III. Einzelne Landesteile und Orte.

Mantheys Aufsatz < 2343> beruht zwar fast ganz auf einer übrigens recht selbständigen Verwertung der Geschichte Pelplins von Frydrychowicz, hat aber ihren eignen Wert durch den Nachweis, daß das Kloster nicht bloß vor 1466 ganz deutsch war, sondern daß abgesehen


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von den Äbten die meisten Prioren und bis 1772 auch der überwiegende Teil des Konvents deutsch war. Danziger Künstler schmückten das Kloster, wie denn überhaupt die Beziehungen zu Polnisch-Preußen, namentlich zum Ermland, sehr rege waren. Die Pelpliner Mönche studierten gern in Braunsberg, einige gingen nach Leipzig und wohl auch nach Heidelberg. --Semraus < 2218> Untersuchungen über die Siedlungen in den Kammerämtern Kerpau (in den Kreisen Osterode und Mohrungen) und Fischau (in den Kreisen Marienburg und Elbing) beruhen auf sorgfältigster Verwertung der Literatur und der archivalischen Quellen in Königsberg, Elbing und Danzig. In beiden Arbeiten folgt auf eine verhältnismäßig kurze, aber sehr wertvolle allgemeine Darstellung eine Geschichte der einzelnen Ortschaften. Namentlich die Untersuchung über das Kammeramt Fischau ist recht aufschlußreich. --Wiebe < 2511> schildert nach einem in Privatbesitz befindlichen Tagebuch eines Besitzers aus dem 17. und 18. Jh. die wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse der aus den Niederlanden in die Schwetz-Neuenburger Weichselniederung eingewanderten Mennoniten, die unter polnischer Herrschaft ihr Volkstum und ihren Glauben treu bewahrten. Ihre völkische und religiöse Vereinzelung und der stete Kampf gegen die Überschwemmungsgefahr durch die Weichsel schufen in den Gemeinden ein außerordentlich starkes Gemeinschaftsbewußtsein; so bestimmte z. B. eine Dorfwillkür, daß Besitzer, die mit der Steuerzahlung im Rückstand blieben, von der Gemeinde zum Verkauf ihrer Grundstücke zu zwingen seien. --Hitzigraths < 1586> Aufsatz bringt namentlich in familienkundlicher Hinsicht erfreuliche Aufschlüsse. Er beruht auf den Angaben des Kirchenbuches von Wartau (Kanton St. Gallen), auf Berliner und Königsberger Archivalien. Die Schweizer wurden besonders in den Kreisen Gumbinnen und Stallupönen eingesetzt. Ihr schon bekannter Kampf mit der Regierung wegen der hohen Steuern und namentlich wegen der Verpflichtung zum Scharwerk wird von H. mit neuen Einzelheiten geschildert. Veranlassung zur Auswanderung gaben unbefriedigende wirtschaftliche Verhältnisse; die meisten Auswanderer waren arme Leute. -- Die unwissenschaftliche, einer mehr als naiven politischen Propaganda dienende Monographie Jan Kilarskis über Danzig (Gdańsk, Poznan, 252 S.) verdient an dieser Stelle eigentlich keine Erwähnung. Zur Charakteristik der Wahrheitsliebe des Verf. sei nur erwähnt, daß nach ihm das polnische Element stets grundlegende Bedeutung in der Stadt gehabt hätte, die deutsche Bevölkerung erst nach dem Übergang an Preußen künstlich verstärkt worden sei. (Rez. von Dragan im Kwartnik hist. 57, S. 735 ff. und von Wendland in Altpreuß. Forsch. Bd. 15, S. 141 ff.) -- Lukasz Kurdybacha, Stosunki kulturalne polsko-gdańskie w XVIII wieku [Die Polnisch-Danziger kulturellen Beziehungen im 18. Jh.] (Studja Gdańskie I, Danzig, 108 S.) beruht auf einem reichen Quellenmaterial, so z. B. den Korrespondenzen der beiden Załuski und des Fürsten Jablonowski. K.'s These, im 17. Jh. habe das deutsche Geistesleben auf Danzig nicht eingewirkt, ist im voraus durch Nadlers und Kindermanns Arbeiten widerlegt. Erst mit der »anationalen« Aufklärungsphilosophie beginnen die in Deutschland lebendigen Ideen auf Danzig und auf Polen befruchtend zu wirken. Um die Mitte des 18. Jh.'s setze eine ausgesprochen deutsche Bewegung im Danziger Geistesleben ein, zumal auch unter Gottscheds Einfluß, und bereite den politischen »Abfall« Danzigs von Polen vor. In Wirklichkeit hat sich aber die Entwicklung des Danziger Geisteslebens stets in Parallele zu dem im Reich vollzogen; so erfolgte auch das Erwachen und Erstarken des deutschen Nationalbewußtseins

