a) Allgemeines.

Die Ausführungen von F. Murawski, der in Volk im Werden (Jg. 5, S. 186--196) die Frage »Einheit des Mittelalters?« verneint und die Spannungen im MA. hervorhebt, bringen dem Fachmann nichts Neues. Einen interessanten Versuch legte H. Rall < 2563> vor. Ausgehend von der Feststellung, daß das Geschichtsbild doch immer von dem


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betrachtenden Subjekt her gefärbt wird, stellt er die Frage, wie weit das auch für das MA. zutrifft. Er gliedert dabei die Erscheinungen, welche er findet, hauptsächlich in stoffliche und in formale Gegenwartsreflexe, von denen die ersten weitaus den größten Raum in dem Buche einnehmen (aufgeteilt in Papsttum, sonstige Hierarchie, Reich, Stände und Nationalitäten). Daneben gibt es nach R. noch die »Umkostümierungen« der formalen Reflexe und zu ihnen rechnet er etwa das Christusbild im Heliand und bei Otfried. Mit diesem Hinweis ist der schwache Punkt des Buches aufgedeckt; es geht keineswegs in die Tiefe des Problems, in der ganz andere Einteilungsprinzipien sichtbar geworden wären, sondern beschränkt sich mit einer Stoffansammlung, die dem Verf. alle Ehre macht, aber doch keineswegs -- auch nach der Literaturbeherrschung hin -- vollständig ist.

Von allgemeingeschichtlichen Darstellungen ist nur die europäische Geschichte von 1198--1378 von C. W. Prévité-Orton < 763> erschienen, die mir aber noch nicht vorgelegen hat.

Die wichtigste Darstellung des Berichtsjahres zur deutschen Kaisergeschichte ist die Neubearbeitung von Hampes Kaisergeschichte < 762>, deren Vollendung nach seinem Tode Fr. Baethgen zu verdanken ist. Damit ist das beliebte Buch, das nachgerade veraltet war, wieder auf den Stand der Forschung gebracht. Bis in die Anfänge Friedrichs I. hinein hat Hampe noch selbst die Umarbeitung vollzogen; vergleicht man den neuen Text mit dem der früheren (seit der 2.) Auflagen, so gewinnt man einen tiefen Eindruck von dem rastlosen Weiterarbeiten an dem Stoff und von der Wandlung in der Auffassung und Beurteilung, die übrigens auch schon in den früheren Darstellungen Hampes (Herrschergestalten und Hochmittelalter) zu spüren war. Im großen ist allerdings die Auffassung dieselbe geblieben, aber im einzelnen entdeckt man doch spürbare Akzentverschiebungen, so etwa zum Schlechteren bei Heinrich IV., zum Besseren bei Lothar III. Es ist natürlich, daß sich Baethgen in dieser Hinsicht Beschränkung auferlegt hat. Aus dem Vorwort erfährt man, daß auch diese Kaisergeschichte noch nicht das Buch war, das Hampe als abschließend -- auch nach der künstlerischen Form -- vorschwebte. In der Tat ist das Buch mehr ein Leitfaden für Wissende -- und für diese eine Anregung zu ernstestem Nachdenken -- als ein Lesebuch für Laien, auf jeden Fall aber ein Denkmal eines von dem Bewußtsein tiefster Verantwortung gegenüber seinem Volke erfüllten Gelehrtenlebens. -- H. Günter < 764> erklärt die Gegensätze zwischen König und Fürsten vorwiegend aus dynastischen Motiven, nicht aus prinzipieller Abneigung gegen die Reichspolitik oder -- wie Schmeidler betonte -- aus geopolitischen Rücksichten. -- Für die neuerdings stärker berücksichtigten Gebetsformeln, die sich auf Kaiser und Reich beziehen, ist die Arbeit von L. Biehl < 2395> ein zuverlässiger Führer; sie bietet einen Überblick über die Stellen, in denen in der Liturgie der Herrscher genannt wurde (Meßkanon, Votivmessen, Stundengebet usw.). -- Wenig Neues bietet die Dissertation von C. v. Harff < 774> über den Kaisergedanken in der Ottonenzeit; sie lehrt höchstens, daß man bei der Verwertung geläufiger geistlicher Phrasen vorsichtig sein muß. -- Beachtenswert ist dagegen die Arbeit von A. Wrackmeyer < 723b>, welche eine Fülle von Beinamen europäischer Herrscher von Alarich bis Johann ohne Land zusammenstellt und zu dem nachdenklichen Ergebnis kommt, daß das Fehlen von Beinamen der deutschen Könige (außer Otto I.) doch wohl mit mangelnder Volkstümlichkeit infolge zu weitgespannter politischer Ziele und Tätigkeit zusammenhängen müsse.


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Landschaftlich begrenzte Fragen behandeln drei Arbeiten. P. E. Hübinger < 807> skizziert die Beziehungen des oberlothringischen Gebiets und Herzogtums zum Reich, mit reichen Literaturangaben, aber mehr als Forschungsaufgabe. Das Buch von M. Beck und H. Büttner < 808>, im Zusammenhange mit dem 3. Bande der Germania pontificia entstanden, findet seine Einheit in der ostwärts gerichteten Grenzlage der Bistümer Würzburg und Bamberg, die sich darin ablösten. In Becks Beitrag ist für die Geschichte der Kaiserzeit beachtenswert der Abschnitt über Benedikt VII. und die »Missionsanstalt« in SS. Bonifacio ed Alessio auf dem Aventin, auf die er gelegentlich des Bischofs Hugo I. von Würzburg (983--990) zu sprechen kommt. Büttner bestreitet gegenüber v. Guttenberg, daß die Gründung des Bistums Bamberg in erster Linie aus Bedürfnissen der inneren dynastischen Politik gegen die Schweinfurter Markgrafen entstanden sei; er erklärt sie aus der Absicht, der seit dem Ende des 10. Jh.'s in dieser Gegend »mit großem Nachdruck neu einsetzenden Kolonisation« einen Mittelpunkt zu schaffen. In das nordöstliche Kolonisationsgebiet führt uns das Buch von A. Brackmann < 777>, in dem seine früheren Arbeiten über die Gründung des Erzstifts Magdeburg zusammengefaßt, vertieft und -- im einzelnen sorgfältig belegt -- bis etwa 1200 fortgeführt sind. Beachtung verdient die beigegebene Kartenskizze über den Umfang des Magdeburger Territoriums bei Wichmanns Tod von K. Flügge.


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