d) Staufer.

Zur Kulturgeschichte der Stauferzeit ist das Buch von H. Fiedler < 802> wegen seiner Problemstellung grundsätzlich beachtenswert, wenn auch die vorgetragenen Lösungen mannigfachen Bedenken begegnen. F. möchte künstlerische Denkmäler näher an die politische Geschichte heranrücken. Er deutet die gotischen Dome von Bamberg und Magdeburg als Äußerungen des staufischen Reichsgedankens, weil ihre Bauherrn Anhänger der staufischen Partei waren, den Bamberger Reiter als Sühnemal für den in Bamberg ermordeten Philipp von Schwaben; das jüngste Gericht am Fürstenportal soll ebenfalls die Persönlichkeiten des Thronstreites darstellen und das Magdeburger Marktdenkmal einen staufischen König. Die Kunsthistoriker haben dagegen lebhaften Einspruch erhoben; der Historiker hat dazu zu bemerken, daß auch die über die historischen Vorgänge referierenden Abschnitte nicht immer auf der Höhe unserer Kenntnisse stehen, sodaß also auch hier Zurückhaltung am Platze ist. -- Das Buch von L. A. Winterswyl über den Ritterstand < 801> zeigt dieselben Merkmale unbekümmerter Benutzung von fremder Arbeit wie dasjenige über Otto I. und kann nur als popularisierende Verallgemeinerung betrachtet werden. -- Dagegen verdient das Buch von J. Evola, einem geist- und kenntnisreichen italienischen Denker, über die Graalssage < 2565> Beachtung, allerdings mehr der Sagenforscher als der Historiker. Er deutet sie als Niederschlag der Auseinandersetzung nordischen Geistes mit dem Gedanken eines Weltimperiums und rückt sie in das Lager der Opposition gegen die kirchliche Hierokratie. -- Kulturgeschichtlich gerichtet ist auch der Versuch von H. Benary < 787>, eine Bilanz der Kreuzzugszeit zu ziehen, was allerdings auf so knappem Raum kaum gelingen konnte. Der Aufsatz von T. S. R. Boase < 786> war mir nicht erreichbar.

Die Wiederkehr des Todestages Lothars III. hat zwei Bücher über ihn veranlaßt, die für die Forschung allerdings beide keinen Ertrag abwerfen. Das Buch von R. Schneider < 789> bietet das herkömmliche Bild Lothars und hat seinen Schwerpunkt in der sprachlichen Gestaltung, gehört also mehr der schönen Literatur an. -- Dagegen erstrebt F. Lüdtke < 788> eine Rettung des von den bösen oder verblendeten Historikern bisher verkannten und schlecht behandelten Sachsenkaisers. Um seine Umwertung begreiflich zu machen, holt L. weit aus; fast die


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Hälfte des Buches dient der Begründung seiner Ansicht von dem Verhängnis der kaiserlichen Italienpolitik. Aber die alte Sybelsche Melodie wird für unser Geschichtsbild nicht brauchbarer dadurch, daß sie hier mit Hilfe des nordischen Gedankens neu harmonisiert wird, und die allzu unbekümmerte Gleichsetzung von sächsisch und nordisch ist wenig geeignet, eine gesamtdeutsche Geschichtsauffassung, wie wir sie brauchen, zu fördern. Denn diese Umwertung wird doch nur mit einer Kasuistik erzielt, die bedenklich an jene Lehre von dem Zweck, der die Mittel heiligt, erinnert. »Die Rompolitik der Kaiser und als ihre Folge die Zerrüttung des Reiches hatten das innerlich unmögliche Bündnis zwischen artgetreuem Sachsentum und artfremder Hochkirche zuwege gebracht« -- nur zu dem Zwecke, den gemeinsamen Gegner Heinrich V. zu Fall zu bringen (S. 96). Das Ergebnis ist ein Bild von Lothar dem Sachsen, dem die Historiker zu Unrecht Kirchlichkeit angedichtet haben (Petrus diaconus weiß es besser!), dessen Ziel die Schaffung eines »großen Oststaates« war, dem es in seinen Beziehungen zum Papste nur auf die Sache, nicht auf die Form ankam, der das erstemal nach Italien ging, um Geld zu bekommen -- »er brauchte nicht einmal den Lehnseid zu leisten« (S. 145) --, das zweitemal, um die Nachfolge Heinrichs des Stolzen zu sichern usw. -- Der Vortrag von W. Grosse < 790> ist dankenswert wegen der -- durch eine Stammtafel verdeutlichten -- Mitteilung einer Hypothese des verstorbenen Harzforschers G. Bode, wonach Lothar der Familie der Walbecker Grafen angehört. Bewiesen ist das allerdings nicht, und ein schwerer Einwand gegen die von Bode rekonstruierte Genealogie, der mit Grafschaftsrechten im Harzgau usw. arbeitet, ist es, daß Thietmar von Merseburg das Verbindungsglied, das die Beweiskette schließen würde, nicht kennt, obwohl er doch sonst über die Mitglieder seiner Sippe recht gesprächig ist. Aber erwägenswert ist die Vermutung auf alle Fälle.

