IV. Der Dreißigjährige Krieg.

Auch in diesem Jahre sind es besonders die dreißiger Jahre, die die Forschung beschäftigt haben. Aus der früheren Zeit sind nur zwei Arbeiten zu erwähnen. Die Einleitung zu der Neuhofer schen < 927> Veröffentlichung bietet mehr als man erwarten sollte, indem der Herausgeber nach einigen allgemeinen Bemerkungen über die Fugger und ihre enge Verbindung mit den Habsburgern und den Mächten der Gegenreformation einen Bericht gibt über die Entwicklung der Fuggerzeitungen von den Tagen Jakob Fuggers an. Er schildert das Verhältnis der einzelnen Vertreter des Hauses zum Nachrichtendienst und geht auch auf die Persönlichkeiten der Korrespondenten und »Novellanten« ein. Insbesondere verweist er auf die Masse der Wiener Fuggerzeitungen (1568--1605), die noch nicht genügend ausgenutzt sind. Daß mit dem Jahre 1605 der Nachrichtendienst des Hauses nicht abbrach, beweisen die 57 Briefzeitungen aus den Jahren 1618--1622, die der Herausgeber in der älteren Registratur der Fuggerschen Stiftungsadministration in Augsburg gefunden hat. Ihr Verf. ist der Augsburger Friedrich David Schaller, seit 1612 Hofkammersekretär in Graz. N. bringt sie vollständig zum Abdruck und versieht sie mit erläuternden Anmerkungen. Sie geben ein recht lebensvolles Bild von den Zeitereignissen, die zur Kenntnis Schallers gelangten. Als Ergänzung fügt der Herausgeber noch acht Berichte eines Dr. Anton Schmittner aus Speier aus dem Jahre 1623 hinzu, dessen Briefzeitungen sich im Fuggerarchiv erhalten haben, allerdings nicht so frisch sind wie die Schallers. Die veröffentlichten Stücke stellen, wie N. nachweist, offenbar nur einen kleinen


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Teil dessen dar, was auch noch im ersten Drittel des 17. Jh.'s dem Augsburger Hause an geschriebenen Zeitungen zuging.

Ausgehend von den Bindungen Christians IV. an deutsche Verhältnisse (Mitgliedschaft im niedersächsischen Kreis, verwandtschaftliche Beziehungen, Luthertum, Plan des Ausbaus der dänischen Macht an den Mündungen der Elbe und Weser durch Gewinnung der dortigen Bistümer), von denen er den letzten Punkt für den maßgebendsten hält, verfolgt T. Christiansen (Die Stellung König Christians IV. von Dänemark zu den Kriegsereignissen im Deutschen Reich und zu den Plänen einer evangelischen Allianz 1618--1625. Diss. Kiel, 111 S.) hauptsächlich auf Grund des gedruckten Materials ganz ins einzelne die Politik des Königs in den Jahren 1618--25 und kommt auch dabei zu dem Ergebnis, daß die wirklich treibende Kraft der Wunsch gewesen sei, das Elbe-Weser-Gebiet zum Ausbau von Dänemarks Großmachtstellung zu gewinnen. Christian war aber nicht der Mann dazu, diese an sich großartigen Pläne durchzuführen, wurde auch, als er in den Krieg eingriff, mehr durch andre Mächte dazu getrieben. Seine Niederlage bereitete seinen Plänen für immer ein Ende.

