§ 9. Wappen, Siegel, Fahnen und Flaggen

(E. Kittel)

In der vorzüglichen Zusammenstellung von Frh. v. Berchem, Galbreath und Hupp, Die Wappenbücher des deutschen MA.'s (Schweizer Arch. Heraldik, 1925, 1926, 1928), sind auch gemalte Wappenschilde an den Deckbalken des Hauses »zum Loch« in Zürich (jetzt im Schweizer Landesmuseum in Zürich) von 1305/6 sowie ein Wappenzyklus aus dem Turm zu Erstfeld (Uri) um 1309 angeführt. Eine Parallelerscheinung sind 36 Wappen, die als Fries über Wandgemälden in dem Haus »zum Langen Keller« der Familie Bilgeri in Zürich neuerdings zum Vorschein gekommen sind (K. Escher, Die Wandgemälde aus d. Haus »z. L. K.« in Zürich, 42. Jahresber. d. Schw. Landesmuseums 1933, N. F. 35, 1933, S. 178 ff.; K. Frei, Ma.'liche Wand- und Deckenmalereien des Schweiz. Landesmuseums mit spezieller Berücksichtigung d. Wandmalereien aus d. Haus »z. L. K.« in Zürich, 42. Jahresber. d. Schw. Landesmuseums 1933, Winterthur 1934, S. 44 ff.). 13 Wappen gehören schweizerischen Adelsfamilien, die übrigen sind Herrscherwappen bzw. unbestimmbar. Die Entstehungszeit der Gemälde ist um 1300 anzusetzen. -- Frh. v. Botzheim < 342> bestimmt die 6 Wappen einer Seite des Donaueschinger Wappenbuches als sämtlich Teilnehmern der Schlacht von Sempach zugehörig, deren Zusammenstellung wahrscheinlich auf das Königsfelder Totenbuch zurückgeht. -- Die Veröffentlichung bürgerlicher Wappen im »Siebmacher« < 334> sowie in der vom Verein »Herold« herausgegebenen deutschen Wappenrolle bürgerlicher Geschlechter (Bd. 1 Lief. 2 und 3, Leipzig) ist in der im vorigen Bericht geschilderten Weise fortgesetzt worden. Es liegen damit vollständig vor: Siebmacher 5. Bd. N. F. 1. Abt. und Bd. 1 der Wappenrolle des Herold, beide jetzt mit Namenregister. Von der Anführung weiterer Teillieferungen wird an dieser Stelle künftig abgesehen werden. -- Am Schluß dieser allgemeinen Quellen sei noch hingewiesen auf eine begonnene Veröffentlichung schwedischer Königssiegel,


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zu der auch deutsche Archive Material beigesteuert haben: H. Fleetwood, Svenska Medeltida Kungasigill I, (Stockholm). Der mit guten Abbildungen ausgestattete und die wichtigsten Angaben auf französisch wiederholende erste Band verzichtet auf eine zusammenhängende Darstellung der Entwicklung, sondern bringt die Siegel in chronologischer Reihenfolge ca. 1164--1296.

