V. Das zwanzigste Jahrhundert.

Der zunehmende Abstand von der ersten Nachkriegsperiode erlaubt bereits, wissenschaftliche Untersuchungen über ihre Ideenwelt anzustellen. Zwei allerdings mehr philosophisch-lehrgeschichtlich als historisch angelegte Dissertationen behandeln die Anschauungen über Krieg und Frieden (S. Kayser < 2661>) und über den Begriff des »Reiches« (F. Eckrich < 2660>) nach dem Ende des Weltkrieges. K. greift als charakteristische Denker den jüdischen Pazifisten Kurt Hiller, den protestantischen Theologen Paul Althaus


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und den Dichter Ernst Jünger heraus (die Abschnitte über Franziskus Maria Stratmann und Julius Binder sind leider nicht mitgedruckt worden), Männer mit sehr verschiedenartigen Ansichten über Sinn des Krieges und Wert des Friedens. Interessant und auf die künftige Entwicklung des Marxismus vorausweisend ist die eingehend dargestellte Wandlung Hillers vom absoluten Pazifisten zum pazifistischen Militaristen. Am Schluß seiner Arbeit versucht K. die aufgezeigten Gedanken auf ein Grundproblem zurückzuführen: den Gegensatz von Bürger und Soldaten, ein Problem, das das 19. Jh. beherrscht hat und das erst der Nationalsozialismus löste, indem er den bourgeoisen Pazifismus ebenso wie den Nurmilitarismus durch den Volksgedanken überwand. -- Während in dieser Arbeit die gegensätzlichen Anschauungen scharf auseinandergehalten werden, stellt Eckrich die Idee des Reiches dogmatisch als eine im wesentlichen einheitliche Theorie vom »Überstaat« dar, ohne ihre verschiedenen Träger gegeneinander abzusetzen und ihnen ihren geschichtlichen Platz im Zeitraum zwischen 1918 und 1933 zuzuweisen. Die historische Untersuchung des für das deutsche politische Denken der Nachkriegszeit so charakteristischen »Reichs«begriffes wird bloß durch saubere Scheidung nur scheinbar verwandter Geister gefördert werden können. --Tazerout gibt in seinem Moeller van den Bruck-Aufsatz < 2659 a> eine Analyse der beiden Sammlungen »Das ewige Reich« und »Der politische Mensch«, die dem deutschen Leser nichts Neues bringt.

Über das nationalsozialistische Schrifttum des Berichtsjahres s. oben S. 319 ff.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)