I. Bibliographie und Gesamtdarstellungen.

Der im Berichtsjahr zum Abschluß gekommene vierte Band des großen Schottenloher schen < 888> Werkes bringt die »Gesamtdarstellungen« und die »Stoffe«. Diese stellen gleichzeitig ein Sachregister zu den früheren Bänden dar und erschließen diese in der mannigfaltigsten Weise. Man findet hier dann auch solche Personen und Länder genannt, die in den früheren Bänden, weil sie nicht in die deutsche Geschichte gehören, keinen Platz finden konnten, z. B. Loyola und die einzelnen Päpste, ferner die außerdeutschen europäischen Länder, die hier in ihren Beziehungen zu Reich und Reformation behandelt werden. Der Band wird den Forschern auf den verschiedensten Gebieten ein willkommener Wegweiser sein. Ich erwähne etwa den Artikel »Bauernkrieg«, für den G. Franz seine Sammlungen zur Verfügung gestellt hat, »Carolina« für den Juristen, »Kirchenordnungen« für den Kirchenhistoriker, »Kunst« für den Kunsthistoriker, »Sprache« und »Volkslied« für den Germanisten.

Die letzte der »Gesamtdarstellungen«, die Schottenloher anführt, ist das »Handbuch der deutschen Geschichte« < 891>, dessen für uns in Betracht kommende


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Teile von Stadelmann und Paul verfaßt sind. Der Anteil Stadelmanns zeichnet sich durch Selbständigkeit des Urteils und manche neue Gesichtspunkte aus. Die einzelnen Ereignisse der Zeit werden allerdings mit sehr verschiedener Gründlichkeit behandelt. Die ganze Zeit nach 1530 wird nur ganz flüchtig dargestellt, um dadurch größere Bewegungsfreiheit an anderen Stellen zu gewinnen. Als solche kommen vor allem die Lage vor der Reformation und deren Ableitung aus dieser Lage, die Anfänge Luthers, insbesondere seine großen Reformationsschriften von 1520 mit Herausarbeitung der Idee des »Corpus Christianum«, der Wormser Reichstag von 1521, der Bauernkrieg, der Frühkapitalismus und sein Zusammenhang mit den politischen Mächten in Betracht. Im einzelnen hebe ich etwa noch hervor, daß die Reformation am »Reich« scheiterte, ähnlich wie die deutsche Erhebung am Anfang des 19. Jh.'s, daß das deutsche Volk schon vor der Reformation aufgebaut war, daß die Reformation als Aufgabe der Territorialstaaten bezeichnet wird. Die Quellen- und Literaturübersicht am Schluß bringt das Wesentliche in recht geschickter Auswahl. -- In dem von Paul gelieferten Abschnitt über die Gegenreformation und den Dreißigjährigen Krieg wird man, abgesehen von einigen Versuchen, rassische Einflüsse festzustellen, weniger neue Gedanken finden, dafür ist die Zeit aber mit größerer Gleichmäßigkeit behandelt. Vielfach kann der Verf. auf seinen eigenen früheren Arbeiten fußen, so bei der Beurteilung Gustav Adolfs und seiner Ziele. Das Urteil über Wallenstein ist etwas widerspruchsvoll. Die Literaturangaben beschränken sich auf das allerwesentlichste. Merkwürdig sind die langen Zitate über die Beurteilung Maximilians II., die man an dieser Stelle eigentlich nicht sucht.

In dem Werke der Dichterin Ricarda Huch < 890> über das Zeitalter der Glaubensspaltung wird man weniger den Versuch einer erschöpfenden Gesamtdarstellung der Reformationsgeschichte sehen dürfen, als eine Sammlung von Essays über einzelne Fragen, Ereignisse und Personen der Zeit, die die Verfasserin besonders anzogen. Man wird sich also nicht weiter darüber wundern dürfen, wenn gewisse Vorgänge und Tatsachen, die besonders der politische Historiker für wichtig hält, nicht erwähnt werden, dafür aber dankbar hinnehmen die geistvollen und inhaltreichen Betrachtungen, die die Verfasserin z. B. den Frauen der Reformationszeit, den Jesuiten, dem Aufstand der Niederlande, der Geldwirtschaft der Fugger, den Hexenverfolgungen und besonders deren Gegnern, der Frage der Toleranz, der Wissenschaft und der Kunst der Zeit widmet. Bei der Beurteilung der Persönlichkeiten macht sich eine gewisse Vorliebe für die einen, Abneigung gegen andre geltend. Doch gehören die Charakteristiken zu den interessantesten Teilen des Buches. Erfreulich ist die Wertschätzung Luthers, der auch in den späteren Partien des Werkes immer wieder auftaucht und zu den verschiedensten Fragen in Beziehung gesetzt wird. Sehr anregend sind die vielfach von der Verfasserin angewandten vergleichenden Charakteristiken. So werden Luther und Zwingli (S. 266 f.), Butzer, Melanchthon und Luther (S. 274), Karl V. und Luther (S. 323), Luther und Loyola (S. 327 f.), Kalvin, Luther und Loyola (S. 339 f.) in Beziehung zueinander gebracht. Im einzelnen fehlt es nicht an Ungenauigkeiten und Versehen; so wird z. B. Luthers Verhör in Worms (S. 164) auf den 19. März verlegt.

Es sei hier auch gleich der Arbeit von Małowist < 905> gedacht, der in großen Zügen die baltisch-skandinavischen Beziehungen oder besser die Beziehungen der Staaten, die an der Ostsee und dem Ostseehandel interessiert waren,


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durch das ganze 16. und 17. Jh. verfolgt. Während in den ersten Jahrzehnten des 16. Jh.'s wirtschaftliche Gesichtspunkte, besonders bei den Niederländern und den Hanseaten ausschlaggebend waren, treten in der zweiten Hälfte des Jh.'s politische Ziele in den Vordergrund, auch spielen jetzt die östlichen Mächte die Hauptrolle. In der Politik Gustav Adolfs möchte der Verf. dann aber wieder das wirtschaftliche Element stark betonen. Ein Hauptbestreben M.'s ist, auf die maßgebende Literatur zur Frage hinzuweisen und dabei auch auf Lücken der Forschung aufmerksam zu machen. Seine Kenntnis der deutschen Literatur scheint etwas unvollkommen zu sein, dagegen wird der deutsche Forscher ihm für die Hinweise auf das polnische und russische Schrifttum zur Sache dankbar sein.


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