Wenden wir uns den Siegel- und Wappengruppen deutscher Landschaften zu, so steht in der Bearbeitung dieses Mal Schlesien bei weitem an erster Stelle. Im Jahre 1933 hat eine von der polnischen Akademie der Wissenschaften herausgegebene, vom Schlesischen Sejm subventionierte Geschichte Schlesiens bis zum Jahre 1400 zu erscheinen begonnen; ein deutsches Referat über den 1., der allgemeinen und politischen Geschichte gewidmeten Band ist in dieser Bibliographie < 250> aufgeführt. Ein jetzt vor dem 2. erschienener 3. Band (Historja Śląska od najdawniejszych czasów do roku 1400, Tom III pod red. W. Semkowicza, Kraków 1936) ist kunstgeschichtlichen Inhalts und enthält auf S. 247--440 einen Beitrag über die schlesischen Siegel bis zum Ende des 14. Jh.'s von M. Gumowski und auf S. 441--552 eine Abhandlung von S. Mikucki über die Heraldik der schlesischen Piasten bis zum Ausgang des 14. Jh.'s. Diese umfassenden sphragistisch-heraldischen Untersuchungen über einen deutschen Landesteil verdienen allgemeine Beachtung, wofür freilich die polnische Sprache ein schweres Hindernis bedeutet; eine -- natürlich -- nicht deutsche, sondern französische zusammenfassende Inhaltsangabe am Schluß bietet nur unvollkommenen Ersatz, doch bleiben zum wenigsten die zahlreichen und durchschnittlich recht guten Abbildungen und die Siegelumschriften in einer besonderen Liste allgemeinverständlich. G. bespricht, seine Beobachtungen um Einzelthemen gruppierend, die äußeren Merkmale der Siegel, die Siegel der Herzöge und Herzoginnen, der Geistlichkeit und geistlichen Institute, des Adels, der Bürger und der Städte. Die erhaltenen Herzogssiegel, für die der Typus des runden »Fußsiegels« charakteristisch ist, beginnen 1175, das älteste Reitersiegel, das von den Oppelner Herzögen bevorzugt wurde, stammt von 1224; 1253 erscheint zum erstenmal der Adler als alleiniges Bild in einem Herzogssiegel. Auf den Schilden der Herzöge taucht er schon 1228 auf (mit Halbmond und Kreuz auf der Brust), auf den Fahnen erstmalig 1250. Die geistlichen Siegel reichen mit dem Fragment eines Breslauer Bischofssiegels von 1189 noch ins 12. Jh. zurück. Die ältesten Adelssiegel (1202, 1226, 1237, 1239) tragen markenähnliche Zeichen, doch beginnen die Wappensiegel auch bereits 1235 mit schildförmigen Siegeln des Oppelner Kastellans Zbrosław, die einen Löwen darstellen; G. bezweifelt allerdings, daß es sich bei diesem Bild bereits um ein Geschlechtswappen handelt. Nach seinen Beispielen ist das nächste schildförmige Siegel das Witegos von Greifenstein (mit »Greifen«-Flügel) von 1254. G. findet eine Fülle von Analogien zwischen den Wappen der schlesischen Ritter und denen der deutschen Ritterschaft, besonders aus den wettinischen Ländern, woher die einwandernden »Fremdlinge« zum großen Teil kamen. Auch bei den Vornamen stellt G. ein Überwiegen der deutschen über die polnischen fest, ohne daraus jedoch auch ein Überwiegen des deutschen Volkstums in der schlesischen Ritterschaft in dem hier behandelten Zeitraum folgern zu wollen! -- Die Bürgersiegel beginnen mit Breslauer Wappensiegeln von 1314, außer Breslau liefert nur noch Landeshut ein Stück. Die Städtesiegel schließlich -- ältestes Neiße 1230 -- sind mit großer Ausführlichkeit behandelt, es finden sich Zusammenstellungen


