§ 33. Deutsche Wehr- und Heeresgeschichte

(H. Gackenholz)

Das im Auftrage der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften von H. Franke herausgegebene »Handbuch der neuzeitlichen Wehrwissenschaften« <1936, 1853; 1937, 1960> hat die Aufgabe, das durch den Weltkrieg unvollendet gebliebene »Handbuch für Heer und Flotte« von Alten zu ergänzen und zu ersetzen. Es unterscheidet sich von diesem älteren Werk wesentlich durch die Aufgliederung des Stoffes, der nach sachlichen Gesichtspunkten auf die in Aussicht genommenen Bände verteilt ist; der 1937 vorliegende 2. Band »Das Heer« läßt das klar erkennen. Das Handbuch bringt im 1. Band die Bearbeitung aller grundsätzlichen Fragen der Wehrpolitik, der Wehrverfassung, der Wehrgeographie, der Kriegführung sowie besonders umfangreiche Abschnitte über die Land-, See- und Kolonialkriege im politisch-strategischen Rahmen seit 1740. Im 2. Band werden alle das Heerwesen im eigentlichen Sinne betreffenden Abschnitte zusammengefaßt: Heeresorganisation, Taktik, Wesen und Geschichte der einzelnen Waffengattungen, Festungskrieg und die Schlacht- und Gefechtshandlungen in ihrem taktischen Verlauf. Die seit der Wiedererringung der Wehrhoheit der NSDAP. und ihren Gliederungen übertragenen wehrpolitischen Aufgaben konnten bei der Bearbeitung der Bände noch nicht berücksichtigt werden. Sie sind in der Schrift von W. Kayser, »Die nationalpolitische Bedeutung der Wehrmacht« behandelt, die die Stellung der Wehrmacht im nationalsozialistischen Staat umreißt.

Von den im Berichtsjahr erschienenen Veröffentlichungen, die im Interesse einer wehrpolitischen Erziehung unseres Volkes der Erinnerung an Taten und Persönlichkeiten der Kriegsgeschichte dienen, ist das von F. von Cochenhausen herausgegebene Sammelwerk »Schicksalsschlachten der Völker« < 1961> bereits im letzten Jahresbericht in seinem Inhalt gekennzeichnet


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worden <1936, S. 363>. 1937 wurden unter dem Titel »Der Genius des Feldherrn« < 1962> von der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften zehn sorgfältige operative Studien über solche Feldzüge und Schlachten der Neuzeit zusammengefaßt, in denen das Wesen, die Entschlußbildung und das Handeln der Feldherrnpersönlichkeit besonders klar hervortritt, von der F. von Cochenhausen in seiner Einführung sagt, daß sie auch im Zeitalter der wirtschaftlichen und geistigen Kriegführung ihre beherrschende Stellung behalten wird. Die kriegerischen Taten der brandenburgisch-preußischen Geschichte schildert das umfangreiche Werk von M. Lezius »Von Fehrbellin bis Tannenberg«, das 1937 mit dem 2. Bande abgeschlossen ist < 1975>. Die Darstellung ist ganz volkstümlich mit oft rein anekdotischem Charakter. Bei aller Anerkennung der Bedeutung gerade der preußischen Tradition erscheint der betont preußische Umkreis des Stoffes etwas einseitig; zur Schaffung einer großdeutschenn Tradition gilt es, das gemeinsame Erleben aller Stämme, den Kampf um den deutschen Lebensraum in Mitteleuropa stärker herauszuarbeiten als die zerspaltene Überlieferung der Territorien.

