I. Kartographie.

Das bedeutendste Ereignis des Berichtsjahres dürfte das Erscheinen der 1. Lieferung des »Atlas des deutschen Lebensraumes in Mitteleuropa« darstellen, den N. Krebs im Auftrage der Preuß. Akad. d. Wiss. herausgibt < 1434>. Es ist dies der erste Atlas, der sich von den Staatsgrenzen loslöst und den Volksboden als Grundlage der Begrenzung wählt. Die Karten erstrecken sich infolgedessen über 19 verschiedene Staaten und »reichen von Flandern bis zum Memelland und von Schleswig bis Südtirol«. Der Ost- und Westsaum können nun auf einen Blick erfaßt werden. Diese Raumweite bedingt jedoch mancherlei Schwierigkeiten für die Bereitstellung der Unterlagen. Der Atlas wird in 4 Teile gegliedert: Physische Beschaffenheit des Raumes, Kulturlandschaft, Bevölkerung nach Dichte, Sprache, Konfession und Berufszugehörigkeit, Kultur und Siedlung und historisch-politische Gliederung. Damit wird der Atlas zweifellos zu einer hervorragenden Grundlage der deutschen Raumgeschichte werden. Der Maßstab der meisten Karten ist 1 : 3_000_000. Die 1. Lieferung enthält die Karten Nr. 1 (Höhenschichten), 6 (Niederschlagsverteilung), 12 (Waldverbreitung), 27 (Bevölkerungsverteilung), 29 (Zu- und Abnahme der Bevölkerung 1870--1930) und 41 (Gaue, Marken und Herzogtümer im 10. Jh.). Die für die letzte Karte gewählte Methode beschränkt sich darauf, »jeden Ort, dessen Zugehörigkeit zu einem bestimmten Gau überliefert ist, in die Karte einzutragen«. -- Vom »Mitteldeutschen Heimatatlas« < 1446> sind Lieferung 3 und 4 erschienen mit raumgeschichtlich bedeutungsvollen Karten, so die Bodenkarte (2 a), die Bistümer und die Archidiakonate im 15. Jh. (14), die Territorialentwicklung: Thüringen um 1350, 1540 (18), 1680 und Anhalt (19), 1800 und 1809 (16), 1914/20, 1928, 1936 (20), Beispiele zur Baugeschichte der Eisenbahnen (36) und die Gewerbe 1882 und 1933 (40). -- Neben der Auswertung der Urkunden bilden die topographischen Landesaufnahmen der letzten Jahrhunderte eine heute in immer stärkerem Maße beachtete Quelle der Raumgeschichte. Freilich bleiben in jedem Falle Quellenwert und Inhalt dieser Karten zu prüfen. In zahlreichen Untersuchungen sind bereits die friderizianischen und späteren Landesaufnahmen Ostdeutschlands mit Erfolg benutzt worden. Nun wird auch die auslandsdeutsche Volksforschung auf die preußischen Landesaufnahmen des vorgelagerten polnischen Gebietes aus den Jahren 1753 bis 1806 an Hand einer Übersicht und Buntbildern von E. O. Koßmann < 1439>