Zur Geschichte Friedrich Barbarossas liegen mehrere Arbeiten vor. Die italienische Biographie von E. Momigliano < 791> ist allerdings ein typisches Literatenprodukt und für die Forschung so unbrauchbar, wie die vor einigen Jahren erschienene Biographie Friedrichs II. von demselben Verfasser <1933/34, S. 277>. Interessant an dem Buch ist nur die Auffassung, die Bejahung der Kaiserpolitik und das Abrücken von der nationalistisch ablehnenden Beurteilung, die Barbarossa im 19. Jh. in Italien gefunden hat. -- In etwas konstruierten Ausführungen, welche die Fortführung der augustinischen Geschichtslehre durch Otto von Freising sichtbar machen wollen, möchte E. F. Otto < 794> dartun, daß dieses Geschichtsbild des Historikers nicht eigentlich im Gegensatz stand zu Friedrichs germanisch betonter Auffassung von geschichtlichem und herrscherlichem Handeln, wie sie in seinem Briefe an den Oheim zum Ausdruck kommt. H. Pozor < 793> will die politische Stellungnahme Ottos von Freising zu den in seinen Werken geschilderten Dingen schildern, kommt aber nicht zu scharfen Ergebnissen, wohl weil er darauf verzichtet, die Beurteilung anderer Quellen vergleichsweise heranzuziehen. Aus W. Stachs Abhandlung < 2566>, die Gunthers Ligurinus mit seiner Quelle Otto und Ranewin vergleicht, ergibt sich eine leicht veränderte, vor allem das Deutsche mehr betonende Färbung der Reichsidee in der Zeit des späten Barbarossa; da beide Werke für den Kaiser bestimmt, also »höfisch« waren, ist das eine interessante Beobachtung. -- Das kurze Lebensbild Rainalds von Dassel von A. Diederichs < 792> bietet nichts Neues. -- Dagegen ist der Aufsatz von W. Schlesinger < 809>, der die Maßnahmen Friedrichs I. und Heinrichs VI. für die Schaffung und den Ausbau eines mitteldeutschen Reichsterritoriums um


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das Fichtelgebirge herum behandelt, ein wertvoller Beitrag zur deutschen Politik der Staufer.

Die wichtigsten neuen Erkenntnisse sind aber für die burgundische Politik gewonnen worden. Das Buch von H. Hirsch < 760>, hervorgewachsen aus der Notwendigkeit, Echtheitsfragen burgundischer Diplome Konrads III. zu klären -- eine größere Hälfte des Buches tut das mit gewohnter diplomatischer Meisterschaft --, ist hier besonders zu erwähnen wegen seines zusammenfassenden Abschnitts über die burgundische Politik der älteren Staufer (S. 123--61). Ein Aufsatz von F. Güterbock, Zur Geschichte Burgunds im Zeitalter Barbarossas (Z. f. schweizerische Gesch. < 817>) geht es mehr ins einzelne, bringt auch noch einiges unbekannte Material (so ein Diplom Friedrichs I. für das Kloster Clairefontaine und Stücke seines Sohnes, des Pfalzgrafen Otto) bei, stimmt aber in seinen Ergebnissen im großen mit denen Hirschs überein. Danach hat dieser dritte Reichsteil doch eine sehr viel wichtigere Rolle in Barbarossas Gesamtpolitik gespielt, als man früher annahm. Öfters als bisher bekannt (so auch 1173, Güterbock) war der Kaiser in dem Erblande seiner Gemahlin, sein erfolgreiches Hauptbestreben ging dahin, die Kirche -- Erzstifter und Hochstifter -- zur Stütze seiner Herrschaft zu machen, wobei er sich des Lehnsrechtes und des hier zuerst -- noch vor Roncaglia -- scharf ausgeprägten Begriffs der Regalien bediente (Hirsch). Der Erzbischof Heribert von Besançon (1162--72) war ein Rheinländer und königlicher Kaplan (Güterbock), der verläßlichste Helfer des Kaisers in Burgund. Der Pfalzgraf Otto wurde nicht gleich nach dem Tode der Kaiserin 1184, sondern erst 1189 in das mütterliche Erbe eingewiesen.

Die italienische Politik Friedrichs I. berührt am Rande das Buch von A. Ragazzoni < 795>, dessen Schwerpunkt in der Schilderung der Wandlungen liegt, die das Bild Arnolds von Brescia in der Geschichtsschreibung durchgemacht hat. Einen wichtigen, die wirtschaftliche Seite der Italienpolitik aufhellenden Beitrag hat wiederum F. Güterbock < 796> geliefert, der mit Hilfe bisher unveröffentlichter Aufzeichnungen aus Piacenza die rigorose Verwaltung der kaiserlichen Vikare in den Jahren 1162--67 schildert.