Einen Längsschnitt durch die Geschichte des deutschen Heeres gibt E. von Frauenholz in dem Buch »Das Gesicht der Schlacht« < 1965> mit dem kennzeichnenden Untertitel »Taktik und Technik in der deutschen Kriegsgeschichte«. F. legt das Schwergewicht seiner Darstellung auf die Wechselbeziehungen, die zwischen der Heeresorganisation und der Waffentechnik bestehen, sowie auf den Einfluß der Waffenwirkung auf die Fechtweise des Heeres, die jeweils in ausführlichen Schlachtschilderungen erläutert wird. Dieses für einen breiteren Leserkreis bestimmte Buch ist ebenso wie der Vortrag »Söldnertum und allgemeine Wehrpflicht« < 1971> eine Nebenfrucht der umfangreichen »Entwicklungsgeschichte des deutschen Heerwesens« < 1972> desselben Verf.'s, deren Anlage im letzten Bericht besprochen wurde. Der Charakter dieser Veröffentlichung als Quellensammlung ist auch weiterhin beibehalten worden: in dem 1937 erschienenen Teil 2 von Band II »Das Heerwesen des Reiches in der Landsknechtszeit« nimmt die zusammenfassende Darstellung nur noch ein Viertel, der Abdruck von Gesetzen und Verordnungen zur Wehrverfassung und von Schlachtschilderungen der Epoche den Hauptteil ein. Das 14. bis 16. Jh. zeigen immer wieder den Versuch, die in Auflösung befindliche Lehnsordnung durch neue kampfkräftige Elemente zu ersetzen. Wiederbelebungsversuche des allgemeinen Waffendienstes werden im Reich nach Fehlschlägen im 15. Jh. aufgegeben zugunsten der von der vordringenden Geldwirtschaft begünstigten Anwerbung von Söldnern. F. behandelt eingehend die Verdienste Maximilians I., der unfruchtbare taktische Versuche beseitigt und in den Landsknechten eine operativ und taktisch gleich leistungsfähige Truppe schafft; seine Bemühungen, diese auch als Stand in das allgemeine Leben des Volkes organisch einzugliedern, scheitern, da das egoistische Interesse des soldnehmenden Landsknechts eine Bindung an die immer schwächer werdende Reichsgewalt verhindert. Das Ergebnis ist die zunehmende Verwilderung des freien Söldnertums, die nach dem Dreißigjährigen Kriege die stehenden Heere der Territorien heraufführte.

Im Rahmen der vom Bibliographischen Institut, Leipzig, herausgegebenen Sammlung »Das Deutsche Volk. Sein Wesen. Seine Stände« ist unter dem Titel »Deutsche Soldatenkunde« ein von E. O. Volkmann und B. Schwertfeger besorgtes Sammelwerk erschienen < 1963>. Es ist die Absicht dieses


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einen Textband und einen Bilderatlas umfassenden Werkes herauszuarbeiten, »was den Soldaten mit dem gesamten Volkstum innerlich und äußerlich verbindet«. So enthält der Textband neben einer Reihe von Aufsätzen über die Entwicklungsgeschichte des deutschen Soldatentums auch kulturgeschichtlich aufschlußreiche Abhandlungen über das Brauchtum des Soldaten, über Uniformkunde, Soldatensprache und Soldatenlied. Eine wertvolle Ergänzung zu diesen Beiträgen ist der Bildband, den O. Großmann mit großer Sorgfalt zusammengestellt hat; er bringt mit gutem, kurzem Text zeitgenössisches Material in fünf Gruppen: Das Kleid des Soldaten, Waffe, Ausbildung, Krieg und der Soldat im Volke, sowie eine Übersicht über das soldatenkundliche Schrifttum. Ebenfalls dem Überblick über größere Abschnitte der Entwicklung der deutschen Wehrmacht sind zwei Vorträge gewidmet, die H. Aubin < 1964> und S. A. Kaehler < 1982> einander ergänzend, gehalten haben; Aubin behandelt die beiden von Heerbann und Gefolgschaft ausgehenden Entwicklungslinien, die sich im preußischen Heere von 1813 endlich vereinigen, Kaehler schildert vor allem die Geschichte der Landwehr und ihre Stellung in der deutschen Einigungsbewegung des 19. Jh.'s.

Das von jeher in der kriegsgeschichtlichen und wehrpolitischen Auseinandersetzung behandelte und umstrittene Problem »Politik und Kriegführung« hat P. Schmitthenner < 1966> in einer die letzten drei Jahrhunderte umfassenden Studie erneut in Angriff genommen, die, bei Gustav Adolf beginnend, über Wallenstein, Cromwell, Ludwig XIV., Friedrich den Großen, Napoleon in das 19. Jh. führt und mit einer Skizzierung der politischen Führung des Weltkrieges abschließt. Sch. geht aus von der von Clausewitz formulierten untrennbaren Einheit von politischer und militärischer Führung des Krieges, überschätzt aber von der heute im autoritären Staat gewonnenen Einheit dieser Führung her die in der früheren Zeit aufgetretenen Erscheinungen einer »formalen Einheit«, wie z. B. im Absolutismus. F. Hartung hat in seiner ausführlichen Besprechung in HZ. 158, S. 584 ff., auf die sich daraus ergebenden Widersprüche in der Darstellung Sch.s gerade für das 19. Jh. nachdrücklich hingewiesen und ebenso darauf, daß manche Fehlurteile Sch.s von einer Zurückprojizierung der Ziele der Vernichtungsstrategie auf die Zeiten des 17. und 18. Jh.'s hervorgerufen sind.