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über die Motive, Verhältnis von Stadt- und Vogtwappen, von Siegeln und Münzen, die in dem Band noch eine Sonderbehandlung durch Gumowski erfahren, Bildwechsel in den Siegeln einer Stadt, die Art der Umschriften u. a. G. konnte sich auf vorzügliche deutsche Vorarbeiten stützen, welche mit gutem Recht die Siegel dieses Gebiets als deutsche behandelt hatten, sind doch vor allem die Städte des Landes deutsch und die Ritterschaft West-Niederschlesiens überwiegend schon nach der Mitte des 13. Jh.'s. Davon steht freilich bei G. nichts. Zwar gibt er z. T. die Abhängigkeit von deutschem Vorbild zu (z. B. bei den Adelssiegeln), im übrigen aber ist er bestrebt, Zeugnisse schlesischer Sonderart festzustellen und vor allem das Vorliegen angeblichen direkten französischen Einflusses unter Überspringung des deutschen Nachbarn. Daß Vergleiche mit den polnischen Gebieten, die die Fiktion einer doch nicht vorhandenen Einheit hervorrufen, unerklärte Unterschiede oder völlig belanglose Übereinstimmungen aufzeigen, überrascht uns nicht, aber es entsteht doch z. B. für deutsche Leser eine etwas merkwürdige Situation, wenn, ohne des deutschen Bürgertums auch nur zu gedenken, festgestellt wird, daß die Bürgersiegel in Schlesien weit eher einsetzen als in den andern (!) Landesteilen Polens (!). In dem Verzicht auf nahezu jeden Versuch, etwa durch genauere zeitliche und örtliche Unterscheidungen deutsche und polnische Elemente in der Siegelüberlieferung festzustellen, und in dem Verschweigen des nicht zu leugnenden Tatbestandes, daß die schlesische Sphragistik, wenn man sie schon als Gesamtheit betrachtet, nur ein Ast am deutschen Baume ist, liegen die Mängel dieses Werkes, dessen förderliche Ergebnisse in vielen Einzelfragen daneben gerne anerkannt werden sollen. Die kritische Nachprüfung mancher Einzelheiten muß freilich vorbehalten bleiben. -- Während bei G. die Vollständigkeit der Materialerfassung offengelassen wird, nennt Mikucki klar seine Quellen für das durch Publikationen noch schlecht erschlossene 14. Jh.: es sind Abgüsse aller Piastensiegel des Staatsarchivs Breslau. Nach einer Aufzählung der Wappenzeichen in den Piastensiegeln bespricht M. Herkunft und Bedeutung des aus Halbmond und Kreuz bestehenden Zeichens Heinrichs des Bärtigen, des Adlers und des Schachs. Ersteres wird, ohne der deutschen »Handgemal«-Literatur zu gedenken, als persönliches militärisches Zeichen des Herzogs gedeutet. Der Adler, mit dem die Breslauer Piasten jenes Zeichen verbinden, ist nach M. ein von der gesamten polnischen Piastendynastie aus der westeuropäischen Symbolik, möglicherweise auch nach dem Vorbild des deutschen Reichswappens übernommenes Zeichen, doch fern jeglicher Lehnssymbolik und gänzlich bar eines politischen Inhalts. Das im Liegnitzer und Glogauer Teilfürstentum erscheinende Schach ist ein vom Kleinod in den Schild übernommenes Unterscheidungszeichen mit angeblich näherer Beziehung zum Teilherzogtum Brieg. Über die Farben unterrichten verschiedene deutsche Wappenbücher, vor allem Gelre. Die sehr klar durchgeführten Darlegungen M.s stellen in der Wahl des Adlerbildes, der Wahl unterschiedlicher Farben in einzelnen Herzogtümern, in der Bedeutung der Helmzierden offen die Einwirkung des westlichen Vorbildes fest. Zeichen polnischen Charakters (?) ist ihm die Verbundenheit des schlesischen und polnischen Adlers als Zweige aus einem Stamm und das Festhalten an einem völlig gleichartigen Geschlechtszeichen bei der Mehrzahl der Teile des Herzogtums Breslau. Sieht man etwa noch von der Frage des Lehnsverhältnisses zwischen dem Reich und Polen ab, so liegen zwischen der Auffassung

