II. Zur Geschichte des Nationalsozialismus und des Dritten Reiches.

Als besonders wichtige Quellen zur Zeitgeschichte sind hier zwei größere Aufsatz- und Redesammlungen zweier führender Nationalsozialisten zu verzeichnen. Die von (dem am 24. Februar 1938 tödlich verunglückten) Th. von Trotha herausgegebene sehr reichhaltige Sammlung von Aufsätzen und Reden des Reichsleiters Alfred Rosenberg <vgl. 1933/34, S. 392; 1936, S. 309> hat nunmehr ihren Abschluß mit dem Erscheinen des dritten Bandes erreicht. In Ergänzung des ersten enthält er noch eine Nachlese von fast 200 Aufsätzen Rosenbergs, die in den Jahren 1921 bis 1932 während des »Kampfes um die Macht« im »Völkischen Beobachter« und anderen Zeitungen und verschiedenen Zeitschriften erschienen sind < 1421>. Ebenso ist von der Sammlung der Reden und Aufsätze des Reichsorganisationsleiters der NSDAP. Dr. Robert Ley den beiden Bänden, die eine Auswahl aus den Jahren 1933/35 enthalten, »Durchbruch der sozialen Ehre« <1935, S. 315> und »Deutschland ist schöner geworden« (Mehden-Verlag, Berlin 1936), ein weiterer Band mit 22 ausgewählten Reden und Aufsätzen des Jahres 1936 gefolgt < 1422>.

Im Berichtsjahre erschienen nur wenige Darstellungen über die Jahre des Kampfes der nationalsozialistischen Bewegung um die Macht. Die Erhebung vom 8./9. November 1923 mit ihrer Vor- und Nachgeschichte steht im Mittelpunkt von E. Ludendorffs Schrift »Auf dem Wege zur Feldherrnhalle« < 1413>, die er als eine der letzten noch kurz vor seinem Tode veröffentlicht hat. In diesem »Teilauszug« aus dem von ihm geplanten dritten Bande seiner »Lebenserinnerungen« gibt er Antwort auf die Frage: »Wie kam ich an die Spitze jenes Zuges, der zwischen Residenz und Feldherrnhalle am 9. 11. 1923 mittags unter dem schlagartig einsetzenden Feuer der Schutzpolizei ein so ernstes, aber doch so ehrenvolles Ende fand?« (S. 3). In kurzen Zügen führt er die Darstellung noch über den 9. November 1923 hinaus bis zu seiner Reichspräsidentschaftskandidatur (Frühjahr 1925), die er auf Hitlers Bitte übernahm. Wenn man auch bisher unbekannte politisch bedeutsame Einzelheiten vermißt, so geben doch die zahlreichen Zitate aus Ludendorffs damaligen Reden, Schriften usw., die teils in umfangreichen Ausschnitten der Darstellung selbst eingefügt, teils in vollem Wortlaut in einem besonderen Dokumentenanhang (in späterer Auflage noch um den Briefwechsel betr. das »Schlageter-Denkmal« vermehrt) veröffentlicht sind, dieser Schrift einen dokumentarischen Charakter.

Der schwere Kampf um das »rote Berlin« bildet den Inhalt des von den beiden SA.-Führern J. K. von Engelbrechten und H. Volz im Auftrage der Obersten SA.-Führung gemeinsam verfaßten Buches »Wir wandern durch das nationalsozialistische Berlin« < 1423>. In diesem Werk, das aus eigenem Kampferlebnis und wissenschaftlicher Forschung erwachsen und bei dem größtmögliche Genauigkeit in allen Angaben, Daten und Zahlen angestrebt ist, wurde nicht die sonst allgemein übliche Form historischer Darstellung gewählt, sondern


