaftliche Ansprüche erfüllenden thüringischen Kirchengeschichte ist nun geschlossen: Auf umfangreichen eigenen Forschungen fußend und das wissenschaftliche Schrifttum voll auswertend, schildert Herrmann < 2199> in diesem 1. Bande die kirchengeschichtliche Entwicklung Thüringens von den Anfängen bis an den Vorabend der Reformation. Die politische Geschichte des Landes und das gesamtkirchliche Geschehen sind als Rahmen geschickt verwertet, in dem sich die Einzeltatsachen -- besonders die Geschichte der zahlreichen Klöster und des Pfarreinetzes -- gut einpassen; die 123 Gründungen umfassende Klosterliste ist für erste Unterrichtung besonders hervorzuheben. Schlichtheit der Sprache und Sicherheit der Angaben zeichnen das Werk hervorragend aus. -- Die von O. Michaelis, Im Mutterlande der Reformation (Weimar, Panses Verlag) besorgte Zusammenstellung von 42 Lebensabrissen, Charakteristiken oder Schriftauszügen thüringischer Persönlichkeiten, die meist der Kirchengeschichte angehören, verfolgt keinen wissenschaftlichen Zweck, sondern will Anregung für weiteste Kreise sein. -- Wie Hafners neubearbeitete Geschichte der Reichsabtei Hersfeld < 2204> besonders für Westthüringen von Bedeutung ist, so berühren die Untersuchungen von Zickgraf < 2202> und Stengel < 2205> erneut die umstrittenen Fälschungsfragen der frühen Urkunden des mit Hersfeld in enger Beziehung stehenden Klosters Breitungen; Büttners Ergebnisse <1933/34, S. 596> werden dadurch weitgehend abgewandelt. Für Ostthüringen gibt Naumanns nachgelassene Arbeit < 2268> nicht mehr als eine allererste Vorarbeit, die nur mit äußerster Vorsicht zu verwenden ist. In der umstrittenen Frage der Stellung Thomas Müntzers im Bauernkriege entscheidet sich Baumgarten < 817> für die Anerkennung seiner Führerrolle in Thüringen. -- Die Untersuchung von Pflanz über Johann Stigel als Theologen < 2343>, die dessen Theologie als Typus der Laientheologie seiner Zeit darstellt, ist auch für die thüringische Geschichtsforschung zu beachten, wenn sich auch nach dieser Richtung hin manche Ergänzungen bringen lassen.


S.488

Über Herrmann, Kirchenkunde der Diözese Weida < 2374> vgl. <1935, S. 496>. Die bereits früher teilweise erschlossenen Protokolle der ernestinischen Kirchen- und Schulvisitation von 1582 werden jetzt von Koch < 2375> für fünf weitere mittelthüringische Superintendenturen allseitig ausgewertet; sie erweisen das Bild zunehmender Festigung von Kirchenlehre, Kirchenverfassung und Kirchenleben. -- Die schweren wirtschaftlichen und kulturellen Schäden des 30jährigen Krieges werden durch die Ergebnisse der von Wolfrum bearbeiteten Weimarischen Gesamtvisitation der Kirchen und Schulen von 1650/52 < 2373> recht deutlich; die umfassende Darstellung wird besonders die Ortsgeschichte befruchten.


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