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ausdrücklich hingewiesen. Wie wenig historisch wertvolle kartographische Unterlagen leider für einen großen Teil deutscher Städte vorhanden sind, zeigt K. Frings' »Entwicklung des kartographischen Stadtbildes von Aachen seit der Renaissance« wieder recht deutlich < 1447>. Darstellungen aus dem MA. gibt es nicht. In späterer Zeit herrschte 2 Jahrhunderte der anschauliche perspektivische Plan, der zu Beginn des 18. Jh.'s allmählich vom Grundriß-Plan abgelöst wurde. In der Übergangszeit versuchte man Grund- und Aufriß zu vereinen. Das 19. Jh. brachte die Katasterkarte. Sie wie die Separationskarte sind nicht nur von vielen Städten, sondern vor allem von den Dörfern vorhanden. Ohne Separationskarte wäre die moderne Siedlungsgeographie und entwicklungsgeschichtliche Kulturlandschaftsforschung schlechthin unmöglich. Ihr Vorhandensein hat die Ausbildung dieser beiden Zweige sogar erst veranlaßt. Für jeden, der Separationskarten verwendet, ist darum die Darstellung eines Fachmannes wie P. Stichling über die grenzrechtliche und grenztechnische Bedeutung und Entstehung der preußischen Separationskarten 1817--1881 recht willkommen < 1438>. Beachtenswert sind seine Ausführungen über die Entwicklung des Begriffs der bestimmten Grenze sowie über die Messungsverfahren und die Anfertigung der Separationskarten. Das Buch füllt eine Lücke. E. Reddersen weist in ihrer Zusammenstellung »Kartenmaterial zur Flurnamenforschung Südhannovers« auf den Wert der Flurkarten für die für Südhannover geplante Herausgabe eines Flurnamenverzeichnisses hin < 1442>. Zweifellos besitzt diese Übersicht auch siedlungsgeographische Bedeutung. Daß bei eingehender Beschäftigung ältere Karten ebenso über die Topographie, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte u. a. sprechen, zeigt die Betrachtung über die älteste Karte Angelns von O. Hartz < 1444>. Diese ist der Descriptio Cimbricae Chersonesi von Heinrich Ranzau aus dem Jahre 1597 beigegeben. In der Reihe der »Kartographischen Denkmäler der Sudetenländer« gibt heraus und übersetzt J. Fischer die zur Cusanus-Karte gehörige Descriptio Germaniae Modernae < 1436>. Den ungeheuren Vorsprung, den das Kurfürstentum Sachsen am Anfang des 18. Jh.'s in der Landesvermessung erzielt hatte, verdankt es allein der Arbeit des »Kgl. Poln. und Churfürstl. Sächs. Geographus« Adam Friedrich Zürner, der als Lebensarbeit eine allgemeine Landes- und Poststraßenvermessung durchgeführt, einen Atlas von Kursachsen, den sog. Atlas Augusteus, herausgegeben und endlich die Errichtung der kursächsischen Postsäulen übernommen hatte. Sein Lebenswerk umreißt Rechtsrat Schulz < 1445; Schluß in Mitt. d. Roland, Jg. 23, 1938, S. 23--25>, während E. Günther die Stammliste dieses großen Kartographen in denselben Mitt. d. Roland beisteuert. Eine inhaltliche Deutung der 1830 im ehemaligen Benediktinerkloster Ebstorf in der Lüneburger Heide gefundenen Weltkarte gibt H. Karstens im Geogr. Anzeiger < 1435>. Diese Karte stammt aus der zweiten Hälfte des 13. Jh.'s und dürfte das Werk eines niedersächsischen Autors sein, das ähnliche Arbeiten dieser Zeit als »Weltbild« überragt. W. Konczyńska veröffentlicht einen Brief Sebastian Münsters an den polnischen Palatin Stanislaus von Lasko < 1437>. Sie erläutert die politischen und persönlichen Hintergründe, die zu diesem im Hinblick auf die Neuauflage von Münsters »Cosmographia Universalis« geschriebenen Briefe geführt haben. Dieses Werk des großen deutschen Geographen leidet im übrigen am Mangel einer unmittelbaren Landeskenntnis. Unter den polnischen Arbeiten zur Geschichte der Kartographie seien noch K. Buczek und B. Olszewicz erwähnt.

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Buczek stellt unter den Schlesiern in der polnischen Kartographie des 16. Jh.'s W. Grodecki, M. Ambrosius und M. Strubitsch besonders heraus. Er fügt zwei Kartenproben von Grodecki und Strubitsch bei < 1441>. Olszewicz gibt eine Zusammenstellung des Namenbestandes zweier Kartenskizzen von Pommerellen aus der Mitte des 15. Jh.'s, die im Kodex »Sędziwoja z czechła« des Fürstb. Czartoryskischen Museums in Krakau enthalten sind < 1440>. G. Zeller überblickt in der Revue d'Alsace einzelne Besprechungsurteile über Karten aus dem elsaß-lothringischen Atlas des Frankfurter Instituts mit dem Ziel, den Atlas als politisch und unwissenschaftlich vor der elsässischen Heimatforschung anzuprangern <1936, 1391>.


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