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in der deutschen Literatur und den sachlichen Ergebnissen dieser Untersuchung keine unüberwindlichen Gegensätze. -- Der Aufsatz Wutkes < 337> ergänzt durch den Nachweis, daß das zumeist als drei Anker angesprochene Brieger Siegelbild eine Wolfsfalle darstellt und dem Wappen des Lokators (v. Reichenbach) entlehnt ist, die Liste Gumowskis über derartige Zusammenhänge. -- Der Aufsatz von F. v. Heydebrand und der Lasa < 336> ist stark hypothetischen Charakters. Es wird die Frage gestellt, ob nicht ein Zusammenfall runenartiger Zeichen an vorgeschichtlichen Funden, besonders an den Böden der Irdenware, und der Handzeichen (Marken) von Herrengeschlechtern, die im 12. und 13. Jh. in derselben Gegend nachweisbar sind, feststellbar sei; so wird z. B. die Mondsichel auf der Brust des schlesischen Adlers mit ähnlichen Zeichen auf wandalischen Waffen in Zusammenhang gebracht. Im wesentlichen werden die Voraussetzungen erörtert, und da ist zu sagen, daß ein angebliches gleichzeitiges Nebeneinander von erblichen Marken, Heroldswappen (nach v. H. von der gleichen Schildbemalung der Geschlechtsgenossen) und Tierbildwappen (von dem Feldzeichen des Sippenverbandes), und zwar bereits im 12. Jh., nicht nachweisbar ist. Die beigegebenen Tabellen und Abbildungen reichen für diesen Schluß keineswegs aus, und für den Nachweis des Blutzusammenhanges der aufgeführten Personen wird überhaupt erst auf eine spätere Veröffentlichung verwiesen. Nimmt man aber auch für einige Marken Erblichkeit seit ältester Zeit an, so bleibt deren Ableitung von germanischen Runen bestimmter Völkergruppen ebenso unbeweisbar, und alle daraus gezogenen historischen Folgerungen (langobardisches Großreich im Osten!) sind ohne Gewicht. --

Ist die schlesische Literatur somit sehr wesentlich bereichert, so liegt für ein weiteres deutsches Gebiet, die Mark Meißen, noch die sehr klare Untersuchung über die Städtewappen von Lauckner < 339> vor. Die Quellenlage ist hier nicht ungünstig, weil außer den Siegeln in Federzeichnungen des 17. Jh.'s (Dilich) und verschiedenen Wappensammlungen des 18. Jh.'s Farbenangaben überliefert sind. Für jede Stadt wird das amtliche Wappen angegeben, die Siegel bis zum Jahre 1800 beschrieben, sonstige Quellen (z. B. Wappen an Gebäuden!) aufgeführt und das Bild gedeutet. In einem zweiten Teil werden die Ergebnisse historisch ausgewertet und in verschiedenen Listen die Siegel- und Wappenbilder nach ihrem Inhalt und zeitlichen Auftreten gruppiert. Es ergibt sich u. a., daß die typischste Form des Siegelbildes im 13. und 14. Jh. die Stadtbefestigung ist. Bemerkenswert sind schildförmige Siegel von Dresden (1309) und Pirna (1299, mit dem redenden Zeichen eines Birnbaums). Ein Schild mit dem Bild im runden Siegel findet sich erstmalig 1335 bei Pirna, und mit Unrecht scheut sich der Verf., dies bereits als regelrechtes Wappensiegel gelten zu lassen, wenn auch diese Mode erst Ende des 15. Jh.'s allgemeiner wird und erst im 16./17. Jh. Tinkturen festgelegt zu sein scheinen. --Prochno bringt für das Land Zittau < 338> recht nützliche Zusammenstellungen über die Siegel der Stadt Zittau und der Äbtissinnen von Marienthal (seit 1329) mit Abbildungen. Die Siegelreihe für die Stadt Zittau beginnt mit einem etwas merkwürdigen Wappensiegel von 1275, dessen Echtheit wohl noch näher untersucht werden sollte. Der Kommentar zu den Siegeln ist nicht immer einwandfrei. Daß das zuerst auf dem Siegel eines in Zittau nachweisbaren Weihbischofs von 1433, dann auf Glocken usw., schließlich 1570 auch in einem städtischen Siegel sich findende Z der Anfangsbuchstabe des Stadtnamens ist, kann wirklich nicht


