VI. Burgen und Verkehr.

Seine Beobachtungen über »Burgen und Burgbezirke« im mitteldeutschen Osten stellt W. Schlesinger in der Festschrift


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zum 70. Geburtstag des um die Siedlungsforschung hochverdienten R. Kötzschke zusammen < 1478>. Das spärliche Material läßt die Vermutung zu, »daß bereits im 9. Jh. in den Außenbezirken des fränkischen Reiches eine verhältnismäßig festgefügte Burgbezirksverfassung bestand«. Auch östlich der Saale treten »Burgen in den Quellen schon frühzeitig entgegen«. Die Ungarneinfälle veranlaßten unter Heinrich I. die Anlage neuer Burgen. Leider lassen sie sich nicht mehr nachweisen, weder stadt- und verfassungsgeschichtlich noch durch die Burgwallforschung. Auch ihre Beziehungen zur Burgwardverfassung sind ungeklärt. Diese stellt ohne Zweifel eine durchgehende, auf deutscher und slawischer Wurzel erwachsene Landeseinteilung dar, der eine militärische Bedeutung zukommt. Über die Art der Befestigungen an den Burgwardmittelpunkten wissen wir allerdings nur sehr wenig. Als Gerichtsbezirk jedoch ist der Burgward für die ältere Zeit nicht nachweisbar, nur für die jüngere. Der Ausgangspunkt der Burgbezirksverfassung Ostmitteldeutschlands scheint in der Magdeburger Gegend gelegen zu haben. »Nur wenig Wahrscheinlichkeit besteht dafür, daß gewisse Anregungen hinsichtlich der Einrichtung der Burgwardverfassung aus England herüberkamen«. Der Verfall dieser Verfassung setzte östlich der Saale und Elbe um 1100 ein. Vom 12. Jh. an verschwinden die Burgwarde aus der Landesverfassung. Die diesem Aufsatz beigegebene Karte der »Burgwardmittelpunkte und frühen Burgen im mitteldeutschen Osten« von H. Quirin ist für die historische Topographie recht lehrreich. Die Erforschung der deutschen Burganlagen wird vom frühen MA. rückschauend die vor- und frühgeschichtlichen Anlagen und vorschauend die mittel- und spätma.'lichen Burgen zu erfassen haben. So zeigt Schlesingers Zusammenstellung recht eindringlich, wie notwendig es wäre, die ostdeutsche Burgwallforschung über das Stadium der bloßen Sammlung hinwegzuheben. Solange jedoch umfangreiche Grabungen nicht möglich sind, bleiben eingehende Verzeichnisse sehr erwünscht. H. Crome veröffentlicht daher eine übersichtliche Karte und ein Verzeichnis der vor- und frühgeschichtlichen Wehranlagen in Ostpreußen < 596>. Nach dem Grundriß zerlegt er die dortigen Burgwälle in drei Gruppen: Bergburgen, Zungenburgen und Zungenburgen in Bergburgart. Die Zungenburgen sind die »übliche Befestigungsart« der Altpreußen. Auf sie geht die überwiegende Anzahl der ursprünglichen Anlagen zurück. Auch über die in Ostpreußen vorhandenen Längswälle gibt Crome einen Überblick < 1455>. Er denkt ihn sich zugleich zur Anregung der weiteren Forschung. Wahrscheinlich sind Beziehungen der Längswälle zur Landesverteidigung der Ordenszeit. Wie sehr die Ringwallforschung auch in Westdeutschland noch in den Anfängen steht, zeigen die Ergebnisse der von W. Dehn und W. Kimmig am Ringskopf im Hochwaldgebiet durchgeführten Grabungen < 609>. Obwohl man hofft, daß die Hochwaldringwälle einmal helfen werden, die Beziehungen zwischen Kelten und Germanen zu klären, ist vorerst die These eines keltischen Grenzverteidigungssystems gegen die Germanen als sehr unsicher zu bezeichnen. »Die Vorgeschichte des Hochwaldgebietes tritt deutlich erst mit der Zeit der Hunsrück- Eifel-Kultur in Erscheinung.« Ihr gehört die Ringskopfanlage als Fluchtburg an. Fragen der Vorgeschichtsforschung und Volksüberlieferung verknüpft E. Christmann in seiner Untersuchung über die »Wotans- und Donarsberge in der Pfalz« < 1493>. Wie weit sind heutige Michelsberge einstige Wotansverehrungsstätten? Für einige wird dieser Nachweis geführt. Wahrscheinlich