In seinem Vortrage »Der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht in der deutschen Wehrverfassung des Mittelalters« ist H. Conrad < 1969> der Frage nachgegangen, inwieweit das MA. die Verpflichtung der germanischen Zeit zum allgemeinen Waffendienst der Neuzeit weitergegeben hat. In der Land- und Gerichtsfolge hat sich die Vorstellung einer solchen Verpflichtung am deutlichsten erhalten; auf ihr beruhen die neben den stehenden Soldtruppen besonders in den kleineren Territorien ausgebildeten Landesdefensionswerke des 17. und 18. Jh.'s. Die Untersuchung desselben Verf.'s, »Das Wehrstrafrecht der germanischen und fränkischen Zeit« < 1968>, gibt dazu eine kennzeichnende Ergänzung: Strafgewalt und Strafvollzug haben in der Frühzeit sakralen Charakter und treffen hart Feigheit, Heeresflucht und Landesverrat als die schwersten Vergehen gegen die kämpfende Volksgemeinschaft. Im Frankenreich tritt neben das Volksrecht das Königsrecht, der Strafvollzug wird milder und zeigt den Widerstreit zwischen den militärischen und wirtschaftlichen Erfordernissen, der zum allmählichen Verschwinden des allgemeinen Waffendienstes und


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zur Entwicklung des Lehnswesens geführt hat. Wie sich aus ursprünglich bäuerlichen Hintersassen einer Grundherrschaft durch Kriegsdienst einzelne Familien in die Ministerialität heraufentwickelt haben, zeigt H. Planitz in der Studie »Die Scharmannen von Prüm« < 1970> auf Grund einer neuen Auswertung der Quellen. Das Nebeneinander von Söldnern und milizartiger Volksbewaffnung, wie es für die kleinen Territorien und manche Reichsstädte bis in die napoleonische Epoche charakteristisch ist, tritt auch aus der Geschichte des Wehrwesens der unter der polnischen Krone stehenden deutschen Stadt Danzig hervor, deren Wehrverfassung von 1454 bis 1793 W. Hahlweg < 1989> dargestellt hat. Auch in der Arbeit von E. Hübinger, »Graf Wilhelm zu Schaumburg-Lippe und seine Wehr« < 1980>, wird diese Form der Kriegsverfassung an dem Beispiel eines kleinen Landes geschildert, in der man eben doch nur sehr bedingt die Wurzeln von Scharnhorsts allgemeiner Wehrpflicht suchen darf.

In einer nützlichen Bibliographie zur »Geschichte der Verpflegung der Feldheere in der Zeit von 1500 bis 1914« hat K. Linnebach < 1974> die Quellen zusammengestellt, die als Grundlage für Untersuchungen auf diesem bisher nur sehr wenig erforschten Gebiet der Heeresgeschichte dienen können. Für die Anfänge der brandenburgisch-preußischen Heeresverwaltung liegen zwei kurze Arbeiten vor: B. Becker < 1977> behandelt die Einrichtung und das Vordringen der Kriegskommissare als Schrittmacher des absoluten Regiments, und Rosencrantz < 1978> beschreibt den Inhalt der preußischen Verpflegungs- und Einquartierungsordonnanzen von 1713, die zwar eine starke Last für Bürger und Bauern bedeuteten, diese aber gleichzeitig gegen eine willkürliche Bedrückung schützten.