Zwei kurz zusammenfassende Würdigungen Gustav Adolfs liegen vor. Hein < 928> gibt in seinem Vortrag einen klaren Überblick über Persönlichkeit und Leben des Königs mit eigner Durchdringung des Stoffes. Er steht dem König sehr sympathisch gegenüber. Dessen Ziel war stets der sichere Friede und die Freiheit des evangelischen Schwedens. Deswegen war die Rettung des evangelischen Deutschlands, die Gesundung des kranken Deutschlands, vielleicht auch ein Protektorat Gustav Adolfs über das evangelische Deutschland nötig. Den Gedanken, daß der König zur rechten Zeit für Deutschland gestorben sei, weist der Verf. zurück. -- Bowmann < 929> steht ungefähr auf demselben Standpunkt, doch ist sein Bestreben, vor allem die religiöse Entwicklung Gustav Adolfs und seine Bedeutung für die Rettung des Protestantismus und jeder geistigen Freiheit herauszuarbeiten. -- Zweien der großen Schlachten Gustav Adolfs ist das Buch von Rudert < 932> gewidmet. Sein Wert liegt in der gründlichen Benutzung des sächsischen Hauptstaatsarchives und der Flugschriftensammlung der Leipziger Stadtbücherei. Kritisch zu dieser Literatur Stellung nimmt der Verf. allerdings nur an einer Stelle, so daß nicht recht klar wird, in welcher Weise sie benutzt ist. Ferner berührt es etwas eigentümlich, daß die ganze Literatur über die Kämpfe um Leipzig, die nach dem Jahre 1914, in dem das Buch geschrieben wurde, erschienen ist, unberücksichtigt bleibt. Es wird also dem Leser überlassen festzustellen, inwieweit die Ergebnisse der Forschung Ruderts mit denen andrer übereinstimmen. Bei der Gründlichkeit der Studien des Verf. ist anzunehmen, daß er unsre Kenntnis im einzelnen vielfach berichtigt. Man wird kaum irgendwo so genaue Angaben über die Zusammensetzung der Heere in den Schlachten bei Breitenfeld 1631, Lützen 1632 und Breitenfeld 1642 finden und wohl auch nicht so wohlbegründete Mitteilungen über den Verlauf dieser Schlachten. Daneben werden wir in der Einleitung über das Soldatenwesen der Zeit und speziell über die sächsischen Rüstungen unterrichtet, ferner wird auch über die Schicksale Leipzigs zwischen den Schlachten gehandelt. Beigegeben sind dem gut ausgestatteten Werke eine Anzahl von zeitgenössischen Porträts und einige Photographien der Schlachtfelder in ihrer heutigen Gestalt.

Wir kommen nun zur wichtigsten Erscheinung, die das Berichtsjahr zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges gebracht hat, der deutschen Bearbeitung von


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Pekařs < 930> großem Werk über Wallenstein, 1630--1634. Es ist sehr dankenswert, daß dieses jetzt auch Nicht-Tschechen zugänglich geworden ist, doch handelt es sich nicht einfach um eine Übersetzung des tschechischen Werkes, sondern um eine Bearbeitung, in die auch die in den Jahren 1934 und 1935 erschienene Literatur eingearbeitet ist. Wir haben nun vor uns eine Darstellung der Tätigkeit Wallensteins in den Jahren 1630--34, die auf umfassendster Quellenkenntnis beruht und durch die Fülle der Einzelfeststellungen und die scharfsinnige kritische Sichtung des Stoffes überwältigt. Das Hauptergebnis des Verf. ist, daß das leitende Motiv Wallensteins von seiner Entlassung bis zu seinem Tode das Verlangen nach Rache an dem Kaiser und besonders auch an dem Kurfürsten von Bayern war und daß er stets bereit war, zu diesem Zwecke mit den Feinden des Kaisers in Verbindung zu treten. Die Übereinstimmung des Zieles brachte ihn mit den böhmischen Emigranten zusammen, deren er sich als Vermittler bediente. An irgendwelche reichspatriotischen Pläne des Feldmarschalls glaubt P. nicht, auch der Gedanke des allgemeinen Friedens diente ihm nur als Maske. Wenn seine Pläne nicht zur Ausführung kamen, so lag das in erster Linie daran, daß Arnim, auf den Wallenstein ein besonders großes Vertrauen setzte, sie absichtlich hemmte, weil er mit dem verräterischen Vorgehen gegen den Kaiser nicht einverstanden, kein Freund der Schweden, eher ein Anhänger des Gedankens einer dritten Partei unter sächsischer Führung war. Außerdem ließ es aber auch Wallenstein oft im entscheidenden Moment an Entschlußfähigkeit fehlen, wobei möglicherweise astrologische Momente mitbestimmend waren. P. ist überhaupt nicht der Meinung, nun alles an der Haltung Wallensteins restlos erklärt zu haben, manches bleibt dunkel, was aber mit dem widerspruchsvollen Charakter des Fürsten zusammenhängt.

