II. Völkerwanderungszeit

(im weiteren Sinne). Ein ausführlicher Bericht über Funde und Ausgrabungen im Rheinland (Nachrichtenbl. dt. Vorzeit, Jg. 13, H. 5/6, S. 93 ff.) sei hier zuerst erwähnt, weil er sowohl die Kaiserzeit wie die Völkerwanderungszeit behandelt. Petrikovits faßt die bisherigen Ergebnisse der Ausgrabungen in Xanten zusammen. Wichtige Beiträge zur germanischen Besiedlung des niederrheinischen Raumes bringen W. Kersten (Bauernsiedlung bei Haffen, Kr. Rees, auf einer Geest-Insel im Hochwassergebiet des Rheins) und Stoll- Wagner (fränkische Siedlung bei Gladbach, Kr. Neuwied, mit Hausgrundrissen, Brunnen und Dorfstraße). Drei erst kürzlich aufgefundene fränkische Gräberfelder, über die Steeger berichtet, haben nicht nur ein reichhaltiges Beigabenmaterial geliefert, sondern unsere Kenntnis um die fränkische Zeit am linken Niederrhein besonders über den Anfang und den Ausklang der sog. Reihengräbersitte unerwartet bereichert. Die im Rahmen des Ausgrabungsplanes der Rheinischen Provinzialverwaltung 1936 durchgeführten Grabungen lieferten nach dem Bericht von Stampfuß bei Bruckhausen, Kr. Dinslaken, einen germanischen Hausgrundriß mit Vorhalle, nach welchem das Haus rekonstruiert werden konnte. Über die Erforschung der Römischen und der Fränkischen Zeit im Regierungsbezirk Trier haben Koethe und Hussong einen zusammenfassenden Bericht geliefert. Schließlich enthält eine Mitteilung von Stoll über den Katalog fränkischer Altertümer der Rheinprovinz eine Karte der Frankenfriedhöfe in der Rheinprovinz, aus der das entscheidende völkische Ereignis für die endgültige Germanisierung der gesamten Rheinlande, nämlich die fränkische Landnahme, anschaulich


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erkennbar wird. -- Der Jahresbericht des Rheinischen Landesmuseums Trier für 1936 (Trierer Z. 12, S. 261 ff.) enthält Mitteilungen über Funde der Kaiserzeit, der Fränkischen Zeit und des frühen MA.'s aus Trier und dem Trierer Land. -- Das Siedlungsbild der Trierer Landschaft und sein Wechsel im Ablauf der Ur- und Frühgeschichte läßt sich heute dank zahlreichen Untersuchungen besser übersehen als das vieler anderer westdeutscher Landschaften. Die frühgeschichtliche Besiedlung hat Koethe < 694> für die Zeit vom 1.--6./7. Jh. zur Darstellung gebracht. Die vorgelegten Karten bezwecken die Veranschaulichung der im Siedlungsbild auftretenden Veränderungen im Gefolge von politischen Ereignissen oder Verlagerung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Trierer Landes während der Römerzeit. Eine zum Vergleich hinzugefügte Karte der Merowingerzeit, welche die Fränkische Landnahme veranschaulicht, läßt einerseits den Bruch in der Entwicklung erkennen, zeigt aber anderseits die trotzdem vorhandene überraschende Ähnlichkeit des Kartenbildes, die sich aus den geographischen Gegebenheiten erklärt. -- Zwei münzdatierte fränkische Gräber des 7. Jh.'s werden von Behrens < 182> veröffentlicht; sie bilden eine wichtige Ergänzung zu der Arbeit von Werner <1935, 167> über die münzdatierten austrasischen Grabfunde. -- Als Ergebnis Krefelder Ausgrabungen gibt Steeger < 183> germanische Funde der Völkerwanderungszeit aus Krefeld bekannt. -- Entgegen der Annahme von Fr. Roeder, die sächsischen Fenstergefäße seien erst im 4. Jh. entstanden, und zwar im nordostdeutschen Raume, weist Waller < 168> auf ältere Gefäße solcher Art im Gebiet der Chauken hin und glaubt daher, daß sie dort einheimisch seien. -- Während noch bis vor kurzem die Meinung herrschte, Schlesien sei nur bis etwa 400 von Ostgermanen besiedelt gewesen, haben neuere Funde und Untersuchungen den Nachweis erbracht, daß Reste der germanischen Bevölkerung bis ins 6. Jh. dort ansässig waren. Das reich ausgestattete Reitergrab von Königsbruch, Kr. Guhrau, ist, wie Zeiß (Altschlesien 7, S. 54 ff.) nachweist, nicht ins 4., sondern ins 5. Jh. zu setzen. Ein im Jahre 1935 entdecktes Gräberfeld im Staatsforst Guttentag (Oberschlesien), über welches Pfützenreiter (Altschlesien 7, S. 40 ff.) berichtet, enthielt überaus zahlreiche Funde von Waffen, Gerät und Schmuck; nach diesen Beigaben ist der Friedhof um 500 anzusetzen. Hier wie schon früher bei dem Gräberfeld Gr.-Sürding bei Breslau ergab sich, daß es sich nicht um eine rein wandalische Kultur (wie in den Jahrhunderten vorher in Schlesien) handelt, vielmehr manche Übereinstimmung mit der gotischen und gepidischen Kultur der Völkerwanderungszeit besteht. -- Eine formenkundliche Betrachtung über die spätgermanische Tonware aus Schlesien von W. Boege < 177> führt den Verf. ebenfalls zu dem Ergebnis, daß diese dem 5. Jh. zuzuweisen ist und die vermeintliche Siedlungslücke im 5. und 6. Jh. (vor Beginn der slawischen Einwanderung) aus neuerem schlesischen Fundstoff überbrückt werden kann. -- Auf weitere Funde dieser spätgermanischen Gruppe von Tongefäßen aus Schlesien weist Boege (Nachrichtenbl. dt. Vorzeit 13, S. 272) hin. --Berciu und Beninger < 717> geben einige Schmucksachen der Völkerwanderungszeit aus der Kleinen Walachei (Rumänien) bekannt und versuchen, diese mit bestimmten germanischen Volksstämmen in Beziehung zu bringen, wobei sowohl die völkergeschichtlichen Ereignisse wie auch die kunstgeschichtlichen Tatsachen (fremde Einflüsse auf die gotische Kunst jener Zeit) zur Deutung herangezogen werden. -- Die oft und eindringlich erörterte Frage, ob und inwieweit das nordische Kunsthandwerk der frühen Völkerwanderungszeit von der provinzialrömischen