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gleichzeitig im Reich und in Danzig und im polnischen Westpreußen überhaupt, und nur die Sonderstellung dieses Gebiets brachte es mit sich, daß dies werdende Nationalbewußtsein zu einem erneuten Widerstand gegen polnische Bevormundung führte. (Rez. von Schieder in Altpreuß. Forsch. Bd. 15, S. 131ff.) -- Der schwierigen, viel behandelten Frage nach der Gründungszeit der deutschen Stadt Danzig widmet Frederichs < 811> eine methodisch straffe, eindringende Untersuchung in lebhafter Polemik gegen Keyser und Koebner <1935, S. 438 f.>. Sein Ergebnis, daß diese Gründung 1238 erfolgt sei, wirkt durchaus überzeugend und kommt Simsons Ansicht, die Stadt sei nicht lange nach 1236, jedenfalls eine Zeitlang vor 1263 gegründet, am nächsten. -- Mit seiner Geschichte des Stadtbildes Danzig von etwa 1350 bis 1650 bietet Kloeppel < 278> in lebendiger Form die Zusammenfassung eines wesentlichen Teils seiner reichen Lebensarbeit. Daß er dem Danziger Bürgerhaus, das s. E. aus dem westfälischen Bauernhaustyp entwickelt ist, besondere Beachtung widmet, versteht sich bei der Richtung seiner Interessen von selbst. Den breitesten Raum nimmt die Geschichte der Befestigungen -- Mauern, Türme und Tore -- ein, für den Historiker wohl der wertvollste Teil des Werkes. Verhältnismäßig kurz sind dagegen dem Thema entsprechend die großen kirchlichen und Profanbauten behandelt. Hier verdienen namentlich die Ausführungen über die städtebauliche Gestaltung um die Marienkirche Beachtung. -- Elbing, bis gegen Ende des 14. Jh.'s die führende, seither ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nach die zweite Stadt des Ordensstaats und dann Polnisch-Preußens, im 19. Jh. wieder zu hoher wirtschaftlicher Blüte aufsteigend, eine Stadt, die stets mit Selbstverständlichkeit ihren rein deutschen Charakter bewahrt, bis ins 18. Jh. ihre eigne Note im Geistesleben des Landes behauptet hat, ist jetzt zum erstenmal einer eingehenden Darstellung gewürdigt worden. Carstenn < 276> hat sich als landeskundlicher Historiker seit Jahrzehnten bewährt. Seine Vertrautheit mit der Geschichte des Landes und speziell mit der Elbings haben ihm gestattet, diese Stadtgeschichte im Rahmen einer Darstellung der Gesamtentwicklung des Ordenslandes und der Hanse zu schreiben, und zwar vorwiegend vom politischen Standpunkt. Die innere, geistige und soziale Entwicklung wird leider ein wenig kurz behandelt, so daß die Zeit seit 1772 nur wie ein Anhang wirkt (30 S. der fast 450 S. starken Darstellung). Aber in der hiermit angedeuteten Begrenzung ist ein wertvolles, sehr solide gearbeitetes Werk entstanden. -- Eine kurze Zusammenfassung seiner Ergebnisse bringt Carstenn in dem Vortrag »Elbings deutsche Sendung« < 275>, der in der anläßlich der 700-Jahr-Feier der Stadt erschienenen Vortragssammlung < 227> erschienen ist. Außerdem enthält das Heft u. a. die Vorträge von Rörig < 850> über die Erschließung des Ostseeraums durch das deutsche Bürgertum, von H. Aubin < 2164> über die geschichtliche Stellung der ostdeutschen Wirtschaft, von Matschoß über die Entwicklung der Schichauwerke, die gerade 100 Jahre bestehen und aus kleinsten Anfängen zu einer der bedeutendsten Industrieunternehmungen des Nordostens geworden sind. -- Dem Elbinger Großhandelshaus Grunau, dessen Blütezeit in der 1. Hälfte des 19. Jh.'s lag, widmet Axel Grunau < 277> eine sehr sorgfältig gearbeitete ausführliche Monographie. Der Begründer der Firma fing wie Schichau mit einem Kleinbetriebe an und erweiterte sein Getreidegeschäft auf Holzhandel, Mühlen, Seifen- und Lichtfabriken, Essigfabrik und Bierbrauerei. An der Einführung der Dampfschiffahrt war er führend beteiligt. Der um die Mitte des Jh.'s eintretende Preisrückgang führte zu einem Zusammenbruch, zu