Es ist begreiflich, daß Pekařs Auffassung nicht allgemeine Zustimmung gefunden hat. In scharfem Gegensatz zu ihr steht vor allem die von Schwarz < 931> sowohl in einer Besprechung des Pekařschen Buches wie in seiner eignen Dissertation entwickelte. Er hält von der ganzen älteren Wallensteinliteratur nicht viel, da sie weltanschaulich bedingt sei, entweder auf partikularistischem oder auf monarchisch-legitimistischem Standpunkt stehe. Er glaubt an die deutsche Reichs- und Friedensidee Wallensteins, die ihn in einen natürlichen Gegensatz zu Schweden brachte, außerdem erscheint er ihm als Gegner des politischen Katholizismus, wie er durch Maximilian von Bayern und die Beichtväter am Wiener Hofe vertreten war. Im einzelnen sucht er zu beweisen, daß Wallenstein 1631 keine hochverräterischen Pläne gehabt habe, daß die Verhandlungen, die er tatsächlich mit Schweden durch die Emigranten führte, vielmehr zum Ziele gehabt hätten, einen Teil der schwedischen Armee in seine Gewalt zu bringen, um dann gegen Schweden vorgehen zu können, was wohl reichlich hypothetisch ist. Wenn der Verf. behauptet, daß seine Auffassung der Politik des Jahres 1631 mit der Pekařs übereinstimme, so gibt er einzelnen Sätzen des tschechischen Forschers wohl eine zu weitgehende Bedeutung. Auch dessen Kritik macht er sich wohl etwas zu leicht. -- Einem Ereignis, das bei Pekař nur ganz kurz erwähnt wird, dem Prager Blutgericht von 1633, hat Seidler < 933> eine genauere Untersuchung gewidmet. Er macht zunächst genaue Angaben über die Fahnenflucht auf kaiserlicher Seite in der Schlacht bei Lützen, die verhinderte, daß diese mit einem Sieg der Kaiserlichen endete. Schon auf dem Schlachtfelde entschloß sich Wallenstein zur Bestrafung der Schuldigen, deren Einlieferung nach Prag dann sehr bald befohlen wurde. Der Verf. schildert das Gerichtsverfahren und den Verlauf des Prozesses, führt die


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Urteile an, handelt speziell über die Persönlichkeiten der verurteilten Adligen und geht schließlich auf das Benehmen jedes einzelnen bei der Hinrichtung ein. Im ganzen wurden 12 Offiziere und 5 Reiter an derselben Stelle hingerichtet, wo 1621 die Exekution der aufständischen Böhmen stattgefunden hatte. Diesmal aber war kein Tscheche dabei.

Eine lebendige Schilderung des Zustandekommens und des Verlaufs der Schlacht bei Nördlingen liefert Wulz < 934>, allerdings ohne jede Quellenangabe, ohne Auseinandersetzung mit den bestehenden Problemen und leider auch ohne eine Karte des Schlachtfeldes.

