IV. Ortsgeschichte und Stadtrecht.

Die Streitfrage über die Entstehung der Reichsstadt Friedberg wird von Blecher (Sonderdruck aus »Oberhess. Anz.« Nr. 205--211) wesentlich geklärt durch den Nachweis der Burglage auf der Gemarkungsgrenze der östlich und westlich anliegenden Dörfer, die auf der alten Römer- und späteren Frankfurter Straße verläuft, ferner einer Burgmannensiedlung, einer zweiten Dörfler- und schließlich einer Marktsiedlung, ohne eigene Feldmark. Zeitlich wird die Gründung mit Glöckner in die Reichsgutspolitik Friedrichs I. eingeordnet. Den Wert dieser Untersuchung für die stadtrechtliche Forschung hat Frölich (Z. Rechtsgesch., Germ. Abt. 57, S. 611 ff.) schärfer umrissen. --Kraft, »Die Reichsfreiheit von Oppenheim und Lübeck« <1935, 1540> hält gegenüber dem Einwande, daß die Verleihung des kaiserlichen Schutzbriefes für Oppenheim von 1226 noch nicht die Reichsfreiheit bedeutet, an der Gleichsetzung von »civitas regia« und »civitas imperii« sowohl für Lübeck wie für Oppenheim fest. --Höhn < 1969> untersucht den Kampf der Mainzer Bürger gegen den Erzbischof um die städtische Verwaltung. Drei Phasen werden in der Stadtrechtsentwicklung unterschieden: die königliche Herrschaft, die erzbischöfliche Epoche und die bürgerliche Teilnahme. Sowohl in den königlichen Privilegien für den Erzbischof wie in den bischöflichen Verleihungen der Rechte an die Bürgerschaft sieht Verfasser nur die Anerkennung allmählich durchgedrungener Rechtsverhältnisse, in denen sich die tatsächliche Machtverteilung je nach der politischen Situation in der Reichspolitik widerspiegelt. Der Anteil der Bürgerschaft am erzbischöflichen Stadtregiment führt von der Bewilligung des ausschließlichen Gerichtsstandes der Mainzer innerhalb der Stadtmauern und der Fixierung der erzbischöflichen Abgaben und Zölle (1119) über die Vertretung angesehener Familien in der Körperschaft der »officiati« neben den bischöflichen Beamten, der Wurzel des späteren Rates (1155), zu dem grundlegenden Statut von 1244, das u. a. die selbständige Ratswahl und beschränkte Gerichtsbarkeit zugestand. Kämmerer, Schultheiß und Richter sind aber immer erzbischöfliche Beamte geblieben. 1419 folgt schließlich das Recht eigener Münzenschlagung. Die Entwicklung erreicht


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1462 ein jähes Ende mit der Nichtigkeitserklärung aller städtischen Freiheiten durch Adolf von Nassau, »dem ersten Sieg des absoluten Fürstentums über eine große Freistadt«.