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bezweifelt werden. -- Für die Schweiz hat Gisler < 343> den im vorigen Bericht erwähnten Landessiegeln von Uri jetzt die Wappen und Siegel der Landammänner folgen lassen. Die Reihe der Ammänner beginnt 1273, die ihrer persönlichen Siegel 1290. Die Wappensiegel der Ammänner A. von Silenen (1290), zweier Meier von Erstfeld (1338 bzw. 1387) und des K. der Frauen (1383) zeigen wie das Land Uri einen Stierkopf. Unter den Wappen der Ministerialengeschlechter des Kantons Freiburg, die H. de Vevey-L'Hardy < 344> nach Quellen vornehmlich des 13. und 14. Jh.'s untersucht, lassen sich zwei in sich recht ähnliche Gruppen feststellen, ohne daß es gelingt, blutsmäßige oder feudale Zusammenhänge nachzuweisen. --Styger < 345> bringt in seinem Wappenbuch die feststellbaren Wappen der Schwyzer Geschlechter, zum Teil auch mehrere für dasselbe Geschlecht, die in lebenslanger Sammeltätigkeit aus den verschiedensten Quellen zusammengetragen worden sind; ältere Sammlungen größeren Umfangs standen nicht zur Verfügung. Die Geschlechter, aus deren Geschichte die wichtigsten Daten beigegeben sind, werden jeweils in alphabetischer Folge für die sechs Viertel des alten Landes Schwyz und die fünf »äußeren Landschaften« behandelt; angeschlossen sind auch die Bezirks- und Gemeindewappen des Kantons. Die Abbildungen stehen in Form von Zeichnungen im Text, Originalabbildungen (Siegel, Zierschildchen, Scheiben usw.) bringen zwölf Tafeln, als ältestes datiertes privates Stück ein Stauffachersches Siegel von 1367. Der Kanton hat hiermit eine vorzügliche, historisch wohl unterbaute (vornehmlich) bürgerliche Wappenrolle erhalten, übrigens unter grundsätzlicher Ablehnung des Oberwappens. Vom allgemeinen Standpunkt aus bedauert man etwas, daß die Verf. ihre Beobachtungen von grundsätzlicher Bedeutung nicht zusammenfassend zum Ausdruck gebracht haben. Man erführe z. B. gern, welchen Anteil zahlenmäßig die einzelnen Jahrhunderte an dem dargebotenen Wappenmaterial haben, und wie sich bürgerliche und bäuerliche Wappen zueinander verhalten. Wo die Quellenangabe für das Wappen, insbesondere auch für die Farben fehlt, ist wohl der tatsächliche Wappengebrauch nach Angaben des betreffenden Geschlechts vorauszusetzen. -- Die Untersuchung über die Besieglung der Freiburger Urkunden im 13. Jh. von Kocher < 348> war mir nicht zugänglich.

Wenden wir uns den Arbeiten über einzelne Wappen und Siegel zu, so ist für das Schweizer Gebiet auf Schneiter und Huber, Die Wappen der Zünfte der Stadt Zürich (zur 600-Jahrfeier der Zürcher Zünfte, Zürich) hinzuweisen. Alte und junge Wappen werden in prächtiger Ausführung und mit kurzem erläuternden Text vorgeführt. Die älteren entstammen dem 16./17. Jh. und haben häufig einen Zusammenhang mit dem Hausnamen des Zunfthauses. -- Ein lohnender Gegenstand einer Sonderuntersuchung waren die seit 1238 vorliegenden Siegel des friesischen Landes Wursten < 346>, deren Bild, nämlich das eines thronenden und offenbar Gericht haltenden Königs, v. Lehe durch Vergleich mit dem ähnlichen Siegel des benachbarten Landes Rüstringen als Abbild des großen Königs Karl bestimmen kann, denn dieser galt den Gemeinwesen friesischer Bauern, die als Körperschaft nicht jünger erscheinen als die Gemeinwesen der Bürger in den benachbarten Städten, als Quelle ihrer Rechte und Freiheiten, zu denen auch das Recht auf eigenes Gericht und eigene Rechtssatzung gehörte. -- Von den Siegeln der Universität Heidelberg, die Zinsmaier < 347> näher untersucht, gehen das große Universitätssiegel (Hl. Petrus


