III. 1789--1815.

Zur Geschichte des Ausbruchs der Revolutionskriege bringt die Schrift von G. Michon nichts wesentlich Neues: in der Hauptsache enthält sie die Wiedergabe der Reden, die Robespierre im Jakobinerklub gegen die Entfesselung des Krieges hielt < 1010>. Es ist immerhin bemerkenswert, wie entschieden der Verf., fußend auf den Ergebnissen der Forschungen von Jaurès und Mathiez, den Friedenswillen Wiens und die Schuld der Girondisten am Kriege betont. Der mit allen Mitteln einer gewissenlosen Propaganda arbeitenden Pariser Kriegspartei gegenüber blieb der Einspruch des Triumvirats Duport-Barnave-Lameth und des schließlich ganz isolierten Robespierre, der von dem Krieg die Aufrichtung einer Militärdiktatur fürchtete, wirkungslos. -- Die neuerdings vorgebrachte These, daß der Herzog von Braunschweig als Freimaurer das Heer bei Valmy habe kehrtmachen lassen, um der Freimaurerrevolution in Paris zum Siege zu verhelfen, weist E. Rosendahl mit der Feststellung zurück, daß der Herzog niemals Freimaurer gewesen ist < 1012>. An dem Mißerfolg des Zusammenstoßes -- der übrigens keineswegs, wie der Verf. meint, das letzte kriegerische Ereignis des Jahres 1792 war (Mainz, Jemappes!) -- war seine Unentschlossenheit, die noch


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durch die ängstliche Rücksichtnahme auf die Meinungen König Friedrich Wilhelms II. vermehrt wurde, schuld. Übrigens hätte wohl, wie Voges gezeigt hat, auch eine wirkliche Schlacht den Verbündeten keinen entscheidenden Sieg gebracht <s. auch die Untersuchungen von Ziekursch, 1935, 954>. -- Eine für weitere Kreise bestimmte Biographie des aus Straßburg stammenden Revolutionsgenerals Kleber legt J. Lucas-Dubreton vor < 1012 a; 1013 ist der Abdruck eines Kapitels aus 1012a>. Die vorrevolutionäre bürgerliche Tätigkeit des jungen Elsässers hat in den Jahren 1776 bis 1785 in merkwürdiger Weise den Dienst im österreichischen Heer unterbrochen. Den Mann, der so die feindliche Armee und ihre Taktik genau kannte, führte die Revolution rasch zu höheren Kommandostellen. Seine ersten Taten vollbrachte er 1793 in dem belagerten Mainz, wo er einen wichtigen Vorposten auf dem linken Rheinufer befehligte und sich im Kleinkrieg durch Kühnheit und Entschlossenheit auszeichnete. Wir treffen ihn dann zusammen mit Marceau in wechselvollem Kampf gegen die Vendéer, voll Abneigung gegen sie, nicht minder aber auch gegen die Pariser »Advokaten« mit ihren grausamen Rachegelüsten. Es folgte die Teilnahme an der Eroberung des linken Rheinufers und an den Vorstößen nach Deutschland in den Jahren 1795/96. In halber Ungnade ausgeschieden, holte ihn 1798 Bonaparte zurück und führte ihn mit sich nach Ägypten. Die beiden Männer haben sich auf die Dauer nicht verstanden, Bonaparte erkannte wohl die Tapferkeit Klebers an, hielt aber nicht viel von den geistigen Fähigkeiten dieses ungestümen Soldaten mit deutschem Akzent und Sitten, während andrerseits Kleber die heimliche Abreise des Oberkommandierenden nicht verwinden konnte. Ihm selbst war die undankbare Aufgabe zuteil geworden, das abenteuerliche Unternehmen im Orient weiterzuführen, er schien durch einen Räumungsvertrag Ruhm und Ehre zu verlieren, gewann sie aber durch den Sieg von Heliopolis und die Bezähmung Kairos wieder, um unmittelbar darauf durch einen fanatischen Araber ermordet zu werden. Für einen Feldherrn großen Stils fehlte ihm das nötige Selbstvertrauen.