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Kunst abhängig gewesen ist, wird von Forssander < 687> einer erneuten Analyse unterworfen. Der Verf. geht dabei von zwei bedeutenden Hortfunden aus Schonen (Sösdala und Sjörup) aus. Die Sösdala-Gruppe umfaßt Bronze-, Gold- und Silberschmuck (aus Silberblech) mit Verzierungen in Stempel- und Filigrantechnik und Zelleneinlagen; sie gehört dem 4. Jh. an und ist pontischer Abstammung; und zwar sind die in gotischen Werkstätten am Schwarzen Meer entstandenen Schmucksachen nach Norden gewandert. Sie erweisen sich somit als ein Erzeugnis einer auf rein germanischem Boden ausgebildeten und weiterentwickelten Metallindustrie. Eigenarten des Sösdala-Fundes lassen ferner darauf schließen, daß es im Norden eigene Werkstätten gab, die in enger Verbindung mit dem gotisch-südrussischen Kunsthandwerk standen. Die Metallschmucksachen der zweiten Gruppe (Sjörup-Gruppe) mit Kerbschnittverzierung sind nach F. zwar sicher von weströmischen Werkstätten ausgegangen; ebenso ist ihr überlieferungsgebundener Zusammenhang mit älterem provinzialrömischen und römischen Kunsthandwerk sicher. Es hat aber offenbar im germanischen Gebiet des Kontinents Werkstätten gegeben, die kerbschnittverzierten Schmuck herstellten, wenn wir auch die Heimat dieser germanischen Industrie noch nicht festzulegen vermögen. Aus diesen germanischen Werkstätten »längs den Grenzen des Römerreiches«, die unter provinzialrömischem Einfluß standen, stammt nach Ansicht des Verf.'s die nordische Tierornamentik, die nicht von den Donaugermanen, sondern durch die westgermanischen Stämme im Rheingebiet nach Dänemark und Skandinavien übertragen wurde. Die gotische Rankenornamentik hat dagegen vom östlichen Germanengebiet (und zwar erst nach 400) im Norden Eingang gefunden. Zur Lösung des Problems, woher die Tierornamentik des Nordens stammt, werden vom Verf. auch die Goldbrakteaten herangezogen; diese lassen deutlicher als andere Altertümer erkennen, wie die Tiergestalt schon während des frühen 5. Jh.'s zu einem lebendigen Motiv für das Kunsthandwerk geworden ist.


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