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mit beiden kurfürstlichen Stiftern) und das Rektoratssiegel (pfälzischer Löwe mit Buch) auf das Jahr der Gründung 1386 zurück. Erst im Laufe des 15. Jh.'s erhalten die einzelnen Fakultäten Siegel, und zwar in der Reihenfolge Artisten (Professor [?] mit Buch), Juristen (Lehrer mit zwei Schülern), Theologen (Hl. Hieronymus) und Mediziner (geflügelter Ochse des Hl. Lukas). Neue Siegelstempel sind erst im 17./18. Jh. angeschafft worden. -- Mit den Arbeiten von Hoffmann < 341> und Steinhauser (Das Rottweiler Stadtwappen, 41. Vereinsausg. des Rottweiler Geschichts- u. Altertums-Ver., 1935) haben die Stadt Linz und die ehemalige Reichsstadt Rottweil willkommene Untersuchungen über ihre Siegel und Wappen erhalten, die die gesamte Überlieferung berücksichtigen. Die ältesten erhaltenen Siegel stammen von 1275 (Linz: Stadttor; ein Siegel von 1256 wird als Fälschung angesehen) bzw. 1293 (Rottweil: Adler), die ältesten Wappen von 1496 (Siegel; farbig erstmalig 1503) bzw. Ende des 14. Jh.'s (am Wandtabernakel der Rottweiler Heiligkreuzkirche). Als heraldisches Beizeichen taucht erstmalig 1521 ein Kreuz auf der Brust des Rottweiler Wappenadlers auf, das nichts mit dem Bündnis mit der Eidgenossenschaft zu tun hat. -- Beispiele moderner Wappengestaltung erläutern bezüglich des Bischofs von Eichstätt F. v. Werden < 340>, der dabei die Ausblicke in die allgemeine Heraldik lieber hätte ganz fortfallen lassen sollen, und O. Neubecker anläßlich der niederländisch-lippischen Vermählung: Das Wappen des prinzlichen Hauses Lippe-Biesterfeld (Familiengesch. Bll. -- Deutscher Herold, 1936, H. 10/11). Die Geschichte des Wappens des lippischen Hauses und seiner Linien wird dabei in Kürze dargestellt. -- Die reich bebilderte Schrift Pietros v. Salis, Wappen, Fahne und Flagge von Graubünden, wie sie von Rechts wegen sein müssen (Zürich), polemisiert gegen Einzelheiten und Zusammensetzung der Wappen des Grauen Bundes, Gotteshausbundes und Zehngerichtebundes in der neuen amtlichen Fassung des Kantonwappens und ist interessant durch die bildlich gezeigten Möglichkeiten einer Verbindung der historisch richtigen Einzelwappen in Wappen- und Flaggenform.

Die Fahnenkunde erfreut sich seit einiger Zeit steigenden Interesses, und es sind besonders die Fahnen des alten Reichs und des deutschen und namentlich preußischen Heeres, die zu Untersuchungen und Darstellungen gelockt haben. Durch die von der »Blutfahne« ausgehenden und z. T. kontroversen Untersuchungen Herb. Meyers und C. Erdmanns seit 1930, die nicht diesem Referat zugeteilt waren, ist allein schon das Tatsachenmaterial gegenüber E. Gritzners älterer Untersuchung über die Symbole des alten Reichs ganz wesentlich vermehrt worden. Es ist nicht möglich, anläßlich Erdmanns jetzt hier anzuzeigender abschließenden Untersuchung über die kaiserlichen und päpstlichen Fahnen < 350> auf alle angeschnittenen Probleme einzugehen. Die für die allgemeine Fahnenkunde wichtigste Erkenntnis ist die, daß sowohl die päpstlichen Fahnen (Römerfahne, Petersfahne, Lehnsfahne) als die Kaiserfahnen in vorheraldischer Zeit nicht einheitlichen Typs, sondern von großer Buntheit waren. Symbol ist die Fahne selbst, nicht die Farbe oder das Bild, die sie zeigt. Feststellbar ist nur, daß die Blutfarbe seit alters für Kriegsfahnen beliebt war und im späteren MA. sich allgemein als Lehns-, Gerichts- und Regalienfahne durchsetzte. Um diesen Prozeß noch klarer zu erkennen, wären nähere Untersuchungen über die Anfänge des Fahnenwesens in den einzelnen Territorien vonnöten. -- Da überhaupt die Grundlagen für eine allgemeine Geschichte des Fahnenwesens