Für die Entwicklungsgeschichte des preußischen Offizierstandes im 18. Jh. gibt J. Hoven < 1979> besonders im 3. Teil seiner Studie manchen wertvollen Beitrag; viele Züge sind indessen nicht nur als spezifisch preußisch, sondern eher als Kennzeichen eines allgemeinen Typus des Soldaten im 18. Jh. anzusehen. In welchem Maße das Offizierkorps in dieser Zeit an dem großen geistigen Aufschwung in Deutschland teilnimmt, zeigt die Untersuchung von U. Waetzoldt < 2606>. W. gibt eine Darstellung über den Bildungsstand und die Lehrtätigkeit im preußischen Offizierskorps und behandelt dann mit leider nicht immer ausreichenden Angaben die Leistung militärischer Autoren auf fachwissenschaftlichem, zeitgeschichtlichem und schöngeistigem Gebiet; die angeschlossene Bibliographie ist eine begrüßenswerte Zusammenstellung des heute feststellbaren Anteils der deutschen Offiziere an der damaligen Zeitschriften- und Buchliteratur. Von der großen Sammlung der Biographien der Generale des preußisch-deutschen Heeres von K. von Priesdorff < 1976> sind 1937 die Bände 3--5 veröffentlicht worden, die die Zeit von 1798 bis 1840 umfassen. Das mitgeteilte Material ist besonders beachtenswert, weil in diesen Bänden die Männer der Reform und die Generalität der Kriege 1813/15 erscheinen. Bei vielen treten neue Einzelheiten zutage, die für künftige Arbeiten herangezogen zu werden verdienen.

Eine wertvolle Bereicherung hat im Berichtsjahre die Clausewitz-Forschung durch zwei Arbeiten von E. Kessel < 1981> erfahren. K. hat unter dem Titel: »Clausewitz, Strategie aus dem Jahre 1804 mit Zusätzen von 1808 und 1809« einen Zufallsfund, die Niederschrift des 24jährigen Schülers Scharnhorsts, herausgegeben,


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die im Keime schon die spätere umfassende Lehre »Vom Kriege« enthält. Clausewitz' Gedanken zeigen bereits damals die Überwindung der rationalistischen Kriegstheorie der Aufklärung durch die Erkenntnis von der Bedeutung der moralischen Faktoren. Mut und Kühnheit des Feldherrn sowie die Einflüsse, denen diese ausgesetzt sind, hebt Clausewitz in bewußter Ablehnung der zeitgenössischen Methodik hervor. K. hat sich mit der sorgfältigen Ausgabe ebenso ein Verdienst erworben wie mit der umfangreichen Einleitung, in der er die Stellung des jungen Clausewitz in der Kriegstheorie der Zeit, sein Verhältnis zu Scharnhorst und die Entwicklungslinien behandelt, die von diesem ersten Entwurf über die späteren Schriften Clausewitz' zu dem Werke »Vom Kriege« führen. Gleichzeitig hat Kessel in einer Studie »Carl von Clausewitz, Herkunft und Persönlichkeit« < 1033> die Frage nach der »Bodenständigkeit«, nach der soldatischen Tradition bei Clausewitz erneut aufgegriffen und wichtige Ergebnisse für seine Persönlichkeit und seine Stellung im Geschehen der Zeit gewonnen. Clausewitz' Vater ist 1767 von Friedrich dem Großen wegen seiner bürgerlichen Abstammung, nicht, wie er selbst überliefert hat, wegen Invalidität verabschiedet worden; um so stärker wurde in seinem Hause eine militärische Tradition gepflegt, die den Sohn zu einer geradezu leidenschaftlichen Verpflichtung gegen Volk und Vaterland geführt hat. Will man von einer Tragik im Leben Clausewitz' reden, so liegt diese nicht in einem »Mangel an Bodenständigkeit«, sondern eher darin, daß es ihm versagt gewesen ist, sich in der Wirklichkeit des Krieges seiner leidenschaftlichen Natur entsprechend in führender Stellung zu bewähren.