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es bietet in »Baedeker«-Form eine nach Stadtteilen geordnete umfassende Zusammenstellung aller irgendwie bedeutsamen Kampf- und Gedenkstätten der nationalsozialistischen Bewegung in der Reichshauptstadt und ihrer näheren Umgebung. Bei besonders wichtigen Stätten und Ereignissen sind zur Belebung und Veranschaulichung des Textes, dem überdies noch 60 Abbildungen und 30 Kartenskizzen beigegeben sind, des öfteren Augenzeugenberichte, Reden führender Männer usw. abgedruckt. Eine ausführliche historische Einleitung über die Geschichte der NSDAP. und ihrer Gliederungen in Berlin sowie eine Zeittafel vervollständigen nebst einem Personen- und Sachregister den Inhalt dieses Buches.

Schließlich sei hier noch auf eine kleine Veröffentlichung von rund dreiviertelhundert Briefen des (am 3. Oktober 1933 auf einer Dienstfahrt tödlich verunglückten) Kreisleiters der NSDAP. in Landsberg und Weilheim, H. Gmelin, hingewiesen, die unter dem Titel »Briefe eines Kämpfers« (Heger-Verlag, München) erschienen ist. In den Briefen, die aus der Zeit vom September 1930 bis September 1933 stammen und an zwei dem Schreiber nahestehende Personen gerichtet sind, schildert dieser in anspruchsloser und gerade darum besonders eindrucksvoller Weise die Schwere des Ringens der NSDAP. um die Macht und die ersten Monate der nationalsozialistischen Revolution. Weil die Briefe aus dem unmittelbaren Erleben heraus geschrieben sind und daher die Stimmung jener Zeit unverfälscht widerspiegeln, stellen sie eine beachtenswerte Quelle dar, auch wenn der Verf. in der Kampfzeit nicht an politisch führender Stelle stand.

Wie schon in den früheren Jahren, so erschien auch in diesem Jahre wieder neben dem offiziellen Parteitagsbericht <vgl. 1936, S. 311> ein Band des von Reichsminister H. Kerrl herausgegebenen und von K. Maßmann bearbeiteten reich bebilderten Prachtwerkes, der den »Parteitag der Ehre« von 1936 behandelt < 1424> und neben einer ausführlichen Schilderung der Einzelereignisse die Reden teils wörtlich, teils nur dem Hauptinhalt nach wiedergibt. -- Über A. Forster, »Das nationalsozialistische Gewissen in Danzig« < 1432>, vgl. 1936, S. 308 f.

Außerordentlich geringes gedrucktes Material ist bisher zur Lebens-, insbesondere der Jugendgeschichte des Führers vorhanden, über die er selbst in seinem Buch »Mein Kampf« nur wenig berichtet. Seine von R. Koppensteiner bearbeitete umfangreiche Ahnentafel < 1765> ist recht unzuverlässig; denn beispielsweise ist hier der Geburtstag seines Vaters und Todesort und -jahr seiner Mutter falsch angegeben (S. 39), unvollständig ist auch die Zahl seiner Geschwister (nur 2 statt 6; S. 123) usw.

Für die Geschichte des Dritten Reiches erschienen im Berichtsjahre mehrere größere Werke, die einzelne Jahre behandeln. Zunächst ist hier für das Jahr 1936 ein sehr stattlicher, wieder von U. Thürauf bearbeiteter Band von »Schulthess« Europäischem Geschichtskalender« < 1430> zu nennen, der zwar auch die übrigen europäischen und (entgegen seinem Titel) außereuropäischen Staaten berücksichtigt, dessen Schwergewicht aber durchaus auf dem Abschnitt »Deutsches Reich« ruht. Der Aufbau ist in seiner Dreiteilung der gleiche wie in den früheren Jahrgängen: Kalendarium der einzelnen Staaten, Völkerbund, Diplomatischer Anhang (der in die vier Abschnitte: Londoner Flottenkonferenz, Die Locarno-Frage, Nichteinmischung in den spanischen Bürgerkrieg, Dardanellenkonferenz in Montreux zerfällt). Neu ist dagegen die von


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R. Suchenwirth stammende kurze Jahresübersicht (»Zur europäischen Entwicklung des Jahres 1936«). Der Wert dieses Nachschlagewerkes könnte noch mehr gesteigert werden, wenn im Personenregister stets die Vornamen mitgenannt würden. Zusammenfassend kann man sagen, daß sich auch dieser Band ebenso wie seine Vorgänger durch große Materialfülle, Übersichtlichkeit und Sorgfalt in der Bearbeitung auszeichnet.

