II. Geschichte einzelner Epochen, Ereignisse und Persönlichkeiten.

Für die Arbeit von Renken < 2215> nehme ich auf meine Rez. in Hist. Z., Bd. 158, Bezug. --Koczy < 865> veröffentlicht in sorgfältiger Edition das in Thorn entstandene Rechnungsbuch des Ratsherrn Theudenkus (d. h. Teidinghaus) über die Einnahmen und Ausgaben des »Engen Rates« des Preußischen Bundes im Dreizehnjährigen Kriege mit dem Orden namentlich für die Jahre 1453 und 1454. Also nur dessen Finanzwesen, nicht die Gesamteinnahmen und Ausgaben des Bundes, können aus dieser Quelle erschlossen werden; für diese bleiben Toeppens Ständeakten die wichtigste Quelle. Daß die Westhälfte des Landes den Hauptanteil der Kosten zu tragen hatte, war bereits bekannt. Neu ist die Erkenntnis, daß der zum Teil undeutsche Adel dieses Gebietes nur knapp 2,5 Prozent der dem Engen Rat zugegangenen Einnahmen aufgebracht hat, weitaus das meiste die rein deutschen Städte, daneben namentlich der Bischof von Kulm, aber auch die Klöster Oliva und Pelplin. Wirtschaftsgeschichtlich wertvoll sind die von K. gefertigten Übersichten über die Warenpreise und über das Münzwesen. Gute Personen-, Orts- und Sachregister und eine allerdings sehr knapp gehaltene deutsche Zusammenfassung schließen das gediegene Werk ab. Es sei erwähnt, daß selbstverständlich fast alle vereinnahmten Gelder zur Bezahlung der Söldner dienten; ein kleiner Teil wurde auf Gesandtschaftskosten verwandt. -- Wie fern gerade den Städten des späteren polnischen Preußens bei ihrer Verständigung mit Polen polnische Sympathien gelegen hatten, beweist die neueste Darstellung der innenpolitischen Entwicklung Polnisch-Preußens von 1466--1569; gerade die Städte haben sich, wie Turowski < 866> überzeugend darlegt, auch später von allen Polonisierungsbestrebungen völlig ferngehalten. Die Arbeit beruht nur auf gedruckten Quellen und berücksichtigt die Literatur für das westpreußische Gebiet gründlich, hingegen unbefriedigend für das Ermland, dessen zähen Kampf um die Erhaltung seiner völkischen Selbständigkeit T. leider völlig übergeht. Die Polonisierung wurde mit Hilfe des Beamtentums versucht und der Adel ist ihm z. T. erlegen. Das ist freilich bereits bekannt, wie denn die wenig glücklich aufgebaute Arbeit überhaupt nichts wesentlich Neues zu bringen weiß. -- Wie stark der nationale Widerstandswille und das Selbständigkeitsstreben gerade des Ermlandes in jenen Jahrzehnten war, beweist die von Pociecha < 867> aus polnischen Quellen ermittelte Tatsache, daß Bischof Lukas Watzelrode sich eine Wiedervereinigung der beiden Preußen unter Schaffung eines Erzbistums Ermland zum Ziel gesetzt hat. Pociechas Arbeit bildet einen Teil der polnischen Geschichte Ostpreußens <1936, S. 427 ff.>. Der durch verschiedene Arbeiten zur polnischen Geschichte des 16. Jh.'s mit dem Stoff wohlvertraute Verf. sieht die von ihm behandelten Jahrzehnte, wie schon der Titel seiner Schrift zeigt, eigentlich nur unter dem Gesichtspunkt der Vorbereitung auf den Krakauer Vertrag von 1525 an. Gewiß mag nachschauende Betrachtung so urteilen. Aber dem Eigenwert


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dieser Zeit für die Entwicklung Ostpreußens -- der energischen Wiederaufnahme der Besiedlung des Landes und den mannigfachen Versuchen zu einer zeitgemäßen Gestaltung des Ordens, die folgerichtig in der Säkularisation des Landes durch den letzten Hochmeister auslaufen -- kann P. mit einer solchen Einstellung nicht gerecht werden. Infolgedessen kann auch der starke deutsche Lebenswille des preußischen Staats, wie er in dem ständigen Kampf gegen den 2. Thorner Frieden sich kundtat, von P. nicht zu überzeugendem Ausdruck gebracht werden, ein Lebenswille, der um so bemerkenswerter ist, als die Ideologie des Ordens -- darin stimme ich P. zu -- dem Verfall geweiht war. Indem P. die Geschichte Ostpreußens nur vom polnischen Standpunkt betrachtet, übersieht er die Bedeutung der Reformation für das Herzogtum; diese verband das Land gerade in dem Augenblick, wo es die polnische Lehnshoheit 1525 anerkannte, aufs engste mit dem übrigen Nordostdeutschland und stärkte seinen geistigen Einfluß auf Polen und auf das Baltikum in ungeahnter Weise. -- Der von Warda und Diesch seit 1916 herausgegebene, von Diesch mit einem ausgezeichneten Kommentar und Register versehene Briefwechsel des Kriegsrats Scheffner umfaßt die Jahre 1754--1820 < 2619>. Scheffner machte die letzten Jahre des Siebenjährigen Krieges mit, wurde dann für 10 Jahre Kriegsrat und lebte seitdem als Privatmann seinen ausgebreiteten literarischen Neigungen. Von Wert sind heute noch seine selbstbiographischen Werke, während seine Gedichte vergessen sind; auch als Übersetzer, z. B. Guicciardinis, Macchiavellis hat er sich betätigt. Seine umfassende Bildung und sein aufrechter Charakter gewannen ihm die Freundschaft so bedeutender Männer wie Stein, Kant, Kraus, Herder, Süvern. Zum Hof Friedrich Wilhelms III., namentlich zu Königin Luise und zu Prinzessin Radziwill, durfte er fast schon freundschaftliche Beziehungen pflegen. Für den Historiker sind namentlich wertvoll die Briefe des als Verteidiger von Kosel 1807 gestorbenen Generals von Neumann, die reichen Aufschluß über die Stimmung des Offizierkorps in den letzten Jahrzehnten des 18. Jh.'s bieten, des Generals und Kriegswissenschaftlers von Valentini (interessant für die Jahre 1815 und 1816) und des Bialystoker Kammerpräsidenten von Wagner, die einen überraschenden Eindruck von dem polnischen Widerstand geben, auf den die preußische Verwaltung in jenem fremdstämmigen Gebiet stieß. --Wilders < 2217> in polnischer und gekürzt in englischer Sprache erschienener Aufsatz über den wirtschaftlichen Verfall Ostpreußens kann nicht als wissenschaftliche Abhandlung, sondern nur als politische Propagandaschrift gewertet werden. Die unglückliche Entwicklung der Provinz von 1918--1933 ist nach ihm keine Folge ihrer räumlichen Trennung vom übrigen Reich, vielmehr sei es ihr 1772--1894 auch schlecht gegangen, ein Urteil, das nur einem Ignoranten verziehen werden könnte; also nicht in der Wiederherstellung der räumlichen Verbindung zwischen Ostpreußen und dem Reich liegt die Gewähr für eine glückliche Zukunft der Provinz, sondern in ihrer Vereinigung mit Polen. Wir hören dies Lied nicht zum erstenmal von jenseits der Grenze. Dabei hat man es gerade in Polen so leicht, an dem Schicksal Posens und Pommerellens zu sehen, welche Folgen die Vereinigung hochentwickelter Gebiete mit zurückgebliebenen für jene zeitigt.


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