Aus umfassenden Forschungen über die Emigranten im bayrischen und fränkischen Kreis teilt W. Wühr Verlauf und Ergebnis eines auf französisches Andringen von der preußischen Regierung durchgeführten Prozesses gegen eine unter englischer finanzieller Beihilfe in Bayreuth errichtete gegenrevolutionäre Geheimagentur mit, wobei er zugleich über Persönlichkeiten und legitimistische Umtriebe der einzelnen Angeklagten sich verbreitet < 1015>. -- Wir treffen in jener unruhvollen Zeit auch außerhalb des Kreises der französischen Emigranten auf zahlreiche politische Abenteurer. Über das Leben eines der bemerkenswertesten Männer dieser Art, des aus Preußen stammenden Karl Glave, berichten auf Grund seines umfangreichen, im Wiener Staatsarchiv aufbewahrten Nachlasses und anderer Akten aus Berlin und Wien A. F. Pribram und E. Fischer < 1026>. In Preußen als Beamter im letzten Lebensjahr des alten Fritz infolge seines maßlosen Vorgehens gegen die Memeler Kaufmannschaft gemaßregelt und Ende 1788 gar ausgewiesen, wandte er sich nach Polen, wo er nach Erwerbung eines Gutes den Namen Kolbielski annahm. Zeitweise als Agent Hertzbergs tätig, dann, nach dessen Sturz, in polnischem Dienste, trat er im Winter 1794/95 durch Vermittlung des Grafen Franz Dietrichstein mit Österreich in Verbindung: was O. Tschirch in seiner Geschichte der öffentlichen Meinung in Preußen <1933/34, 1375> über Glaves umfangreiche Tätigkeit als preußenfeindlicher Pamphletist in der Zeit des Baseler Friedens mitgeteilt hat, wird in der vorliegenden Biographie noch vielfach


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ergänzt. Es war die mangelnde Unterstützung durch Thugut, die den vielgewandten, unermüdlichen Mann dazu bewog, sich anderen Aufgaben zuzuwenden: er hat versucht, als Unternehmer Österreichs Industrie mit Hilfe englischer Maschinen zur Blüte zu bringen, er hat dann aber vor allem sich der Frage der Sanierung der Finanzen des Kaiserstaates zugewandt und es in der Tat erreicht, daß sich Kaiser Franz insgeheim von ihm beraten ließ. Doch das Sturmjahr 1809 führte ihn -- zu seinem Unglück -- wieder in gefährliche politische Unternehmungen. Als die Franzosen in Wien einrückten, blieb er dort als Spion zurück, bemüht um die Entlarvung österreichischer und die Gewinnung französischer Verräter, beteiligt wohl auch an Attentatsplänen gegen Napoleon. Gegen Ende des Krieges tauchte er im kaiserlichen Hoflager in Totis auf, wo er der auf Fortsetzung des Krieges drängenden Partei der Generale Hilfsdienste leistete und in ihrem Auftrage Verbindung mit Spanien anzuknüpfen suchte. Der rasche Friedensschluß vereitelte diese Pläne, und wenige Monate darauf wurde G. von der österreichischen Polizei verhaftet: daß seine Kritik an der Finanzgebarung das Staatsinteresse schädigte, war wohl kaum der Grund, sicherlich wußte er zuviel, und der Kaiser fürchtete vielleicht, daß ihn der Spion von 1809 dem Franzosenkaiser gegenüber kompromittieren könnte. Es ist jedenfalls der Kaiser selbst gewesen, der trotz der Fürsprache selbst des Polizeichefs Hager die Freilassung verweigerte. Voll Erbitterung hat G. um Freiheit und Recht gekämpft, während er zugleich die unfreiwillige Muße benutzte, um Utopien niederzuschreiben, in denen sich doch auch manche zukunftsreiche Ideen fanden: aus dem Abenteurer war ein Menschheitsbeglücker geworden. Seit 1813 in milder Haft in Leopoldstadt, erhielt er erst 1828 die Erlaubnis zum Aufenthalt bei Verwandten in Ofen, hier ist er 1831 gestorben: ein zweifellos hochbegabter Mensch, der bei allen offensichtlichen Schwächen nach Wirkung und Schicksal wohl verdiente, der Vergessenheit entrissen zu werden.

