I. Römer und Germanen bis zum Hunneneinbruch (376).

Den Krieg zwischen Cäsar und Ariovist erörtert F. Kroon < 683> mit manchen erwägenswerten Bemerkungen; doch ist die Verlegung der Entscheidungsschlacht in die Gegend von Epinal ebensowenig überzeugend (vgl. H. Z. 157, S. 615), wie die Annahme von L. Franz < 617>, daß zur Zeit Cäsars eine Galliereinwanderung nach Böhmen erfolgt sei. Die Stärke des Ariovist-Heeres schätzt L. Schmidt < 684>, dessen Darlegungen in der Hauptsache den unter der römischen Herrschaft verbliebenen Stämmen gelten, auf 20_000 bis 25_000 Mann. Daß für den folgenden Zeitabschnitt bis etwa in den Anfang der Regierung des Tiberius und insbesondere für die Varusschlachtschilderung bei Velleius und Dio das verlorene Bellum Germanicum des Aufidius Bassus die Hauptquelle war, legt F. A. Marx < 685> dar.

Wegen des Auftretens frühaugustischer Tonware in Friedberg nimmt H. Roth < 696> für diesen Ort das Drususkastell in monte Tauno (Tac. Ann. 1, 56) in Anspruch. In den Rahmen der Maßnahmen, welche unter Claudius zur Sicherung der Rheingrenze getroffen wurden, gehört die von H. Petrikovits


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(Germania 21, S. 233--235) veröffentlichte Bauinschrift der legio I in Bonn. Zu dem bisher bekannten System der civitates in Obergermanien gewinnt H. Nesselhauf (Germania 21, S. 173--175) ein neues Glied aus der Deutung von Leugensteinen, welche auch die Geschichte des Straßenbaues bereichern.

Im besetzten Gebiet wurden frühzeitig einzelne Italiker seßhaft, so der von M. Siebourg < 202> besprochene Veteran, der nach seinem zu Kierdorf gefundenen Grabstein aus der Mitte des 1. Jh.'s mit einer Einheimischen verheiratet war. Zu einer anderen Inschrift betont S., daß die rheinischen Matronae ursprünglich Orts-, nicht Familiengottheiten gewesen seien. Auf den Bildern von Matronenaltären arbeitet L. Hahl (Germania 21, S. 253--264) Züge einheimischer wie antiker Tradition heraus. Bodenständige germanische Götterüberlieferung sucht auch R. v. Kienle < 697> nachzuweisen. Niederrheinische Inschriften wertet S. Gutenbrunner, Neue Zeugnisse zur Sprache der Ubier (Z. Mundartforsch. 13, S. 65--77) aus.

Die antike Überlieferung über Taktik und Strategie der Germanen bis zur Schlacht bei Adrianopel (378) hat H. G. Gundel < 1967> sorgfältig gesammelt, wobei er auch die bedeutenderen Heerführer von Teutobod und Boiorix bis Fritigern schärfer herauszuarbeiten trachtet; einige Bemerkungen steuert F. Lammert in seinen Anzeigen bei. Das Gebiet der älteren Stammesgeschichte behandeln M. Jahn < 646>, der auf Grund eines Vergleichs von Bodenfunden mit norwegischen Teilnehmern an der Wandalenwanderung rechnet, und L. Franz < 617>, der in Anlehnung an E. Šimek die Markomannen nur in einem schmalen Streifen nördlich der Donau wohnen lassen will; es ist indessen richtiger, mit K. Schirmeisen, Zum Schema des Ptolemäischen Germanien (Z. dt. Ver. Gesch. Mährens u. Schlesiens 39, S. 125--140) auch das innere Böhmen als markomannisch zu betrachten. Die Markomannen (und Quaden) in der Zeit der Feldzüge Domitians berührt die Fortsetzung der eingehenden Studien von C. Patsch < 703> über den Donauraum, in denen auch Adamklissi, die Dobrudschawälle, die Trajanssäule (im Zusammenhang der Dakerkriege) und neben anderen Völkern die Bastarnen (S. 153 ff.) behandelt werden, die P. (S. 24) nicht als Germanen ansehen will. Die ausführliche Darstellung der Verhältnisse in den neuen und alten Provinzen an der unteren Donau sei erwähnt, da dieses Gebiet später zum Schauplatz wichtiger Ereignisse der Völkerwanderung wird.

Bis zum Beginn der jüngeren Stammesgeschichte führt F. Tischler < 647>, der annimmt, daß die nach dem eingehend behandelten umfangreichen Grabfeld Fuhlsbüttel (heute Stadtgebiet Hamburg) benannte Fundgruppe im 3. Jh. im Sachsenbund aufgeht, als dessen Kern er den Dithmarscher Kreis betrachtet. Die Ansicht A. Plettkes, daß der elbgermanische Kreis noch Ostholstein eingeschlossen habe, läßt sich angesichts der Seltenheit der Mäanderware in diesem Gebiet nicht mehr aufrecht erhalten. M. Lintzel < 648> verteidigt in seinen neuen Sachsenstudien die Überlieferung des Sachsennamens bei Ptolemäus gegen U. Kahrstedt; die Gleichsetzung von Chauken und Sachsen durch K. und K. Tackenberg scheint ihm durch die Bodenfunde nicht hinreichend gestützt. -- Der Ort des Kampfes zwischen Valentinian I. und den Alamannen im Jahre 368, Solicinium (Ammian 27, 10, 8), wird von L. E. J. Schmid < 686> wieder auf Sulz a. N. gedeutet, ohne daß die von F. Hertlein (Die Römer in Württemberg 1, 1928, S. 181f. m. Anm. 2) für Sülchen angeführten Gründe entkräftet würden;


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die gelegentlichen Erklärungen von Namen wie Solicinium, Agri Decumates, Alamannen sind unwissenschaftlich. -- Zu dem in einer norwegischen Runeninschrift des 5. Jh.'s gelesenen Baiernnamen nimmt L. Schmidt < 651> in ablehnender Weise Stellung, während J. Striedinger < 482> die Deutung M. Olsens günstiger beurteilt. Wenn Schm. eine Niederlassung der Markomannen- Baiern nach 451, auf dem Rückweg zum Attilazug nach Gallien, vermutet, so erscheint dies schon deshalb zweifelhaft, weil die Grabfelder der Baiern erst Mitte des 6. Jh.'s einsetzen. Die Baierntheorie von Th. Steche < 650> ist an späterer Stelle (S. 245) zu erwähnen.

Die umfassend angelegte Untersuchung von Schenk Graf von Stauffenberg < 682> über die Germanen im römischen Reich schließt mit dem Überblick über die oströmische Entwicklung, die zur blutigen Ausschaltung des germanischen Einflusses auf die Heeresleitung führt. St. stellt dem die Haltung der (meisten) Kaiser von Konstantin bis Theodosius I. gegenüber, hinter der er -- ob mit Recht? -- den schöpferischen Gedanken vermutet, »der Verrottung des Reiches zu steuern und die in Entkräftigung absterbende Gesellschaft zu erneuern aus dem kostbaren und unverbrauchten Blute des nordischen Fremdvolkes«.


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