d) Reformationsgeschichtliche Einzelliteratur.

Die Lutherrenaissance hat den Blick für die dogmatischen Veränderungen im deutschen Luthertum geschärft. Den theologischen Verschiedenheiten zwischen L. und Melanchthon entspricht die Entwicklung von L. zur Orthodoxie, die ja mehr von Melanchthon in ihr Lehrsystem übernahm als sie selbst erkannte. H. E. Webers Werk will diesen Schritt zur Orthodoxie verfolgen < 2457>. Aber dann soll die Entwicklung zum Supranaturalismus und Rationalismus geschildert werden, die auf die Überspitzung gewisser im orthodoxen System schon vorhandener Lehren zurückgeführt wird. Durch die Ausrichtung auf den Rechtfertigungsglauben wird die Lokalmethode überwunden und die Darstellung von allem peripherischen Ballast befreit. Der vorliegende 1. Teil führt bis zur Krisis im Osiandrischen Streit. Die Spannung zwischen der subjektiven Erkenntnis der Rechtfertigung und der objektiven Richtung auf Gottes Urteil hin ist danach die treibende Kraft der theologischen Abwandlung zur Orthodoxie. -- H. Gollwitzer stellt den Kampf um die lutherische Abendmahlslehre in die Auseinandersetzung zwischen L. und Calvin hinein < 2497>. Dabei gilt als Endpunkt das Konkordienwerk. Tatsächlich ist dann in der Kontroversliteratur die Prädestinationslehre heißer umkämpft worden als die Abendmahlslehre. Wertvoll in dieser Untersuchung ist die Erkenntnis der Eigenart der Lehre Melanchthons, um so mehr, da damit die Brücke zwischen ihm und Calvin entdeckt ist, während wiederum die schwärmerische Negation des Sakramentes als Folge bestimmter calvinischer Anschauungen festgestellt wird. Damit sind diese unerfreulichen Streitereien wenigstens einem größeren dogmengeschichtlichen Zusammenhang eingeordnet. Melanchthons Sonderstellung beleuchtet auch R. Nürnberger < 2476>. Freilich ist es eine werdende des ursprünglich ganz durch L. bestimmten Mannes. Aber wie weit führte ihn die ständige Rücksichtnahme auf die gegebenen Verhältnisse! Denn schließlich lag die völlige Territorialisierung der kirchlichen Dinge (Verzicht auf die kirchliche Selbständigkeit,


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Übertragung des Dienstes für die vera doctrina an die Obrigkeit) in seinem Sinne. Als Vater der lutherischen Orthodoxie gilt weithin sein großer Gegner Nicolaus von Amsdorf, dessen Leben bis zur Einweisung als Bischof von Naumburg H. Stille schildert < 2478>. Amsdorfs Freundschaft mit L. hat sich in Leipzig und Worms gebildet und gefestigt. Er hat Magdeburg zum Hort des Luthertums gemacht, an dem das Interim zerbrechen sollte. Neben dem Lebensgang stellt St. die theologische Entwicklung vom lebendigen Glauben zur Rechtgläubigkeit, die eine Theologie scholastischen Charakters schafft, anschaulich dar.


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