II. Topographie.

Einen Beitrag zur Geschichte ostdeutscher Ämter bietet die anspruchslose Berliner Dissertation von H. Paech über das Amt Chorin <1936, 1407>. An Hand einiger nicht sehr deutlicher Skizzen gibt P. einen Überblick über die Geschichte des Amts bis zu seiner Auflösung 1839, seine Verwaltung, insbesondere die einzelnen Verwaltungsbeamten, seine wirtschaftlichen Grundlagen in ihren verschiedensten agrarischen und gewerblichen Zweigen und seine Amtsuntertanen in ihrer sozial-wirtschaftlichen Schichtung. W. Henkel untersuchte die Entstehung des Territoriums Lippe, seine Grundlagen und Bildungswege, die Rechtstitel der Landesherrlichkeit und die Festigung der Landesherrschaft <1936, 1426>. Die Edelherrn von Lippe tauchen seit der ersten Hälfte des 12. Jh.'s auf. Ihr Gebiet war ursprünglich ein Teil der Grafschaft des Comes Hahold um 1000. Dieser Teil kam dann zur Kirche zu Paderborn, von der er allmählich losgelöst wurde. Weitere Erwerbungen wurden später mit diesem durch die Einführung der Ämterverfassung und die Unteilbarkeit der lippischen Gebiete im »Pactum unionis« von 1368 zur festen Territorialgrundlage der Landeshoheit. Umgliederungen des Kreises Biedenkopf werden für G. Wrede zum Anlaß, in einem Vortrag den »historisch-topographischen Aufbau des hessischen Hinterlandes« zu untersuchen < 1487>. Nach einem Überblick über die geographischen Voraussetzungen und die Verkehrslage werden die politisch-historischen Ereignisse der Karolingerzeit besprochen. In ihr heben sich drei geschlossene Siedlungsgebiete voneinander ab: das Eder-, Lahn- und Salzbödetal, »die in ihrer politischen Orientierung der natürlichen Öffnung der Flußtäler folgen und untereinander in keinem inneren Zusammenhang stehen«. Die Grenzen der jüngeren Grafschaften und der kirchlichen Einteilung der gleichen Zeit decken sich weitgehend. Zeigt auch die Ämterbildung »weitgehende Beharrung alter und natürlicher Landschaftszusammenhänge«, so führte die Lage eines Landesteils an einer wichtigen Verkehrskreuzung zum Zusammenstoß aller beteiligten Nachbarn und weitgehender territorialer Aufsplitterung. Innerhalb von 2 Jahrhunderten gelingt »den Landgrafen die Durchsetzung ihrer Hoheitsansprüche in allen Teilen«. Die territoriale Vereinheitlichung brachte das 17. Jh., die verwaltungsmäßige Zusammenfassung erfolgte im 19. Jh. Über alle weiteren oder früheren Veränderungen hinweg bewahren Tracht und Mundart die gleiche Richtung wie die historisch-politische Entwicklung: »Sonderleben in den einzelnen Flußgebieten und Tendenz zu engerem Anschluß talauf- bzw. talabwärts.« Die als Stoßrichtung der französischen Ausdehnungspolitik nach dem Rhein bekannte Straße Metz--Saarbrücken--Homburg--Kaiserslautern--Worms--Mainz ist Gegenstand einer territorial-topographischen Betrachtung von F. Hellwig <1936, 1428>. Kein Territorium entstand,