Noch bleibt eine Anzahl kleinerer Beiträge zur Geschichte der Zeit der Fremdherrschaft und der Befreiungskriege zu besprechen. E. Dard veröffentlicht einige Briefe, die Emmerich von Dalberg, der Neffe des Fürstprimas <vgl. 1936, 982>, der während des Krieges von 1806/07 Napoleon in seiner Eigenschaft als badischer Gesandter nach Polen gefolgt war, zwischen dem 26. April und 11. Juni 1807 an seinen Gönner Talleyrand richtete < 1047>. Sie enthalten hauptsächlich Nachrichten über gesellschaftliche Beziehungen der beiden Korrespondenten -- teilweise pikanter Art --, berühren aber auch die von Dalberg vermittelten Anknüpfungen Talleyrands an Österreich. -- In die norddeutschen Erhebungsversuche führen uns zwei Aufsätze. Sehr dankenswert ist die abschließende Darstellung der über dem späteren Zug Schills fast vergessenen ersten Unternehmung von preußischer Seite, die R. v. Katte auf Grund von Akten aus Berlin, Magdeburg und Wien und aus dem Katteschen Familienarchiv in Wilhelmsthal gibt < 1020>. Unter Führung des früheren Hauptmanns Friedrich Karl von Katte hatte sich eine seit langem heimlich geworbene Schar am 2. April bei Sandau gesammelt, die nach glücklicher Besetzung Stendals auf Magdeburg marschierte. Eine dringende Warnung von Berlin aus veranlaßte Katte indessen, den beabsichtigten Handstreich, der möglicherweise Erfolg gehabt, indessen kaum den erhofften allgemeinen Aufstand ausgelöst hätte, zu unterlassen und sein Freikorps aufzulösen. Eine kleine Anzahl der Teilnehmer geriet indessen doch in feindliche Hand: von ihnen sind 14 sicher, weitere 9 wahrscheinlich erschossen worden. Dem steckbrieflich verfolgten Katte