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z. T. noch nicht vorliegen, stand E.-G. Blau vor einer ziemlich unlösbaren Aufgabe, für »Meyers bunte Bändchen« auf weniger als 30 Textseiten über »Fahnen, Flaggen und Standarten« (Leipzig) zu handeln, von Dietrich v. Bern bis zu unserer Hakenkreuzflagge. Es hat nicht viel Sinn, da um Einzelheiten rechten zu wollen; zu erwarten gewesen wäre nur eine schärfere begriffliche Scheidung der Fahnenarten unter sich und von Fahnen und Flaggen. Als vorzüglich muß die bildliche, z. T. farbige Ausstattung bezeichnet werden. -- Ausgangspunkt für die neueren Arbeiten über die Fahnen des deutschen Heeres ist eine Artikelserie, die von E. Fiebig 1929 im »Kyffhäuser« erschien. Daraus erwuchs jetzt das Prachtwerk »Unsterbliche Treue« < 351>, das, ausgestattet mit zahlreichen Schlachtbildern und historischen Darstellungen, das hohe Lied derer verkündet, die die deutschen Feldzeichen in den Schlachten führten und ihnen die Treue bis zum Tode hielten. Gegenstand der Darstellung sind die 1914 von den deutschen Truppeneinheiten geführten Fahnen; nur bei Preußen ist die ältere Geschichte bis in die brandenburgischen Anfänge ausführlich zurückverfolgt. Es fehlen so die Feldzeichen der in Preußen aufgegangenen deutschen Staaten, vor allem von Hannover. Besonders hingewiesen sei auf die Listen der Armee Friedrich Wilhelms I., der friderizianischen Armee, der preußischen Fahnenverluste von 1806, der Feldzeichenweihen unter Wilhelm II., Verteilung und Verbleib der Feldzeichen des Weltkrieges. -- Martin Lezius, Fahnen und Standarten der alten preußischen Armee nach dem Stande vom 1. August 1914 (Stuttgart 1935) beschreibt die gleichen Feldzeichen, -- in etwas ermüdender Eintönigkeit. Es wäre sehr erwünscht, wenn einmal ein Kenner der Materie die wesentlichen Züge der Formgebung dabei klar herausstellte. Jeder Leser, der nicht zum engsten Kreis der Sachkenner gehört, ertrinkt sonst in der Flut der Einzelheiten. -- Liegt in den genannten Arbeiten das Schwergewicht in der neuesten Zeit, so ist daneben noch einiger Arbeiten zu gedenken, die gerade die ältere Fahnengeschichte zu erhellen bemüht sind. Über »Brandenburgische Feldzeichen« schrieb O. Neubecker <in 236, H. 2>. Er bringt Notizen über Feldzeichen Albrecht Achills und vermag sieben bisher unveröffentlichte alte Fahnen abzubilden. Recht verdienstlich ist eine Zusammenstellung aller bekannten brandenburg-preußischen Fahnenbücher. -- Im übrigen notiere ich noch kurz folgende Veröffentlichungen: Badische Fahnen und Standarten, Amtliche Veröffentlichung des Armeemuseums Karlsruhe, Deutsche Wehr am Oberrhein (vorzügliche Abbildungen ohne eigentliche Darstellung). -- O. Neubecker, Die Fahnen und Standarten der Armee des Königreichs Hannover, Z. Heeres- u. Uniformkunde, H. 64--75, 1934/35. (Der Aufsatz desselben Verf. über die Hannoversche Flagge < 352> ist bereits im vorjährigen Bericht <1935, S. 163> angezeigt worden.)


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