II. Flurnamen.

Höhn <1935, 495> gibt eine gute Übersicht über Wege und Ziele der Flurnamenforschung. Die Geschichte einiger Flurnamen auf Grund von Verbreitungskarten verfolgt über das ganze Rheinland Westphal <1935, 496>, die namengeographische Betrachtung und den Begriff des Kulturkreises erfolgreich auf das Gebiet der Flurnamen übertragend. Künßberg <1936, 427> bietet eine gedrängte Zusammenstellung der Flurnamen, die Aussagen für die Rechtsgeschichte ermöglichen.

Zwei Wege werden derzeit versucht, das in den Flurnamensammelstellen aufgehäufte Flurnamenmaterial zu veröffentlichen. Der deutsche Flurnamenausschuß setzt sich für ortsweise Veröffentlichung ein, und Baden und Hessen setzen so ihr Badisches und Hessisches Flurnamenbuch zusammen. Die letzten Hefte des Badischen Flurnamenbuches behandeln die Flurnamen von Diersheim durch Kößler <1935, 515> und von Bruchsal durch Wiedemann < 527>, die des Hessischen die von Wörrstadt durch J. Bucher <1936, S. 496>, von Glauberg durch


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Wiesenthal < 525>. In Südtirol bietet Richter-Santifaller < 534> eine vorzügliche Materialsammlung des zum größten Teile ladinisch sprechenden Gadertales (Pustertal) und des Buchensteintales (Dolomiten), ohne leider die mundartliche Aussprache und die Deutung beizufügen, wohl aber mit gründlicher Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der sieben behandelten Gemeinden, während Mader <1936, 467; 1937, 532> bei den Namen am St. Andräer Berge und der Gemeinde Pfeffersberg bei Brixen z. T. mundartliche Formen und Erklärungen hinzufügt. Die Vorteile dieser Einzelveröffentlichungen sind erschöpfende Heranziehung der Quellen, reichliche ältere Belege und z. T. Angabe der heutigen mundartlichen Aussprache, Festlegung mit Grenzen auf Karten, gute Übersicht über die Entwicklung der Gemarkung. Die Nachteile liegen oft in Mängeln der sprachlichen Erklärung und im Fehlen eines weiteren Blickfeldes. Der Nutzen für die Ortsgeschichte ist groß, die allgemeine Geschichte aber kann naturgemäß wenig daraus lernen. Auch ist ein Abschluß bei gemeindeweiser Veröffentlichung kaum abzusehen. Darum entschließen sich andere Landschaften für bezirksweise Veröffentlichung. Das Sudetendeutsche Flurnamenbuch bemüht sich, immer 3000 bis 4000 Flurnamen eines Bezirkes auf Grund der urkundlichen Formen und der heutigen Aussprache zu erklären und zugleich Folgerungen für die Siedlungsgeschichte zu ziehen. Dem ersten Heft, enthaltend die Flurnamen des politischen Bezirkes Gablonz durch E. Schwarz <1935, 529>, ist als zweites die Darstellung der Flurnamen des politischen Bezirkes Freudenthal durch Weinelt < 538> gefolgt. Wie bedeutend die deutsche Kulturarbeit in diesen Bezirken gewesen ist, sieht man aus dem Verhältnis der tschechischen Flurnamen zu den deutschen. Im Bezirke Gablonz machen die tschechischen nur 1,6 Prozent, im Bezirke Freudenthal nur 1 Prozent aus. Die erste größere Veröffentlichung aus der burgenländischen Flurnamensammlung gibt Harmuth mit Orts- und Flurnamen im Bezirke Eisenstadt < 535>, etwa 2000 Namen auch mit Heranziehung der archivalischen Quellen behandelnd. Die sprachliche Deutung ist aber bisweilen verbesserungsbedürftig, die mundartliche Aussprache hätte genauer beachtet werden sollen. Aus der pommerschen Sammlung ist das Buch von Schulz über die Orts- und Flurnamen des Kreises Köslin <1935, 501> erwachsen. Die verständig gedeuteten Flurnamen werden auch für die Kultur- und Siedlungsgeschichte ausgewertet. Als Träger der deutschen Besiedlung werden Friesen, Holsteiner, Westfalen und Mecklenburger genannt. Die Zahl der wendischen Flurnamen ist gering (2,3 Prozent). Holsten < 509> führt ebenfalls aus der pommerschen Sammlung, besonders aus dem Kreis Ückermünde, einige Namen an, für die niederländische-niederfränkische-brandenburgische Herkunft gesichert oder wahrscheinlich ist, wobei die Verbindung mit der Mundart- und Volkskundegeographie geeignet ist, die Zuteilung des Sprachgutes zu festigen. Die Übersicht über die rund 900 Flurnamen des Mecklenburgischen Urkundenbuches bis 1400 durch Neumann < 510> lehrt das Eindringen deutscher Namen um 1200, dem ein Verdrängen der wendischen im 14. Jh. folgt. Das Verbreitungsgebiet der deutschen Flurnamen, soweit sie in den Urkunden vorkommen, wird durch Kärtchen verdeutlicht. Am Ende des 14. Jh.'s dürfte die Eindeutschung so gut wie vollzogen gewesen sein. Die Territorialverhältnisse des Bleiberges in der Eifel sucht Reinartz < 526> durch Heranziehung der Flurnamen zu erklären. Eisermann < 505> zeigt, daß »Gardine« und verwandte Namen in Ostpreußen für Örtlichkeiten gelten, die Stätten einer alten natürlichen oder von Menschenhand geschaffenen oder ausgestalteten,