Unter einem ähnlich tragischen Schicksal steht das Leben des anderen soldatischen Lehrmeisters unseres Heeres, des Grafen Schlieffen. Während wir bisher von seiner Tätigkeit als Chef des Generalstabes und als Erzieher der im Weltkriege hervortretenden Generation von Generalstabsoffizieren nur mittelbar Kenntnis erhalten haben, führt uns die 1937 begonnene Veröffentlichung der »Dienstschriften« < 1985> unmittelbar in seine Gedankenwelt. Der 1. Band umfaßt die alljährlich am Ende der Winterausbildung im Generalstabe gestellten taktisch-strategischen Aufgaben der Jahre 1891 bis 1905; man erkennt bei den ausführlichen Besprechungen der meist im westlichen und östlichen Grenzgebiet spielenden Aufgaben deutlich, wie er selbst seine Anschauungen überprüft. Die Veröffentlichung gibt so eine Vorstellung von den maßgebenden strategischen Auffassungen der Jahrhundertwende, zugleich aber zeigt sie Schlieffen als den Vermittler von Gesetzen der Kriegführung, die an keine Zeiterscheinung gebunden sind. Das Leben und Wirken des bis in die Gegenwart hinein tätigen Schülers und Nachfolgers Schlieffens, des Generalobersten von Seeckt, hat in einem Erinnerungsbuch der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften < 1418> eine knappe Darstellung gefunden. Seine Tätigkeit als Generalstabschef im Weltkriege, als Organisator der Reichswehr und Lehrmeister des neuen Heeres sowie seine Erscheinung als Soldat und Mensch sind in den verschiedenen Beiträgen von Foerster, Volkmann, von Schäfer, von Metzsch und Linnebach behandelt. Bei der Gründung der Reichswehr setzten Nationalversammlung und Reichstag den Fortfall einer besonderen militärischen Gerichtsbarkeit durch; Glahn schildert in seiner Studie »Der Kampf um die Militärgerichtsbarkeit in den Jahren 1919/20« < 1988> das vergebliche Ringen Seeckts und seiner Mitarbeiter


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um diese für die Erhaltung der Manneszucht in der Wehrmacht wichtige Einrichtung.

Von den im Berichtsjahre zur Geschichte der deutschen Seemacht vorliegenden Arbeiten ist der Vortrag von A. von Brandt, »Der Einfluß der Seemacht auf die ältere deutsche Geschichte« < 2003>, deshalb hervorzuheben, weil er die Einheit unserer Seekriegsgeschichte nicht erst mit dem Großen Kurfürsten, sondern mit der Hanse beginnen lassen will. Die der Hanse in Nord- und Ostsee gestellten seepolitischen Aufgaben entsprechen in der Tat eher den heutigen als die kurze Episode der brandenburgischen Marinegründung. Die von staatsrechtlichem Standpunkt durchgeführte Untersuchung von J. Lehment, »Kriegsmarine und politische Führung« < 2005>, gibt eine geschichtliche Betrachtung der Spitzengliederung der preußischen und deutschen Kriegsmarine bis in die Gegenwart, wobei es sich vor allem um das Problem handelt, ob Kommandoführung und oberste Verwaltungsbehörde in einer Einheit zusammengefaßt werden sollen. Diese Frage ist immer wieder beeinflußt gewesen durch den Wunsch, ebenso wie beim Heer die Kommandogewalt der Krone dem Einfluß der Volksvertretung zu entziehen. Daß man durch den mangelnden Einbau der Flottenpolitik in die Außenpolitik vor dem Weltkriege schwere Fehler gemacht hat, läßt sich von der Gegenwart her deutlich erkennen. Auf dem Schnittpunkt zwischen Seemacht- und Außenpolitik liegt auch die Behandlung des Seekriegsrechts. U. Haarmann < 2006> hat in einer Untersuchung dargelegt, wie Preußen und die Vereinigten Staaten von deren Gründung an zuerst zusammengearbeitet haben, dann aber von der Pariser Deklaration an verschiedene Wege gegangen sind, da die Amerikaner besonders im Sezessionskrieg sich der englischen Seekriegsrechtpraxis angeschlossen haben. Neben dem Prinz-Admiral Adalbert hat um die Gründung der preußischen Marine Admiral Jan Schröder große Verdienste. Sein Lebensbild entwirft H. Mensching < 2004> in einem Aufsatz; Schröder ist 1846 aus holländischen Diensten gekommen und hat die Ausbildung und den Aufbau des Schiffsmaterials bis 1860 geleitet, wo auch er als »Chef der Marineverwaltung« an dem von Lehment behandelten Gegensatz zum »Oberkommando« gescheitert ist. Für die Entwicklung des deutschen Kriegsschiffbaus hat E. Gröner < 2007> in seinem sorgfältig unter Benutzung amtlichen Materials angefertigten Tafelwerke etwas Endgültiges geschaffen; das Werk enthält nicht nur die Skizzen aller deutschen Kriegsfahrzeuge, sondern auch erschöpfende Angaben über ihre Baudaten und ihren Verbleib.


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