Von dem Standardwerk »Dokumente der Deutschen Politik«, das von dem Präsidenten der Hochschule für Politik P. Meier-Benneckenstein herausgegeben wird <vgl. 1935, S. 311; 1936, S. 310>, sind -- wieder von A. Friedrichs bearbeitet -- zwei weitere (bereits in dritter bzw. zweiter Aufl. vorliegende) Bände erschienen, die die Jahre 1935 und 1936 umfassen < 1428, 1429>. In ihrer Anlage entsprechen sie -- mit gewissen, durch die jeweiligen Jahresereignisse bedingten Abwandlungen -- den beiden ersten Bänden. Jeder Band enthält durchschnittlich 60 Dokumente, die fast alle in vollem Wortlaut und, nach Sachgebieten geordnet, jedesmal in chronologischer Folge abgedruckt sind. Jedem Abschnitt ist ein orientierender Überblick voraufgeschickt, der den Zusammenhang zwischen den Dokumenten herstellen soll. Das Sachregister (ein Personenregister wäre daneben sehr wünschenswert), das für alle vier Bände von 1933 bis 1936 in einem einzigen Verzeichnis zusammengefaßt wurde, ist jedem der Bände beigegeben und vermittelt dem Benutzer eine schnelle Übersicht; zu bemängeln ist jedoch, daß das Sachregister nur den Gesamtinhalt des jeweiligen Dokuments und nicht auch Einzelfragen berücksichtigt. Ebenso vielfältig wie die Art der Dokumente (Reden, Gesetze, Erlasse, amtliche Erklärungen und Mitteilungen, diplomatische Noten usw.) ist auch ihr Inhalt, der sich auf alle Gebiete der deutschen Politik bezieht (Außen-, Innen-, Rassen-, Wirtschafts-, Sozial-, Wehr-, Kultur- und Rechtspolitik) und in seiner Gesamtheit dem Leser ein umfassendes und eindrucksvolles Bild der wesentlichsten Ereignisse jedes Jahres gibt. In ihrer Art stellt daher diese Veröffentlichung eine einzig dastehende und für den Historiker unentbehrliche Quellensammlung zur Geschichte des Dritten Reiches dar.

Das Gegenstück zu diesem Dokumentenwerk bildet die ausgezeichnete »dokumentarische Darstellung des Aufbaues der Nation« aus G. Rühles Feder »Das Dritte Reich« <über Bd. 1--3 vgl. 1933/34, S. 387; 1935, S. 311; 1936, S. 310 f.>, deren vierter Band das Jahr 1936 zum Gegenstande hat < 1427>. Auch hier ist der riesige Stoff nach bestimmten Gesichtspunkten übersichtlich aufgegliedert und in 23 Einzelabschnitten ausführlich behandelt. Entsprechend den früheren Bänden hat der Verf. wieder in reichstem Maße den vollen Wortlaut oder Auszüge von den verschiedenartigsten Dokumenten (Reden, Aufrufen, Gesetzen usw.) in seine Darstellung eingefügt und ferner seinen Textteil durch einen rund 100 Seiten umfassenden Bildanhang (Dokumente, Ereignisse, Persönlichkeiten) ergänzt. Dieses auf wissenschaftlicher Grundlage aufgebaute Buch hat seine Bedeutung aber nicht nur als ein Werk, das zu fortlaufender Lektüre bestimmt ist, sondern mindestens ebensosehr auch als Nachschlagewerk; der Erfüllung dieser Aufgabe dienen nicht bloß ausführliche Inhalts-, Personen- und Sachverzeichnisse, sondern es bedeutet gerade in dieser Hinsicht auch eine begrüßenswerte Neuerung, daß in der umfangreichen Zeittafel immer auf die jeweilige Textstelle verwiesen wird, wo das betreffende Ereignis näher behandelt ist.