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von den alten Preußen errichteten Sperre bezeichnen. Bückmann < 513> untersucht die Namen der 54 alten Siedehütten in Lüneburg und kommt zum Schluß, daß die Namengebung keinen zwingenden Beweis dafür gibt, daß sie den Langobarden zugehörten, weil sie auch in der sächsischen Namengebung ihre Stütze haben. Die Möglichkeit langobardischen Namengutes bleibt aber aufrecht. Mustererklärungen hessischer Flurnamen, die in stärkster Weise die mundartliche Aussprache, die Wortgeographie und natürlich die urkundlichen Schreibungen heranziehen, gibt Stroh < 523>. Der Grundsatz, daß der Namendeutung Namengeschichte und Namengeographie vorangehen soll, kann nur gebilligt werden. Böttger < 521> bespricht Sang und Vogelsang als Leitnamen der im Siegerlande üblichen Haubergwirtschaft und erklärt Winter- und Aßflurnamen als Belege für alte Weidewirtschaft. Die sprachlich-sachliche Flurnamendeutung auf volkskundlicher Grundlage, die Matthias <1936, 434> an den Orts- und Flurnamen des Kreises Uelzen darlegt, folgt leider Naumann und Best, wenn die Naturnamen als Erzeugnis »primitiver Gemeinschaftskultur« den Kulturnamen gegenübergestellt werden, einer nicht nur bei den Flurnamen abwegigen Anschauung, da beide Namengattungen zu jeder Zeit und im gleichen Schoß einer einfach denkenden Gemeinschaft entstanden sind. Auch die sprachlichen Deutungen sind z. T. verfehlt. Bei den Flurnamen »Hundskirche« an germanische vorchristliche Kulteinrichtungen mit Leuschner < 516> zu denken und genaue Messungen durchzuführen, ist unnötig. Die Deutung »unechte Kirche« genügt vollkommen, eine Anknüpfung an Altgermanisches scheitert schon an der Häufung dieser Namen in ostmitteldeutschen Kolonialgegenden, wo jeder Beweis für besonders enge Berührungen zwischen Germanenresten und Slawen fehlt.

Eine Übersicht über die Flurnamenforschung im gesamtschlesischen Raume, ihre Aufgaben und Probleme gibt Maetschke < 514>. Er berührt auch die Ursachen, warum sich in manchen Orten Schlesiens polnische Flurnamen restweise erhalten konnten. Das allerdings noch recht lückenhafte Verbreitungsgebiet der Flurnamen Überschar und Hackschar zeigt eine Karte. Leipoldt < 517> wagt es, für Sachsen und Nordböhmen eine Zusammenschau über einige Leitnamen (Folge, Überschar, Viehweg u. a.) zu geben, trotzdem das Material noch viele Lücken bietet. Die Flurnamengeographie wird bewußt mit der Lautgeographie verglichen, von dem richtigen Gedanken ausgehend, daß die Flurnamen als festgewordene Örtlichkeitsbezeichnungen längeren Bestand haben können als sonstige Teile des Wortschatzes. Die Ergebnisse der Sprachraumforschung in Sachsen und in den Sudetenländern werden bestätigt. Die Reichsgrenze tritt in der Flurnamengeographie ebensowenig als Grenzlinie in Erscheinung wie in der Ortsnamengeographie, so daß sich unzweifelhaft ein Zusammenhang mit der Siedlung ergibt. Dem Niederschlag von Bewegungen in der Wortgeographie geht auch Schwarz beim Namen des Heuscheuergebirges in der Grafschaft Glatz <1936, 442> nach. E. M. Wallner <1936, 1537> kommt bei seinem wegen des erst lückenhaft zur Verfügung stehenden Flurnamenmaterials nur tastenden Versuch, die Herkunft der Nordsiebenbürger Deutschen im Lichte der Flurnamengeographie zu beleuchten, zum Ergebnis, daß die Mehrzahl der nösnerländischsächsischen Ansiedler aus den mittelrheinischen Gegenden eingewandert ist. Es wird immer deutlicher, daß eine Flurnamengeographie und ein Flurnamenatlas nicht nur eine Forderung der Sprach-, sondern auch der Geschichtsforschung ist.


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