Reichardt behandelt in seiner »Geschichte Wildungens im Mittelalter« (Gesch. Bll. Waldeck u. Pyrmont 36, S. 33--85) zunächst das alte Dorf, dem er nach Lage, Namen und Flur, Gerichts- und kirchlichen Verhältnissen ein hohes Alter zubilligt. Die Anfänge von Burg und Stadt ordnet er mit verständnisvoller Urkundeninterpretation und Analogie zu andern Plätzen in die Auseinandersetzung von Mainz und Hessen ein mit dem Ergebnis, daß sie, ein Gegenstück zu Frankenberg, hessisch-thüringischen Ursprunges seien auf dem einzigen Verbindungswege von Nieder- nach Oberhessen und 1262 an die Waldecker verloren gingen. Die Ende des 13. Jh.'s bezeugte Unterstadt hält er mit der landgräflichen für identisch. -- In der Burganlage Biedenkopf sieht Görich (»Hessenland« 47, S. 132--138) einen westlichen hessischen Grenz- und Stützpunkt, auch hier gegen das zu gleicher Zeit in Battenberg Fuß fassende Mainz. Ursprünglich ohne Beziehung zu den abseits auf den Höhen laufenden Fernstraßen, zog später der Amtsmittelpunkt den Verkehr der Umgegend an sich und begünstigte die Verlegung der Straßen ins Lahntal. -- In seiner Geschichte der Herrschaft Villmar ist Hau < 266> in seltenem Maße eine gemeinverständliche Darstellung auf streng wissenschaftlicher Grundlage gelungen. Im Mittelpunkte stehen die Schenkung des Reichshofes durch Heinrich III. an St. Matthias zu Trier (1053), die Entwicklung von Grundherrschaft und Vogtei und die sich hieraus ergebenden Auseinandersetzungen um die Hoheitsrechte zwischen den Leininger Grafen, dann den Isenburgern als Vögten, den Grafen von Diez und seit dem 14. Jh. den Trierer Erzbischöfen, in deren Verlauf die Abtei immer mehr ins Hintertreffen gerät. Aus den reichen Quellenbeilagen erwähnen wir die Schöffenweistümer von 1422, 1442 und 1555, eine Beschreibung der Festungsanlage aus dem 17. Jh., Vogteiregister (17. Jh.), Abteiregister und schließlich Trierer Amtsbuch, zahlreiche Einwohnerlisten seit dem 15. Jh. Die zum ehemaligen Reichsgut gehörenden Höfe werden einzeln behandelt, der kirchlichen Entwicklung ist ein eigener Abschnitt gewidmet. -- Eine hervorragende Behandlung hat die Ronneburg bei Büdingen durch Nieß (Burgverlag Marksburg) erfahren. Ihre Baugeschichte ist in allen Einzelheiten aufgenommen, vermessen und archivalisch durchgearbeitet, so daß die Entwicklungsgeschichte dieses »klassischen Beispieles deutscher Wohnkultur« lückenlos aufgehellt ist. Das Buch findet seine Ergänzung nach der historischen Seite in den »Mittlgn. Oberhess. Gesch. Ver.« N. F. 33, S. 191--244. Anfang des 13. Jh.'s von den Herren von Büdingen, vielleicht auf der Stelle einer alten Volksburg, in Zusammenhang mit Hardeck und Glauburg erbaut, ging die Burg 1313 an Mainz als Stützpunkt auf der Linie nach Thüringen und gegen das kaiserliche Gelnhausen über, um nach wiederholten Verpfändungen in Ysenburger Besitz zu kommen. Im 17. und 18. Jh. war sie eine Stätte der Hugenotten sowie der Herrnhuter Gemeinde.

Von den drei Ortsgeschichten zeichnet sich die des Dorfes Oberzwehren bei Kassel von B. Jacob (Kassel 1936) durch besondere Liebe zu den Quellen und ihre lebendige Vermittlung aus, von den ma.'lichen Urkundenregesten kirchlicher und weltlicher Besitzverhältnisse über Pfluggeldregister bis zu den neuzeitlichen Katastern usw. in rein chronologischer Folge, während die Darstellung sich fast auf einen verbindenden Text beschränkt. Kirche und Schule haben ihr eigenes Kapitel. Wetekams Geschichte von Vasbeck (Gesch. Bll. Waldeck und Pyrmont 36,


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S. 87--160) bevorzugt stärker die eigene Schilderung. Das Dorf, alter Corveyer Besitz, war heftig umstritten zwischen den Grafen von Waldeck und den Herrn von Hanstein. Wirtschaftliche Fragen nehmen einen weiten Raum ein. Beide Arbeiten geben wertvolle Zusammenstellungen über die Entwicklung der bäuerlichen Besitzverhältnisse mit den nötigen Hof- und Namensverzeichnissen, ferner Flurnamensammlungen nach alten Katastern und somit ein Bild von dem ausgezeichneten Überlieferungsstande der Quellen. Demgegenüber ist die »Geschichte und Kulturkunde des Dorfes Wallau« bei Biedenkopf von Menges (Verlag der Gemeinde Wallau) in ihren rein historischen und darstellenden Teilen namentlich des MA. unbrauchbar; sie verdient Erwähnung wiederum wegen der großen Stoffülle zur Bevölkerungs-, Hof-, Flur- und Wirtschaftsgeschichte (Eindringen von Gewerbe und Industrie); außerdem zieht Verfasser bäuerliches Leben, Sitte und Brauchtum aus allen Zeiten in besonderer Ausführlichkeit mit hinein. -- Böttger versucht an einem für das Siegerländer Realteilungsgebiet typischen Beispiel den methodisch beachtenswerten Nachweis der Entstehung einiger »Alter Höfe in Ferndorf und Ahe« (»Siegerland« 1936, S. 53--62, 86--96, 127--135) aus einem großen und geschlossenen landesherrlichen Gutsbesitz, der auf einen Kaufvertrag mit dem Erzbischof von Köln aus dem Jahre 1304 zurückgehen könnte.


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