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das diese Straße ganz beherrschte. Die Römerherrschaft ließ eine nordsüdliche Verwaltungsgrenze durch diesen Raum gehen, und auch die geistliche Verwaltung zerschnitt ihn durch ihre Kirchenprovinzen. In den Teilungen des Karolingerreiches erfuhr die kirchliche Grenze ihre abermalige Festlegung als politische. Örtliche Herrschergeschlechter versuchten dann eine Überwindung dieser karolingischen Grenzziehung, unter denen später die Grafen von Saarbrücken besonders hervorragten. Ihre Seitenlinien blieben vorherrschend in der territorialen Entwicklung, doch ohne die Kraft zur Zusammenfassung zu haben. Auch der Pfalzgrafschaft war sie nicht eigen. Untersuchungen von besonderer Stoffülle liefert der um die historische Topographie Tirols hochverdiente O. Stolz in seiner »Politisch-historischen Landesbeschreibung von Südtirol« < 1509>. Der 1. Teil, Nordtirol, ist bereits 1923 im Archiv f. österr. Geschichte (Bd. 107) erschienen. Beide Teile sind aus der Arbeit am Historischen Atlas der österreichischen Alpenländer hervorgegangen. Diese Landesbeschreibung hat »die in örtliche Erscheinung getretenen Wirkungen des politischen Organisationstriebes zum Gegenstande, sie ist die Vereinigung von Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte einerseits und geschichtlicher Ortsbeschreibung andererseits«. Der allgemeine Teil stellt die verfassungs- und raumgeschichtliche Bildung der Landeshoheit der Grafschaft und des Landes Tirol und seiner Gerichte dar. Dann folgen die Beschreibungen der einzelnen Gerichte, die entsprechend den Vierteln und Kreisen des Landes in 4 Hauptteilen angeordnet sind. Die Gerichtsbeschreibungen sind gleich aufgebaut: Räumliche Lagerung und Einwohnerzahl um 1780, Anfänge der Besiedlung, Loslösung des Gerichtes aus der Grafschaft und Einfügung unter die Landeshoheit der Grafen von Tirol, hierbei Beziehungen zu den Urpfarren und Urmarken, den Burgen und Urbarämtern, Vergabung des Gerichts durch den Landesfürsten, Zugehörigkeit der einzelnen Orte zum Gericht, Bildung der Gemeinden und Grenzen des Gerichts. H. Schneider gibt ein Lexikon der Ortschaften der Provinz Westfalen bis zum Jahre 1300 nach urkundlichen Zeugnissen und geschichtlichen Nachrichten <1936, 1427>. Mit dem Jahre 1300 hört in Westfalen im großen und ganzen die positive Siedlungsperiode auf. Nicht einbezogen sind die Kreise Siegen und Wittgenstein, da sie bereits von anderer Seite bearbeitet sind. Für jeden Ort sind folgende Daten zusammengestellt: Zugehörigkeit zu Landgemeinde bzw. Kreis für 1931, erstes Vorkommen des Namens, seine wichtigsten Formen bis 1300, Besitzer des Ortes, erste Erwähnung der Kirche, des Geistlichen und Adligen, Literaturangaben. In seinen »Beiträgen zur historischen Geographie des Ostbaltikums« < 1518> klärt C. v. Stern drei strittige Fragen: 1. Der in der Livländischen Chronik des Chronisten Heinrich fürs Jahr 1215 genannte Portus novus in Osilia ist der Zerelhafen auf Oesel. 2. Mit Hilfe einer Urkunde vom 17. März 1226 läßt sich die topographische Bestimmung des in den Urkunden des 13. Jh.'s und beim Chronisten Heinrich genannten Hafens der Semgallenfahrer (portus Semigallorum) durchführen. 3. Wird versucht, das eigenartige Landschaftsbild des bei der Aufteilung des Bistums Semgallen 1254 genannten Langen Holmes und der Bolder-Aa als Produkt der Naturgeschichte und politischen Geschichte zu verstehen. Der leider zu früh verstorbene W. Vogel setzt sich in den Hans. Geschichtsbll. mit dem Buch »Wo lag Vineta?« von R. Hennig auseinander < 1463>, von dem er sagt, daß es besser ungedruckt geblieben wäre. Verkehrsgeographische Erwägungen und