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handelt es sich aber erst um fränkische Wotansverehrung und nicht schon eine frühere. Neue Gesichtspunkte in der ma.'lichen Burgenforschung legt W. Knapp in seiner Studie »Burgen um Meran« vor < 1510>. Er hebt sie aus der Isolierung stilkundlicher Betrachtung heraus und stellt sie in die Siedlungslandschaft. Er kann zeigen, daß sie zum Schutz von Hochsiedlungssystemen angelegt worden sind und sich aus Bauernsiedlungen entwickelt haben. »Diese Entwicklung findet in der Grundrißgestaltung der Burg ihren Ausdruck. Vom einfachen Turm in der Nähe des Hofes bis zu der aus der bäuerlichen Wirtschaft abstrahierten Dynastenburg weisen uns die Burgentypen die Geschichte vergangener Volksumbildung.« Gegenüberstellungen von Burglage, Typengrundriß und Flurform lassen sich z. Zt. noch nicht durchführen. Nicht nur in stilgeschichtliche, sondern auch in räumlich-politische Zusammenhänge stellt -- in künstlerisch sehr ansprechender Form -- W. Hotz die »Staufischen Reichsburgen am Mittelrhein« < 1494>. Der Ober- und Mittelrhein war das »Herzland des Reiches«. Es sollte unter Friedrich Rotbart »zur Mittellinie einer deutschen Reichspolitik« werden. »Zielbewußt umkreiste er (deshalb) das Land zu beiden Seiten des Stromes mit Reichspfalzen und Burgen seiner Gefolgsleute.« »Das Rittertum war der Willensträger staufischer Politik und hat darum seinen Geist unauslöschlich den Pfalzen und Burgen des ersten Reiches aufgeprägt.« Ziel und Wesen der staufischen Burgen sind nur aus diesen Zusammenhängen zu verstehen. Aus doppelter Wurzel, dem karolingischen Königshof und der nachkarolingischen Ritterburg, hat sich der Typ der staufischen Kaiserpfalz und Reichsburg entwickelt. »Durch die Einheitlichkeit im Aufbau des Reichsburgensystems -- Knapp betrachtet drei solcher Systeme: die pfälzische Vogesenlinie, das rhein-mainische Norddreieck und das Flußviereck von Main, Neckar, Jagst und Tauber -- und seiner formalen Durchgliederung« ist das Bestehen einer einflußreichen kaiserlichen Palastbauschule erwiesen. Eine Sonderuntersuchung des geschichtlichen Schicksals der Reichsfeste Trifels, der wichtigsten Feste des salisch-fränkischen Stammes, und besonders »der Hohenstaufen«, von 1081--1410 liefert G. Biundo < 1495>. Die Rheingaue stehen auch im Mittelpunkt der kriegs- und wirtschaftsgeschichtlichen Studie »Die Rheinbrücken im Altertum und Mittelalter« von H. Aubin < 1488>. Im technischen Vermögen und in den Ursachen des Brückenschlags spiegeln sich Charaktere und Entwicklungsstufen der Zeiträume. Die Römer als erste Brückenbauer am Rhein schlugen Brücken aus militärischen Gründen, die dann natürlich auch dem wirtschaftlichen Verkehr dienten. Mit dem Abschluß der Römerzeit trat eine vollständige Zäsur ein. Erst Karl d. Gr. hat dem Rhein bei Mainz wieder eine neue Brücke auferlegt. In der Stauferzeit entstand die erste ständige Wirtschaftsbrücke über den Rhein bei Basel. Militärischen Charakter besaß aber schon wieder die anderthalb Jahrhunderte nach der Basler errichtete Straßburger Brücke. C. Metz versucht noch einmal auf Grund seiner neuesten Grabungen und Beobachtungen die römische Fernstraße und das römische Straßennetz bei Wetzlar zu rekonstruieren < 695>. Er charakterisiert die verschiedenen römischen Straßentypen (Erdweg, Kies-, Schotter- und Pflasterstraße) und unterscheidet zwei Straßennetze bei Wetzlar, eins westlich der Stadt in der Flußebene von Lahn und Dill, das andere auf der Hochebene östlich Wetzlar im Finsterloh und Stoppelberg. Die alten Flurkarten als Grundlage seiner langjährigen oberhessischen Straßenforschungen hat K. Th. Ch. Müller

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gewählt < 1486>. Er ergänzte sie durch zahlreiche Urkunden, Akten und Prozeßschriften sowie durch eingehende Begehungen der festgelegten Straßenzüge. Im einzelnen bespricht er bei jeder Straße: den Straßenzug nach den Karten, die Namen der Straße, den Straßenzug im Gelände, geschichtliche Siedelungen und Zeugnisse an und nahe der Straße und schließlich die entsprechenden vorgeschichtlichen Siedelungen und Zeugnisse. Der Arbeit sind sechs saubere Skizzen und Karten beigefügt. Die Hauptübersichtskarte gibt bunt das alte Wegenetz vor 1800--1830 wieder. -- Im Mittelpunkt der Studie von F. Hering über die Ohrdruf-Oberhofer Paßstraßen in Thüringen steht die Meinoldestraße <1936, 1420>, deren topographisch genauer Verlauf aus einer Kartenskizze ersehen werden kann. In den Forschungsarbeiten aus dem Straßenwesen versucht H. Krüger < 2253> eine monographische Schilderung einer Verkehrslandschaft in dem »naturgegebenen Verkehrszuge der HAFABA« (Hamburg-- Frankfurt--Basel), und zwar des niederhessisch-südhannoverschen Grenzgebietes. Den Ausgangspunkt bilden die geographischen Bedingungen, in die die Verkehrsverhältnisse der Urzeit hineingestellt werden. Freilich werden diese mehr rückschauend aus den spätma.'lichen Verkehrsverhältnissen erschlossen, für die schon Vorarbeiten vorliegen. Zahlreiche Karten über den Verlauf der Verkehrswege -- auch der modernen -- und ihre Belastung verdeutlichen die knappen, klaren Ausführungen. In quellenkundlicher Hinsicht aufschlußreich ist der Beitrag von W. Spieß über »die Heerstraßen auf Braunschweig um 1500« in den Studien und Vorarbeiten zum Historischen Atlas von Niedersachsen < 1465>. Das Zollbuch des Zollschreibers Herman Bote von 1503 erwähnt nämlich die bei den neun Stadttoren einmündenden Heerstraßen. Die für die Erhebung des Wegegeldes genannten Orte erlauben im Zusammenhang mit dem Wegenetz der Karten des 18. und 19. Jh.'s und den Flurnamen eine topographische Rekonstruktion der Straßen, die teilweise Abweichungen von den bisherigen Ansichten ergibt.


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