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Anläßlich der Vollendung der ersten vier Jahre des Dritten Reiches veröffentlichte der damalige Stellvertretende Pressechef der Reichsregierung A.-I. Berndt ein Werk »Gebt mir vier Jahre Zeit«, in dem er in fünfzehn Abschnitten unter Beigabe reichen Zahlenmaterials einen umfassenden und eindrucksvollen Überblick über die wesentlichsten Punkte des ersten Vierjahresplans, über den gewaltigen Umfang der Arbeit und der Erfolge auf den verschiedensten Gebieten gibt.

In dem großen, ursprünglich von M. Freund begonnenen und seit Band 3 von W. Frauendienst fortgesetzten einzigartigen Dokumentenwerk »Weltgeschichte der Gegenwart« <vgl. 1936, S. 311 f.> ist auch Deutschland ein Abschnitt gewidmet. Hatte der erste Band des Jahrganges 1934/35 die »internationale Politik« behandelt (u. a. Saarfrage und Deutschlands Erringung der Wehrfreiheit), so beschäftigt sich der zweite < 1426> mit der »Staatsform und Wirtschaft der Nationen«. Unter der Überschrift »Der deutsche Führerstaat« sind hier -- wie auch sonst ohne Quellenangabe -- die wichtigsten, durch erläuternde Zwischentexte verbundenen Dokumente über Hindenburgs Tod und die »Vollendung des Führerstaates« sowie über den »Umbau des deutschen Lebens« in verfassungsrechtlicher und wirtschaftspolitischer Hinsicht abgedruckt. Ein äußerst sorgfältiges Register erschließt den reichen Inhalt der ersten beiden Bände, denen als Ergänzung ein »Kalender der Weltgeschichte« < 1425> für den Zeitraum vom 1. April 1934 bis 31. März 1935 beigegeben ist. Der Verf. hat aber hier nicht nur in mühevoller Arbeit Tausende von Daten zusammengetragen, die er in mehr als 80 Abschnitte aufgeteilt hat (§ 1: Um die Gleichberechtigung Deutschlands, § 8: Saarfrage, § 41: Das Deutsche Reich, § 41a: Deutsches Volkstum in der Welt), sondern darüber hinaus in Form von Fußnoten für Reden, Gesetze usw. stets den genauen Fundort angegeben und damit für den Historiker ein wertvolles Nachschlagewerk geschaffen. Bei dem dritten Bande < 1426> (»Internationale Politik« 1935/36) hat sich der neue Bearbeiter W. Frauendienst auf zwei entscheidende Probleme der Weltpolitik beschränkt; neben dem »abessinischen Krieg und der Begründung des italienischen Imperiums« bildet der Abschnitt »Von der Begründung der deutschen Wehrhoheit zum Ende des Locarnovertrages« den Gesamtinhalt dieses Bandes, der sich -- abgesehen von dem neu hinzugefügten Quellennachweis und der Chronologie der Dokumente für die bisher erschienenen Bände -- in Aufbau und Bearbeitung den früheren Bänden anpaßt. Die fremdsprachigen Texte sind in deutscher Übersetzung wiedergegeben. Nach Stegemanns treffenden Worten ist dies Werk »nicht nur eine wohlausgewählte Sammlung von Dokumenten, die sich als eine Nachzeichnung des Geschehens darstellt, wie sie lebendiger nicht gedacht werden kann, sondern auch ein konstruktiver Beitrag zur Geschichtsschreibung der Gegenwart«.


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