I. Forschungsinstitute.

In allen neugebildeten Arbeitsstätten der geschichtlichen Wissenschaften ist ein grundlegender Wandel gegenüber den bestehenden spürbar. Das eine typenbildende Forschungsinstitut, das allen anderen irgendwie in seinem Wesen, weniger vielleicht in seinen Methoden, Vorbild und Richtung gegeben hatte, die Monumenta Germaniae historica, hatte seine Tätigkeit in seinen Veröffentlichungen von Quellen und in der kritischen Durchdringung des Materials im Geiste einer vaterländischen Aufgabe -- Sanctus amor patriae dat animum --, aber ohne jede politische Zielsetzung und ohne Zusammenhang mit einer gegenwärtigen Aufgabe ausgeübt. Wenn, um ein beliebiges Beispiel aus der Tätigkeit eines anderen Instituts herauszugreifen, das Kaiser-Wilhelm-Institut für deutsche Geschichte in sein Arbeitsprogramm die Herausgabe der Briefe Karls V. und Kaiser Wilhelms I. aufgenommen hatte, so erkennt man lediglich aus dieser Zusammenstellung, daß irgendeine innere Beziehung dieser beiden Aufgaben zueinander nicht bestehen konnte. Mit der Gründung der Historischen Reichskommission im Jahre 1928 wurde ein erster Versuch unternommen, die Pflege der geschichtlichen Traditionen des Reiches in bewußter Zielrichtung einem Arbeitskreis zu übertragen. Daß diese Kommission sich als alleinige Aufgabe die Erforschung der Reichsgründung wählte, war an sich nicht ungeschickt; denn die Tatsache, daß die Bismarcksche Reichsgründung der ungeheuren Belastungsprobe von Weltkrieg, Umsturz und Weimarer Staat in seinem äußeren Zusammenhang sich gewachsen gezeigt hatte, war immerhin noch die einzige Grundlage, auf der sich eine geschichtliche Tradition der Weimarer Zeit aufbauen konnte. An dieser Feststellung ändert das Urteil, daß keine einzige der für den kurzen Zeitabschnitt ihres Bestehens doch recht umfangreichen Veröffentlichungen der Reichskommission <1930, 165; 1932, 1066; 1933/34, 1517; 1935, 1116> besonders glücklich ausgefallen ist, nichts. Das im Herbst 1935 neugegründete »Reichsinstitut für Geschichte


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des neuen Deutschlands« hat äußerlich die Aufgaben der Historischen Reichskommission übernommen; schon in seinem Namen bringt es zum Ausdruck, daß seine Arbeiten der Pflege der geschichtlichen Traditionen, die den Weg des nationalsozialistischen Deutschlands vorbereiteten, gewidmet sein werden. Knüpft das neue Reichsinstitut in der Auswahl seiner Aufgaben, die zwar nicht ausschließlich, aber doch im wesentlichen auf dem Gebiete der neuesten Geschichte liegen, an die überkommenen Formen an, so unterscheidet es sich in seiner Zielrichtung grundlegend von allen Instituten, die dem Lebenskreis der bürgerlichen Wissenschaft entstammen. Es verkörpert in den Formen der wissenschaftlichen Auseinandersetzungen den Aktivismus des Nationalsozialismus; in der Auswahl seiner Mitarbeiter hat es die Enge der reinen Fachwissenschaft überwunden, es hat durch dauernde persönliche Fühlungnahme in Gestalt von Arbeitstagungen und Zusammenkünften die innere Geschlossenheit seines Mitarbeiterkreises herbeigeführt; es hat seine Absichten und Arbeitsprogramme nicht vor der Öffentlichkeit verborgen, wie das sehr zu ihrem Schaden die Historische Reichskommission getan hatte. An dieser Stelle sei nur auf die verschiedenen programmatischen Reden ihres Präsidenten Walter Frank hingewiesen <1935, S. 141; 1937, 113>. In dem Rahmen des Instituts ist besondere Beachtung der Erforschung der Judenfrage gewidmet, einem Feld forscherlicher Tätigkeit, das bislang völlig vernachlässigt wurde <1936, S. 339; 1937, S. 361>. -- Im gleichen Jahr 1935 wurde das »Reichsinstitut für ältere deutsche Geschichtskunde« <1935, S. 216> gegründet, das zwar den Aufgabenkreis der Monumenta Germaniae historica erweitert hat, aber doch nicht die Forschungsgrundlagen auf dem Gebiete der ma.'lichen Geschichte grundlegend umzugestalten trachtet. In dieser Umwandlung und Erweiterung bestätigt sich die Erfahrung, daß, je stärker die Tradition eines wissenschaftlichen Instituts gegründet ist, desto weniger es von einer Umwälzung erfaßt werden kann. Die Dachorganisation aller landesgeschichtlicher Vereine ist ebenfalls nur unwesentlich geändert; vgl. die neue Satzung des »Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine« in den »Blättern f. dt. Landesgeschichte«, Jg. 84, 1938, S. 82 ff. -- Völlig neue Formen wissenschaftlicher Arbeit mußten auf dem Gebiete der Vorgeschichte, das erst recht eigentlich durch die Weltanschauung des Nationalsozialismus seine eigene Bedeutung erlangt hat, erstrebt werden <vgl. 1933/34, S. 247>. Eine Wissenschaft von der Vorgeschichte hat es schon lange vor dem Umbruch gegeben; zahlreiche Vereine, Institute und Anstalten hatten sich bemüht, das Material durch Ausgrabungen zu erschließen, es zu sammeln, zu sichten und bekanntzugeben. Der Nationalsozialismus hat erst diese Arbeiten über den Stand der Materialbeschaffung und Verarbeitung zu einem weltanschaulichen Fundament seiner Geschichtsschau erhoben. Die Aufgaben, die einem planmäßigen Einsatz wissenschaftlicher Kräfte hiermit aufgeschlossen wurden, sind von denen, die den Arbeitsinstituten für ma.'liche und neuere Geschichte gestellt sind, völlig verschieden. Auf dem Felde der Vorgeschichte ist die erzieherische und aufklärende Arbeit im Sinne G. Kossinnas und seiner Schule vordringlicher als Forschungs- und Organisationsfragen. Ein Reichsinstitut für Vorgeschichte als Forschungsstätte ist bisher auch nicht entstanden; die Richtung der weltanschaulichen Arbeit wird von der Hauptstelle Vorgeschichte bei dem Beauftragten des Führers für die gesamte weltanschauliche und geistige Erziehung der NSDAP. (W. Hülle, Der organisatorische Aufbau

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der deutschen Vorgeschichte im Rahmen der NSDAP. In: NS-Beamtenzeitung. Jg. 5. 1936, S. 820 ff.) bestimmt. Mit ihr in engster Verbindung und durch die Person ihres Leiters H. Reinerth als Bundesführer verbunden steht der »Reichsbund für deutsche Vorgeschichte«, der im Jahre 1934 aus der »Gesellschaft für deutsche Vorgeschichte« entstanden ist (Mannus, Jg. 26, S. 173 ff.).


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