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Feststellungen können die Frage nach der Lage von Adams slawischem Handelsplatz nicht entscheidend lösen: klärend wirken können vielleicht geologische und archäologische Untersuchungen. Die 805 im Diedenhofener Kapitulare Karls des Großen erwähnten Orte lassen sich alle bestimmen -- sie bestehen heute noch -- bis auf einen, Schezla, in dem C. Schuchhardt das heutige Jeetzel bei Lüchow hinter dem Höhbeck vermutete. H. Wiesner tritt demgegenüber nach genauer Überprüfung der vorgeschichtlichen Tatbestände und urkundlichen Überlieferung für Scheeßel an der Wümme ein, obwohl es nicht in eine geradlinige Slawengrenze einbezogen werden kann < 1464>. Die urkundlich bezeugte Namensform, die frühe Erwähnung des Archidiakonats, der Gografschaft und Gerichtsstätte wie die Ereignisse des Jahres 804 sprechen jedoch dafür. In einer verdienstvollen Untersuchung verhilft Th. Steche wieder dem Erdkundebuch des Claudius Ptolemäus zu Ehren < 1451>. Das abfällige Urteil Müllenhoffs über diesen Geographen ist zugunsten des Urteils von Kaspar Zeuß zu verlassen, wie Steche durch Aufzeigung der ptolemäischen Fehler im Bilde Altgermaniens darlegen kann. An Hand der Besitzungen Karls IV. in Franken zeigt A. Welte in einem kleinen, aber geschlossenen Aufsatz geographische Leitlinien ma.'licher Erwerbspolitik auf, um beispielhaft zu überprüfen, »wieweit das dynastisch-territoriale Bestreben ausgerichtet war nach Einheiten natürlicher Siedlungsräume, nach Verkehrsbeziehungen, die zwar wechseln, in gewissen Hauptbahnen aber doch sich immer mit Vorliebe auswirken, nach wirtschaftlich bedeutungsvollen und deshalb begehrenswerten Örtlichkeiten, nach raumschützenden und raumbeherrschenden Linien und Punkten« < 1500>. J. A. Bendixen benutzt seine in der Südwest-Prignitz durchgeführten siedlungsgeographischen Studien < 1462> zu allgemeinen Feststellungen über »Verlagerung und Strukturwandel ländlicher Siedlungen«. Mit der Verfeinerung der siedlungskundlichen Methoden mußte die früher oft unbegründet gesetzte Konstanz der ländlichen Siedlungen für landschaftlich begrenzte Betrachtungen immer neu erwiesen werden, was jedoch häufig übersehen wird. B. zeigt, daß die Gemarkungsgrenze die größte Stabilität, die Gemarkungsflur aber eine weniger starke Beharrungstendenz aufweisen. Innerhalb beider kann der Ortsbering sich aus den verschiedensten Ursachen verlagern. Dabei macht er häufig einen Strukturwandel durch. Dieser Vorgang ist von der Wüstung zu unterscheiden. In letzter Konsequenz führen dergleichen ortsstatistische Forschungen zur genauen Festlegung historischer Grenzen. Durch allgemeine Betrachtungen lassen sie sich selten genau finden. Aus dem Grenzsaum entwickelt sich die Grenzlinie. Dies zeigt auch H. Hirsch in seinem Vortrag über »Die Entstehung der Grenze zwischen Niederösterreich und Mähren« < 1511>. Von Natur aus hat Mähren die Rolle eines Durchgangs- und Mittlerlandes. Die Abgrenzung dieses Zwischenlandes war in dem Augenblick gegeben, als durch die Diözesangrenze Böhmen und Mähren zu einer Einheit zusammengeschlossen wurden. Eine Ödgrenze gegenüber der Ostmark hat nach Cosmas nicht bestanden. Im Laufe des 11. Jh.'s ist dann die südliche Grenze Mährens »vom Land im Norden der Donau bis an die Thaya vorgeschoben worden«. Trotzdem die deutsche Kolonisation über sie hinwegschritt, blieb sie doch erhalten, so daß hier politische und Volkstumsgrenze jahrhundertelang nicht zusammenfielen. H. Hirsch weist in diesem Zusammenhange auch auf H. v. Mitscha- Märheim hin < 1503>, der aus Flurnamen den Nachweis zu erbringen versucht,

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daß sich in diesen »deutliche Spuren der alten Abgrenzungen« erhalten haben, die es ermöglichen, das Gemärke zwischen Ost- und Böhmischer Mark mit einiger Wahrscheinlichkeit festzulegen. Von einer großräumigen Betrachtung aus versucht W. Geisler unter weitgehender Benutzung der Arbeiten von F. Petri den Grenzraum zwischen West- und Mitteleuropa festzulegen < 1453>. Er vermag über die bisherigen Erkenntnisse nicht vorzudringen. Zahlreiche Irrtümer sind untergelaufen. Im Gegensatz zu dieser Arbeit wird der Fortschritt in einer kleinräumigen Forschung liegen. W. Semkowicz gibt in dem Schlesien gewidmeten Sonderheft der »Baltic und Scandinavian Countries« einen Überblick über Namen, Umfang und Grenzen Schlesiens < 1474>. Es ist ein Auszug aus seinem Abschnitt der »Historja Śląska«. Für die Südgrenze Schlesiens versucht W. Latzke zu zeigen, »inwieweit die vornehmlich durch die Mährische Pforte und den Paß von Nachod bedingte Verbindung des Odergebietes mit dem March- und Elbegebiet die natürliche Südausdehnung Schlesiens, wie sie durch Grenzgebirge und Grenzwald gegeben war, bis zum Beginn des 13. Jh.'s beeinflußt und verändert hat« < 1477>. Dabei kann er auch auf die Zusammenfassung der bisher vorliegenden Urlandschaftsuntersuchungen im gesamtschlesischen Raum durch H. Schlenger hinweisen < 1475>.


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