Auch die Geschichte von Friedrichs großem Gegner Heinrich dem Löwen ist eifrig bearbeitet worden. An erster Stelle steht das große Buch von R. Hildebrand < 798> über den sächsischen »Staat« des Löwen. Zwar ist die Hauptthese des Buches von L. Hüttebräuker und K. Jordan mit Recht abgelehnt worden < 798>; sie ging dahin, daß das Herzogtum Heinrichs nicht, wie Weiland wollte, eine Wiederbelebung alter stammesherzoglicher Rechte erstrebte, sondern eine Summierung von -- territorial aufgefaßten -- Grafschaften sei. Das ist in dieser Weise unhaltbar, wie auch die schon auf Hildebrands These eingehende Dissertation von G. Läwen < 799> zeigte. L. macht mit Recht auf die Sonderstellung der Markengebiete im Kolonialland aufmerksam; er nimmt zwischen den Thesen Weilands und Hildebrands eine Mittelstellung ein und wird damit wohl das Richtige treffen. Gegen die wirtschaftsgeschichtlichen Partien in Hildebrands Buch hat F. Rörig < 800> Stellung genommen und gegen sie und L. v. Winterfeld seine Auffassung von der Gründung Lübecks in ihrem Zusammenklang von kaufmännischem Unternehmungsgeist und fürstlich-fiskalischem Interesse näher erläutert. Ohne Zweifel ist von Hildebrand vieles verzeichnet; auch auf flüchtige Arbeitsweise trifft man bei näherem Nachprüfen oft genug. Trotzdem hat das Buch, besonders wegen seiner Verarbeitung einer ausgedehnten Lokalliteratur,


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seine Verdienste und wird in jeder weiteren Arbeit über die innere Politik des Löwen zu berücksichtigen sein.

Der Aufsatz von E. Pfeiffer < 804> über Richard Löwenherz ist ohne Bedeutung. Dagegen ist das Buch des Amerikaners C. T. van Cleve über Markward von Anweiler < 805a> ein recht erfreulicher und gründlicher Beitrag zu unserer Geschichtsliteratur. Die deutsche Forschung ist in erstaunlichem Umfange herangezogen (nur Perels' Erbreichsplan kennt C. nicht), das Urteil ist besonnen und die Darstellung flüssig. Die Dissertation über Heinrich von Kalden, den staufischen Reichsmarschall unter Heinrich VI. und Philipp von Schwaben, von K. Pfisterer < 803> war mir leider nicht zugänglich.

Zur Geschichte des Thronstreites ist in diesem Jahre nichts erschienen; die Arbeit von G. Doudelez < 805 b> behandelt ausschließlich die Politik Philipp Augusts gegenüber Flandern, die Auslösung der Gefangenen von Bouvines bis zur Freilassung des Grafen im Jahre 1226 durch den Vertrag von Melun. -- Für Friedrich II. ist wenig zu verzeichnen. Auch die erst nach zwanzig Jahren erschienene Dissertation des im Weltkriege gefallenen R. Fath < 805> war mir nicht erreichbar; sie stammt aus Hampes Schule und ist in dessen Schrift: Kaiser Friedrich II. in der Auffassung der Nachwelt (1925) als Materialsammlung erwähnt und verwertet. Das Büchlein von H. Stolte < 806> über den unglücklichen Kaisersohn Heinrich ist bestrebt, das bei E. Franzel entschieden zu kurz gekommene biographisch-psychologische Moment stärker zu berücksichtigen. Das ist auch geschehen; das Buch ist aber nicht ohne Flüchtigkeitsfehler und besonders sprachlich sehr pretentiös, so daß man es wohl mehr als einen darstellerisch-publizistischen Versuch bezeichnen darf. -- Ausgehend von der Interpretation einer Urkunde Friedrichs II. macht C. Krollmann < 810> es wahrscheinlich, daß das zögernde Eingehen der Kurie auf den Wunsch des Bremer Erzbischofs nach einem Kreuzzug gegen die Stedinger zu erklären ist dadurch, daß Hermann von Salza und der Orden, der in Bremen ein Haus besaß, für die Bauern eingetreten sind. -- Die Untersuchung von H. Kroppmann über die Ehedispensübung Innocenz' IV. < 797> endlich ergibt, daß der Papst sich zwar im Rahmen des geltenden Kirchenrechts bewegte, daß er aber unverkennbar das Ehedispensrecht dazu benutzte, die Sache der Staufer zu schädigen und das Königtum Wilhelms von Holland zu stärken, der seinerseits von diesem geistlichen Mittel für die Schaffung einer Anhängerschaft reichlich Gebrauch gemacht hat.


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