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gelang es, nach Böhmen zu entkommen, wo er in die schwarze Schar des Herzogs von Braunschweig eintrat. Eine Episode aus deren Zug durch Norddeutschland, nämlich die überraschende Möglichkeit zum Durchbruch nach der Nordsee, die sich ihr infolge des plötzlichen Rückzugs der Gegner bei Oelper bot, behandelt E. Rosendahl < 1019>. Auf Grund des späteren Verhaltens des westfälischen Generals Rewbel hält er es für wahrscheinlich, daß dieser infolge einer Weisung der mit dem Herzog verwandten Gemahlin Jérômes, Katharina von Württemberg, den Braunschweiger absichtlich entkommen ließ, wenn nicht gar -- was doch kaum anzunehmen ist -- Napoleon selbst dabei die Hand im Spiele gehabt hätte. -- Den Beziehungen Metternichs zu Napoleon geht C. de Grunwald in zwei Veröffentlichungen nach <1017, 1018; vgl. 1936, 952>. Einmal bringt er aus dem Wiener Archiv einen Teil der Berichte des damaligen Pariser Botschafters an den Minister Stadion aus den Jahren 1808/09 zum Abdruck. In der Hauptsache betreffen sie das von Metternich aufs schärfste verurteilte Vorgehen Napoleons gegen die Bourbonen in Spanien, das ihn in der Überzeugung bestärkt, daß des Kaisers Ziel die volle Suprematie über den Kontinent und der Friede daher auf die Dauer nicht zu bewahren sei. Daneben finden sich Nachrichten über die Politik Napoleons gegenüber Österreich und Rußland, über den Erfurter Kongreß, über die Opposition Talleyrands gegen das »système envahisseur« seines Herrn und über die kriegsfeindliche Stimmung in Frankreich (»Si la guerre n'est point désirée chez nous, elle est en horreur ici«). Der Bericht vom 18. Januar 1808 enthält Mitteilungen über die Pariser Mission des Prinzen Wilhelm von Preußen. Für die Beurteilung Metternichs ist eine Äußerung über die Ursachen des schnellen Sturzes der spanischen Dynastie und über die Bedeutung der spanischen Erhebung gegen die Franzosen bemerkenswert: »Tout gouvernement trouvera toujours dans les moments de crise de grandes ressources dans la nation; c'est à lui à les exciter et surtout à les employer; un seul exemple de vigueur bien dirigé par un souverain, et soutenu par son peuple, eût peut-être arrêté la marche dévastatrice de Napoléon.« In dem zweiten Beitrag wird die Haltung der beiden Männer zueinander seit dem Ende des russischen Feldzugs charakterisiert: hier sind Akten aus den Archiven in Paris und Berlin, so die Korrespondenz der französischen Vertreter in Österreich, Otto und Narbonne, verwertet. Der Verf. rühmt die klare und konsequente österreichische und europäische Politik des österreichischen Ministers, der zunächst aufrichtig eine Vermittlung zwischen Napoleon und seinen Gegnern anstrebte und später, als diese an des Kaisers hochfahrender Ablehnung gescheitert und Österreich selbst der Koalition beigetreten war, für den Fortbestand der Herrschaft Napoleons in Frankreich sich einsetzte. Daß als wichtige Quelle für die berühmte Unterredung im Palais Marcolini in Dresden neuerdings eine von Hanoteau veröffentlichte Aufzeichnung Caulaincourts vorliegt <1933/34, 1347>, ist dem Verf. entgangen. -- Von den Schriftstücken über die vergeblichen Versuche Bernadottes, im Winter 1813/14 den Hamburg haltenden Davout zur Kapitulation zu bewegen, die T. T. Höjer aus dem Stockholmer Hausarchiv abdruckt < 1022>, sind besonders Berichte eines Altonaer Vertrauensmannes des Adjutanten Bernadottes aus dem Dezember 1813 und dem Januar 1814 bemerkenswert, die einen Einblick in das Gewaltregiment des französischen Marschalls und in die deutsche Stimmung in Hamburg vermitteln. -- In knapper Form berichtet K. v. Olshausen über die Entwicklung der sächsischen Frage auf dem Wiener Kongreß und über die Haltung der sächsischen Bevölkerung < 1025; siehe 1933/34, 1371>. War

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für gewisse Kreise die volle Integrität des sächsischen Königreichs, wenn auch unter preußischem Szepter, das Hauptziel, so hat sich dann die Bevölkerung der an Preußen abgetretenen Gebiete verhältnismäßig schnell mit Abtrennung und Anschluß abgefunden. -- Eine eingehende Beschäftigung mit dem Aufbau und der Arbeitsweise des Wiener Kongresses setzt J. K. Mayr in den Stand, über Zustandekommen und Ausstellung der Schlußakte nach der rein aktenmäßigen Seite zu berichten < 1024>. Es hat mancherlei Komplikationen gegeben, ehe vier sich einander ablösende Kommissionen die Redaktion vollendet hatten, das Protokoll abgeschlossen, die Reinschriften hergestellt und von den verschiedenen Bevollmächtigten unterzeichnet, die Ratifikationen ausgetauscht und endlich ein Normalexemplar geschaffen und veröffentlicht war.


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