II. Das achtzehnte Jahrhundert.

Mit dem Problem Volk und Staat im Denken Friedrichs des Großen beschäftigen sich gleich zwei Arbeiten. J. von Prott < 2635> legt dar, daß Friedrichs Staatsauffassung eine dynamische ist und nicht auf einen einzigen Gedanken zurückgeführt werden kann. Der Tugendbegriff der Aufklärung, die Naturrechtslehre und die Idee der Staatsräson haben an ihr Anteil. Einzelinteresse und Gesamtinteresse sucht Friedrich der Große so einander anzugleichen, daß er ein Verhältnis der Harmonie oder des Gleichgewichts beider anstrebt. Später spricht er sogar von Unterordnung des Einzelinteresses, womit er die Naturrechtslehre allmählich überwindet. Schließlich sind bei ihm auch Ansätze einer organischen Staats- und Volksauffassung vorhanden, die besonders in seinen »Lettres sur l'amour de la patrie« von 1779 begegnen. Auch H.-W. Büchsel < 2634> gelangt zu dem Ergebnis, daß sich Friedrich auf Grund seiner Herrschererfahrungen mehr und mehr von der Naturrechtslehre und der Aufklärung überhaupt entfernt hat. Der Verf. beschäftigt sich ausführlicher als v. Prott mit dem Volksbegriff Friedrichs, zitiert zahlreiche charakteristische Äußerungen und erwähnt seine Kenntnisse vom Leben des Volkes und seine Anteilnahme am Ergehen des niederen Volkes. Er findet, daß Friedrich der Große das Volk noch nicht als Individualität erkannt, auch seine Politik noch nicht im Hinblick auf das Volk getrieben habe. Aber durch die »volkschaffende« Wirksamkeit seines Staates hat er die Grundlage für das später erwachende Selbstbewußtsein des Volkes gelegt.


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