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dem die dänische Seeblockade den unmittelbaren Grund bildete. Grunau hatte erst für seine Arbeiter, dann für die Elbinger Arbeiter überhaupt eine Kranken- und Sterbekasse geschaffen, die nicht bloß innerhalb der Provinz, sondern sogar im Westen des Reichs (Bonn, Saarbrücken) Beachtung und Nachahmung fand. -- Ringlebs Arbeit < 2675> beruht fast ausschließlich auf den Akten des Elbinger Stadtarchivs. Er gibt -- seit 1919 mit aus eignem Erleben -- ein anschauliches Bild des Elbinger Volks- und Mittelschulwesens, das häufig über lokale Bedeutung hinausgeht. Die Elbinger Schulverhältnisse waren bis um 1850 wenig befriedigend, so konnten z. B. 1822 nur zwei Drittel der schulpflichtigen Kinder aus Mangel an Raum regelmäßig unterrichtet werden. Noch 1852 entfielen in einem Einzelfall 198 Kinder auf einen Lehrer, 1864 im Durchschnitt 80 und 1919_50 Kinder. Um 1850 gab die Stadt auf den Kopf der Bevölkerung für Schulzwecke jährlich 40 Pfennig aus. Erwähnt sei ein charakteristischer Vorfall aus der Reaktionszeit: Bewaffnete Polizeibeamte durchsuchten die Schulbücher der Kinder auf »Darstellungen revolutionärer und unsittlicher Vorgänge«. Für die Juden wurde 1822 eine eigne Schule eingerichtet. -- Die Geschichte Rössels von Poschmann < 274> besteht im wesentlichen in einer geschickten Verbindung einer Reihe von Arbeiten Poschmanns und Materns, d. h. der beiden Forscher, die sich um die Geschichte dieser Stadt vorzugsweise verdient gemacht haben. Das hat zur Folge, daß nicht eine nach Epochen gegliederte Gesamtschau geboten wird, sondern eine getrennte Darstellung der einzelnen Lebensgebiete: Verwaltung und Gericht, Kirchen und Klöster, Schulen, Wirtschaftsleben, Umgebung und Vorstädte, Bürgerschaft, Statistiken. Eine solche Form hat gewiß für den nur lokalgeschichtlich Interessierten ihren Reiz, kann aber durch einen Mangel an Geschlossenheit den Historiker nicht recht befriedigen. Das Buch beruht auf Archivalien von Berlin, Königsberg und Frauenburg und auf einer vollständigen Verwertung der Literatur und darf mit dieser Einschränkung zu unsern besten Stadtgeschichten gerechnet werden. -- Das von Matern und Birch-Hirschfeld < 858> herausgegebene Rösseler Pfarrbuch enthält neben Aufzeichnungen über die Vermögensverwaltung der Kirche -- Schenkungen, Testamente seien unter den Einnahmen, Baukosten unter den Ausgaben erwähnt -- Eintragungen einer Fülle von Rechtsgeschäften, die von der Stadt- und Landbevölkerung geschlossen wurden. So hat die Veröffentlichung einen erheblichen rechts-, kultur- und sippenkundlichen Wert. Obwohl die ländliche Bevölkerung ihrer Herkunft nach überwiegend preußisch war, herrschen schon im 15. Jh. nichtpreußische Namen vor, auch ein Beweis für die allmähliche Eindeutschung der Preußen. Ein Bibliothekskatalog von 1469 mit einigen späteren Nachträgen ist der älteste des Ermlandes. -- John Muhl, Geschichte der Dörfer auf der Danziger Höhe, d. h. im heutigen Höhekreis der Freien Stadt Danzig, bringt unter Verzicht auf eine zusammenfassende Darstellung annalenartige Quellenberichte aus dem Staatsarchiv Danzig über die Entwicklung der einzelnen Dörfer von der Ordenszeit bis zur Gegenwart. Besonders dankenswert ist, daß er mit der Nennung namentlich der Schulzen- und Krügerfamilien nicht bloß ein reiches sippenkundliches Material zusammenträgt, sondern damit zugleich den Beweis für seine im Vorwort aufgestellte Behauptung erbringt, »daß die Insassen der Dörfer auf der Danziger Höhe zu allen Zeiten deutschen Stammes und deutschen Sinnes gewesen«; damit ist dem Buch zugleich eine über den Rahmen einer Kreisgeschichte wesentlich hinausgehende Bedeutung gegeben.

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