Die schwierigen Verhandlungen, die zwischen Frankreich und Schweden in den Jahren 1634--36 stattfanden, schildert Arnoldsson < 935> auf Grund eingehenden Studiums schwedischer und französischer Akten. Die Beziehungen Frankreichs zu den süddeutschen Ständen und die Versuche Schwedens, zu einem Frieden mit dem Kaiser und Kursachsen zu gelangen, gehen dem zur Seite. Der Abschluß eines Bundes zwischen den süddeutschen Kreisen und Frankreich in Paris im Oktober 1634, die »entente cordiale«, die Oxenstierna in Compiègne im April 1635 mit Frankreich schloß, und die zwischen ihm und dem französischen Gesandten St. Chamont im Februar und März 1636 in Wismar getroffenen Verabredungen bilden die Hauptetappen. Gelähmt wurde die Politik des Kanzlers durch das starke Friedensverlangen, das damals in Stockholm herrschte. Daß Frankreich die Verlängerung des Waffenstillstandes zwischen Schweden und Polen erreichte, genügte nicht, um Schweden zur Erneuerung des Bündnisses mit Frankreich zu veranlassen. Erst das geringe Entgegenkommen der Gegner bei den Friedensverhandlungen ließ schließlich doch die Anschauungen Oxenstiernas in Stockholm siegen, doch dauerte es noch bis 1638, bis ein neuer französisch-schwedischer Bund geschlossen wurde. Dankenswert ist, daß der Verf. die Ergebnisse seiner Studien am Schluß in einem französischen Resumé zusammengefaßt hat.

In den Mittelpunkt ihres Jahrbuchs < 936> hat die Arbeitsgemeinschaft der rheinischen Geschichtsvereine diesmal die Persönlichkeit Johanns von Werth gestellt. Zunächst gibt Krieger einen Überblick über sein Leben, würdigt ihn als genialen Reiterführer und als kaisertreuen deutschen Patrioten, glaubt auch seinen sogenannten Verrat von 1647 ausschließlich aus seiner Reichstreue erklären zu können. Zimmermann behandelt eine einzelne Episode aus Werths militärischer Laufbahn, die Eroberung der Feste Ehrenbreitstein im Jahre 1637. Kallen erläutert das in Farben wiedergegebene Wappen des Reichsfreiherrn. Schmitz-Dampfer legt dar, welche Rolle Heimat und Reich im Leben des Generals gespielt haben, Evamaria Hütte bringt einige Stellen aus Briefen Werths zum Abdruck, die einen Begriff von der Not und dem Elend des Dreißigjährigen Krieges geben, Zaunert macht Mitteilungen über die Legenden, die die Person des Freiherrn sowohl auf deutscher wie auf französischer Seite umsponnen und in der Dichtung bis in die Gegenwart ihren Niederschlag gefunden haben. Als Proben davon werden einige Kapitel aus Friedrich Carl Butz' Roman »Der schwarze Reiter« und aus dem 1937 in Köln aufgeführten Volksstück von Otto Thissen »Der Gineral vun Werth« abgedruckt. In loserer Verbindung mit dem General stehen die Aufsätze von Platzhoff über die Rheinpolitik Richelieus, von Textor über die französische Entfestigungspolitik des 17. Jh.'s als Mittel der französischen Rheinpolitik, der dieses Kriegsmittel vom Jahre 1635 bis ins 18. Jh. verfolgt, von Just über Ambrogio Spinola, unter dessen Fahnen


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Werth seine ersten kriegerischen Erfahrungen gewann, und von Hasenberg über die Politik der Reichsstadt Köln im Dreißigjährigen Kriege. Er zeigt, wie die Stadt durch ihre Neutralitätspolitik, die aber stets einen kaiserfreundlichen Charakter hatte, erreicht hat, daß sie während des ganzen Krieges keine feindlichen Soldaten in ihren Mauern gesehen hat. Am meisten Neues bietet wohl der Aufsatz von Kuske über das soziale und wirtschaftliche Leben Westdeutschlands im Dreißigjährigen Kriege, indem er nachweist, wie lebendig in diesem Gebiete Ackerbau und Handel, Handwerk und Industrie während des ganzen Krieges geblieben sind, wie auch neue Entwicklungen sich anbahnten. Allen Aufsätzen sind Literaturangaben beigefügt, zahlreiche Abbildungen und Kartenskizzen schmücken den wertvollen Band.


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